"Eine Art des britischen Humors"

Von Liane Killmann
Holte nach einigem Chaos dann doch die Silbermedaille: Siebenkämpferin Lilli Schwarzkopf
© spox

Am Super Saturday mit 25 Entscheidungen durfte Deutschland eine überraschende Medaille feiern. Im Siebenkampf. Um ein Haar wäre sie uns aber direkt wieder abhanden gekommen. Lilli Schwarzkopf blieb jedoch erstaunlich abgeklärt, als dubiose Kampfrichter ihr nach dem 800-m-Lauf die hart erkämpfte, nicht für möglich geglaubte Silbermedaille streitig machten. Das Hin und Her stellte sich als Verwechslung heraus. Weil im hoch technisierten Olympischen Betrieb Londons mit Schwarz-Weiß-Fotos argumentiert wird. Sauber!

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Die Diskussion über das Ergebnis im Siebenkampf schien ewig zu dauern. Inzwischen hatten die kreischenden Briten im Olympiastadion nach Gold für Jessica Ennis auch noch die Olympiasiege über 10.000 m (Mo Farah) und im Weitspring (Greg Rutherford) gefeiert. Doch Lilli Schwarzkopf wusste immer noch nicht, ob sie denn nun in der Wertung sein würde.

Schließlich stellte sich ihre Disqualifikation als Verwechslung heraus. Ein schlechter Witz. Die neben ihr laufende Russin Savitskaya war in der Kurve auf die Bahnbegrenzung getreten. Auf Bahn 6. In einem blauen Trikot. Lilli Schwarzkopf lief völlig regelgerecht und wie vorgesehen auf Bahn 5. In rot-schwarzem Outfit. Die Beamten im Olympiastadion hatten sich auf ein Schwarz-Weiß-Foto verlassen, um nach einem Minivergehen, das keine andere Athletin behinderte, die Falsche zu disqualifizieren. Na herzlichen Glückwunsch!

Der Tag zum Nachlesen im Ticker

Erstaunlich war nur, wie ruhig Schwarzkopf blieb. Ein Geduldstest als 8. Disziplin. Die Athletin, die sich nach einem tollen ersten Tag nicht über ihre Leistungen freuen konnte. Sich stattdessen temperamentvoll darüber beschwerte, dass ihr Trainer (und Vater) keine Akkreditierung erhalten hatte. Diesmal attestierte sie den Entscheidern nur trocken: "Das ist wohl eine Art des britischen Humors." Wie gut, dass sie am Ende bei der Siegerehrung lachen durfte.

Am Sonntag (9 Uhr im LIVE-TICKER) können Sabine Lisicki und Christopher Kas Bronze im Mixed gewinnen. Im Tennis-Finale der Herren kämpfen wie schon vor drei Wochen in Wimbledon Roger Federer und Andy Murray um den Sieg. Marcel Nguyen kann im Boden-Finale einen draufsetzen, Oksana Tschussovitina kämpft am Sprung um eine Medaille. Der Abend steht ganz im Banne des 100-m-Finales der Männer. Im Fokus: das Duell Yohan Blake vs. Usain Bolt.

Die Entscheidungen des Tages (Vorschau auf Tag 9):

WettbewerbEntscheidung
Badminton, FrauenLi gewinnt chinesisches Finale
Badminton, Frauen, Doppel
Doppel-Gold nach China
Fechten, Frauen, Degen-MannschaftChina siegt - Deutschland 5.
Gewichtheben, Männer 94 kg Ilja Iljin holt mit Weltrekord Gold
Leichtathletik, Männer, 20 km GehenDing jüngster Olympiasieger ever
Leichtathletik, Frauen, DiskuswerfenPerkovic mit überragendem Sieg
Leichtathletik, Männer, WeitsprungRutherford lässt Briten jubeln
Leichtathletik, Frauen, SiebenkampfSchwarzkopf: Silber nach Chaos
Leichtathletik, Männer, 10.000 mBrite Farah ist Olympiasieger
Leichtathletik, Frauen, 100 mFraser-Pryce ist die Schnellste
Bahnrad, Frauen, TeamverfolgungWeltrekord und Gold für GB
Rudern, Männer, ViererBriten vorn - Deutsche schwach
Rudern, F, Leichtgewichts-Doppel2erBriten holten viertes Ruder-Gold
Rudern, M, Leichtgewichts-Doppel2erDänemark überrascht im Spurt
Rudern, Frauen, EinerTschechin überlegen vorn
Schießen, Frauen, DreistellungskampfGray schießt Olympischen Rekord
Schießen, Frauen, TrapRossi siegt mit Weltrekord
Schwimmen, Frauen, 50 m FreistilKromowidjojo zum Zweiten
Schwimmen, Männer, 1500 m FreistilYang überragt mit Weltrekord
Schwimmen, Frauen, 4x100 m LagenUS-Girl mit nächstem Weltrekord
Schwimmen, Männer, 4x100m LagenPhelps: 18. Gold zum Abschied
Tennis, Männer, DoppelBryan-Zwillinge gewinnen Gold
Tennis, Frauen
Serena zerstört Maria
Triathlon, Frauen
Fotofinish! Schweiz im Gold-Glück
Turnen, Frauen, TrampolinKanadierin überrascht China

