Der schwarze Blitz aus Kitz

Von Oliver Mehring
Legende Toni Sailer prägte den Skisport nachhaltig
© getty
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Zu allem Überfluss galt der gutgelaunte Junggeselle als Frauenschwarm und Gentleman. Seine dunklen Haare, die braunen Augen und die sonnengebräunte Haut machten ihm zum Posterboy einer ganzen Nation. Selbst in den deutschsprachigen Nachbarländern kannte man den 'feschen Burschen'. Sein Äußeres verhalf Sailer schließlich zu seinem Spitznamen: Der schwarze Blitz aus Kitz.

Dabei blieb der neue Stern am Sporthimmel stets bescheiden und ließ mit seiner Begeisterung für den Wettkampf nicht locker. Verbunden mit der steigenden Popularität des jungen Sportlers sahen einige Filmproduzenten ein riesiges Potenzial in dem Schönling aus den Alpen. Von diesen Angeboten wollte Sailer aber zunächst nichts wissen.

Viel mehr konzentrierte er sich auf die Weltmeisterschafen 1958 in Bad Gastein, um jegliche Vorwürfe zu entkräften, die von einem Glückstreffer bei Olympia ausgingen. Der Druck in der Heimat war enorm. Umso näher die Wettkämpfe rückten, desto häufiger wurde Sailer mit der These konfrontiert, dass er nur wegen einer schwächelnden Konkurrenz dreimal Gold errungen hatte.

Erfolg als Erlösung?

Der 22-Jährige suchte sein Heil nun verzweifelt im Erfolg. Allerdings erwirkte das erhöhte Trainingspensum im Vorfeld, dass der Österreicher plötzlich mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. "Ich hatte Probleme wie ein Tausendfüßler, der plötzlich darüber nachdenkt, wie er einen Fuß vor den anderen setzen soll", erklärte Sailer später.

Das Jugendidol war völlig aus dem Tritt geraten und verordnete sich kurz vor Beginn der Weltmeisterschaften einen Trainingsstopp. Dadurch geriet der Ausnahmeathlet gänzlich aus dem Rhythmus. Die fehlende Routine resultierte bei der Slalomentscheidung in einer Silbermedaille mit sieben Hundertstel Rückstand auf Landsmann Josef Rieder.

Der scheinbare Misserfolg stieß in Österreich auf wenig Verständnis. "Diese Medaille hat mit gezeigt, dass ein Toni Sailer nicht Zweiter werden darf. Für mich war das ein Riesenerfolg, aber gleichzeitig eine sehr große Niederlage", sagte er Jahre später.

Mit dem Rücken zur Wand

Mit dem Rücken zur Wand stürzte sich der Skistar einige Tage später in die Entscheidung im Riesenslalom. Nach insgesamt 137 Toren und zweimal 202 Höhenmetern war Sailer zurück in seinem persönlichen Sportlermärchen - mit vier Sekunden Vorsprung auf den Zweitplatzierten Rieder.

Schließlich gelang dem Branchenprimus auch ein Erfolg in der Abfahrt und damit auch in der Kombination. Toni Sailer hatte seine Kritiker endgültig zum Schweigen gebracht und sich selbst ein Denkmal gesetzt. Nur wenige Monate später erklärte er mit nur 22 Jahren seinen Rücktritt, den dritten und letzten Titel als Österreichs Sportler des Jahres in der Hand.

So kurz diese Ära auch gewesen sein mag, so nachhaltig war seine Karriere für den Skisport. Bis heute gilt Sailer als einer der besten Skirennfahrer aller Zeiten, viele sehen in ihm sogar den besten. Mit seinen Erfolgen manifestierte er in Österreich die überschwängliche Begeisterung für den Skisport.

Sailer selbst suchte in der Folge eine neue Herausforderung, um seine Neugierde zu stillen, die ihn stets begleitete: "Also wer Angst vorm Fliegen hat, der soll am besten gar nicht einsteigen", erklärte Sailer noch im hohen Alter.

Ein Leben danach

Nach seinem Rücktritt zog es den 'Frührentner' nach München. Er versuchte sich nun tatsächlich als Schauspieler, spielte 22 Hauptrollen in Kinofilmen, hatte Auftritte in Fernsehspielen und TV-Filmen. Selbst an klassischen Theaterstücken wirkte er mit. 18 Schallplattenaufnahmen steigerten seine Popularität zusätzlich.

Nur 15 Jahre später wandte sich Sailer wieder vom Showbusiness ab. Er produzierte in der Folge Ski, wurde in den 1970er Jahren Technischer Direktor des ÖSV. Irgendwann riefen wieder die heimatlichen Berge und Sailer zeigte sich über 20 Jahre als Leiter des Hahnenkamm-Rennen verantwortlich. Jene Strecke also, die ihn bereits als Kind herausgefordert hatte und mit der er nun im Einklang seinem Lebensabend entgegenblickte.

Dabei verlor Österreichs Jahrhundertsportler nie den Respekt vor der legendären Abfahrt, die ihn groß gemacht hatte. So erklärte er kurz vor seinem Ableben im Jahr 2009, inzwischen an Krebs erkrankt: "Ich fürchte mich nicht vor dem Tod. Wenn der Tod kommt, dann kommt er. Angst habe ich auf der Streif, aber nicht vor dem Tod."

Seite 1: Sailers Anfänge, die Liebe zum Risiko und Olympia-Geschichte

Seite 2: Ein Gentleman auf Skiern, Erfolg als Erlösung und ein Leben danach

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