Was sonst noch wichtig war:

Basketball: Frankreich (73:69 gegen Tunesien) und Argentinien (93:79 gegen Nigeria) stehen vorzeitig im Viertelfinale. Finalkandidat Russland schlug im Spitzenspiel die Spanier mit 77:74. Damit ist Kirilenko und Co. der Gruppensieg nicht mehr zu nehmen. Team USA musste sich gegen Litauen überraschend strecken. Mit 99:94 zogen die Seriensieger schließlich den Kopf aus der Schlinge. LeBron James und Carmelo Anthony erzielten je 20 Zähler, Topscorer aber war der Litauer Linas Kleiza (25).

Beachvolleyball: Während für Jonathan Erdmann und Kay Matysik im Achtelfinale Schluss war, spazierten Julius Brink/Jonas Reckermann ins Viertelfinale. 21:12, 21:17, so der lockere Sieg gegen Aleksandrs Samoilovs/Ruslans Sorokins aus Lettland. Nun warten die Brasilianer Santos/Cunha.

Boxen: Enrico Kölling ist im Achtelfinale gescheitert. Der Halbschwergewichtler zog gegen den Algerier Abdelhafid Benchabla in einem engen Fight mit 9:12-Punkten den Kürzeren. Damit ist nur noch Mittelgewichtler Stefan Härtel im Turnier.

Fußball: Die Halbfinals stehen fest, dabei taten sich die Favoriten im ersten K.o.-Spiel teils unerwartet schwer. Lediglich Japan (3:0 gegen Ägypten) brachte ein stattliches Ergebnis zustande. Die Asiaten treffen nun auf Mexiko, das den Senegal mit 4:2 nach Verlängerung aus dem Turnier kickte. Brasilien kam nach zweimaligem Rückstand gegen Honduras (in Unterzahl!) doch noch zu einem 3:2 nach regulärer Spielzeit. Gegner im Halbfinale ist aber nicht der Gastgeber. Großbritannien, bei denen Giggs zunächst draußen saß, scheiterten - kein Scherz! - im Elfmeterschießen mit 4:5 an Südkorea. Ein Torwartfehler - nein, auch kein Witz! - hatte England überhaupt erst in dieses Elfmeterschießen befördert.

Handball: Island ist weiter on fire. Nach dem Sieg über die Schweden schlugen die Isländer völlig überraschend Weltmeister Frankreich (30:29) und sind Gruppensieger. Neben diesen beiden Teams steht auch Schweden (29:13! gegen Argentinien) vorzeitig im Viertelfinale. Dänemark, Europameister und Mitfavorit, hat sich dagegen eine unerwartete 21:32-Pleite gegen Kroatien eingehandelt. Der Gruppensieg ist futsch. Ungarn und Serbien kämpfen am Montag im direkten Duell ums Weiterkommen.

Hockey: Der Traum von der Medaille für die deutschen Mädels ist am Abend nahezu geplatzt. 1:3 gegen Angstgegner Argentinien. Das Halbfinale ist damit nur noch möglich, wenn am Montagmorgen Neuseeland mit vier Toren Vorsprung besiegt wird und gleichzeitig Argentinien Australien besiegt oder aber die Aussies einen hohen Sieg einfahren. Spielen diese Teams Remis, ist für die Deutschen alles vorbei.

Leichtathletik: Alle drei deutschen Stabhochspringerinnen stehen im Finale: Martina Strutz, Silke Spiegelburg und Lisa Ryzih überstanden die Quali im Gegensatz zu Brasiliens Weltmeisterin Fabiana Murer und Russlands Ex-Weltmeisterin Swetlana Feofanowa. Überraschend ebenfalls zu Zweit im Endlauf: Gesa-Felicitas Krause und Antje Möldner-Schmidt über 3000 m Hindernis. Ganz stark!

Reiten/Springen: Christian Ahlmann erlebte einen Auftakt zum vergessen. Zwei Abwürfe und eine Verweigerung, 15 Strafpunkte und Rang 69. Damit verpasste der Mitfavorit auf Codex One die nächste Qualifikationsrunde im Einzel und ist schon draußen. Dennoch darf er am Sonntag in der Mannschaftswertung wieder springen. Meredith Michaels-Beerbaum, Janne-Friederike Meyer und Marcus Ehning waren fehlerlos durch den Parcours gekommen - ein gutes Omen für das Team.

Radsport/Bahn: Judith Arndt hat in ihrem letzten Olympischen Rennen, der 3000-m-Mannschaftsverfolgung auf der Bahn, noch einmal einen deutschen Rekord aufgestellt. Mit Charlotte Becker und Lisa Brennauer fuhr sie das Rennen in 3:20,824 Minuten. Leider reichte das nur zu Rang 8.

Schwimmen: Britta Steffen hat sich mit dem 4. Platz über 50 m Freistil von den Spielen in London verabschiedet. Sieben Hundertstel fehlten der Titelverteidigerin am Ende zu Bronze. Die DSV-Lagenstaffel mit Helge Meeuw, Christian vom Lehn, Steffen und Markus Deibler schwamm im letzten Rennen von Michael Phelps zum Abschluss der Schwimmwettbewerbe auf den 6. Platz. Was bleibt, ist das schlechteste Schwimmergebnis seit 80 Jahren: Null Medaillen für den Deutschen Schwimmverband. Hoffentlich bleibt es dort nicht beim Brodeln, eine Revolution muss her!

Segeln: Toni Wilhelm ist im RS:X-Board weiter auf Medaillenkurs. Der Friedrichshafener sicherte seinen 3. Rang und liegt nun nach Punkten gleichauf mit dem zweitplatziertem Briten Nick Dempsey. Moana Delle ist dagegen nur noch 6. In der 470er Klasse rangieren Ferdinand Gerz und Patrick Follmann aus Tutzing nach der 6. Wettfahrt abgeschlagen auf Rang 15. Die Tagesplätze 9 und 10 brachten nur wenig Verbesserung. Bei den Lasern rutschte der Lübecker Simon Grotelüschen durch die Ränge 13 und 10 nach der 10. Wettfahrt vom 6. auf den 7. Platz ab.

Tennis: Sabine Lisicki und Christopher Kas bissen sich nach schwachem Beginn so richtig hinein in ihre Halbfinal-Partie gegen die Briten Laura Robson und Andy Murray. 1:6, 7:6 hieß es schließlich, als der Champions Tiebreak entscheiden musste. Der ging nach einigen taktischen Nachlässigkeiten schließlich doch an die Briten. 10:7. Da wäre mehr drin gewesen. Im Spiel um Bronze treffen die Deutschen auf die US-Paarung Mike Bryan und Lisa Raymond. Murray bestreitet sein zweites Finale mit Robson gegen Azarenka/Mirnyi aus Weißrussland. Im Doppel-Finale greift Serena Williams an der Seite von Schwester Venus (7:5, 6:4 gegen Kirilenko/Petrova) nach ihrem zweiten Gold in London. Es wäre ihr dritter Olympiasieg im Doppel. Finalgegner sind wie schon in Wimbledon vor drei Wochen die Tschechinnen Hlavackova/Hradecka.

Tischtennis: Aus für die deutschen Damen im Viertelfinale. Gegen Japan war nach dem 0:3 klar Endstation. Insgesamt landeten Jiaduo Wu, Irene Ivancan und Kristin Silbereisen auf Platz fünf.

Volleyball: Es sah alles bestens aus für die deutsche Mannschaft, nachdem sie Afrikameister Tunesien klar mit 3:0 (25:15, 25:16, 25:16) bezwungen hatten. Eine Pflichtaufgabe, die Grozer und Co. auf Gruppenrang 4 und damit dem Einzug ins Viertelfinale näher brachte. Doch dann erkämpfte sich Serbien am Abend ein 2:3 gegen Brasilien. Mit diesem Punkt ist der Europameister wieder gleichauf mit dem DVV-Team. Mit einer knappen Niederlage gegen Russland könnte Serbien Deutschland den 4. Rang wieder abknöpfen. Schlägt Serbien Russland gar, muss Deutschland gegen die Nummer eins der Welt, Brasilien, gewinnen, um weiter zu kommen.

Mann des Tages: Valeriy Borchin

Olympiasieger von Peking und Weltmeister 2011 im 20 km Gehen. Bis Kilometer 16 war auch in London alles bestens für den Russen. Doch als Russlands Sportler des Jahres 2011 bei Kilometer 18 das Ziel schon sehen konnte, gingen ihm die Kräfte aus. Der 25-Jährige kollabierte und brach an der Bande zusammen. Er wurde sofort medizinisch versorgt. Wir wünschen gute Besserung.

Gold ging übrigens an Ding Chen. Mit 19 Jahren und 364 Tagen wurde jüngster Geh-Olympiasieger ever. Ging in 1:18:46 Olympischen Rekord. Und kann nun bestens dekoriert in seinen 20. Geburtstag hineinfeiern. Happy Birthday!

Frau des Tages: Sonja Pfeilschifter

Olympia, das bedeutet für die Schützin aus Ismaning grundsätzlich: Tränen. Tränen in Sydney, Tränen in Athen, Tränen in Peking, und natürlich - man ahnte es schon - Tränen in London! Vor den Spielen, wie immer eine der besten Schützinnen. Bei Olympia 2012. 19. Und wieder waren es die Nerven. Sie begann stark, ehe ihr die Zeit davonlief.

Dabei hatte der Verband seine Athletin diesmal vor der Belastung geschützt, mit dem Luftgewehr für die erste deutsche Medaille zum traditionellen Olympia-Auftakt sorgen zu müssen. Es half nichts. Und Pfeilschifter attackierte den Verband auch noch dafür, dass sie nicht hatte antreten dürfen. Man wolle sie zum Rücktritt zwingen... Die WM, so erklärte Pfeilschifter trotzig, werde sie aber noch mitnehmen. Das war, nachdem die olympischen Tränen getrocknet waren...

Sprüche des Tages:

"Das war der Siebenkampf meines Lebens. Das ist geil." (Silbermedaillen-Gewinnerin im Siebenkampf, Lilli Schwarzkopf)

"Ich habe beim ersten Schiri nachgefragt, dann beim nächsten, dann beim dritten und dann vierten. Man sagte mir, ich hätte die Linie betreten." (Lilli Schwarzkopf über den Moment, als sie von ihrer Disqualifikation erfuhr)

"Sie scherzen wohl! Da bin ich gar nicht gelaufen. Ich muss die Videoaufnahme sehen. Und ich habe gesehen, da ist der Fuß, aber es ist nicht meiner. Und es ist nicht meine Bahn." (Lilli Schwarzkopf über den Disput mit dem Kampfgericht)

"Ich dachte nur, mein Tag kann nicht so enden. Das war mein Wettkampf. Nein, bitte nicht. Die können mich doch nicht einfach so stehen lassen. Dann dachte ich, das wäre eine Art des britischen Humors." (Lilli Schwarzkopf zum Vierten)

Zahlen des Tages:

0 Vorhandwinner schlug Maria Sharapova bei ihrer Finalniederlage gegen Serena Williams.

0,00 Sekunden. Nichts. Nada. Null. So klein war der Rückstand Lisa Nordens auf die Schweizerin Nicola Spirig nach dem Olympischen Triathlon. Trotzdem blieb der Schwedin nur Silber. Blöder Foto-Entscheid!

1 Medaille haben jetzt auch Guatemala und Moldawien eingeheimst. Und liegen damit vor bzw. gleichauf mit einem einstigen Schwergewicht wie Griechenland.

5 Goldmedaillen und sonst nichts. Die Ausbeute Kasachstans nach acht Tagen Olympia.

18 Olympiasiege hat Michael Phelps seit heute auf dem Konto. Der US-Amerikaner erklärt mit nur 27 Jahren seinen Rücktritt. Wir wünschen ein schönes Leben außerhalb der Schwimmhalle!

25 Goldmedaillen wurden am Super Saturday verteilt.

45 Pünktchen fehlten der überlegenen Olympiasiegerin Jessica Ennis nach sieben Disziplinen zur magischen 7000er Marke.

63 Minuten benötigte Serena Williams lediglich, um sich ihren ersten Einzel-Olympiasieg zu sichern. Mit 6:0 und 6:1. Auf der anderen Seite: Eine bemitleidenswerte Maria Sharapova.

418 Kilogramm brachte Gewichtheber Ilia Iliin per Reißen und Stoßen in die Waagerechte - neuer Weltrekord in der Klasse bis 94 kg.

Name des Tages: Alibaba

Zum feierlichen Abschluss der Schwimmwettbewerbe ehren wir noch einmal unseren Lieblingsathleten aus dem 1. Vorlauf über 100 m Schmetterling: Khalid Alibaba. Kommt aus dem Bahrain und wurde in seinem Lauf mit 1:04.05 Sekunden Dritter. Von drei Startern. Zum Vergleich: Michael Phelps gewann seine Goldmedaille auf dieser Strecke in 51.21 Sekunden.

Olympia 2012: Alle Wettkämpfe im Zeitplan

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