Ist Kobe Bryant zu egozentrisch für die Los Angeles Lakers? Warum sind die San Antonio Spurs so schlecht? Und was lernt die NBA aus Allen Iversons Absturz? Zusammen mit Handball-Star und NBA-Fan Pascal Hens diskutieren die SPOX-Redakteure Philipp Dornhegge, Haruka Gruber und Florian Regelmann.
GettyThese: Dallas ist wirklich so gut, wie es die 13-Sieges-Serie aussagt.
Pascal Hens: Kein Team gewinnt einfach so 13 Spiele am Stück - egal gegen welche Gegner. Dallas macht einen sehr harmonischen Eindruck und die Einzelteile passen gut zusammen. Zumal eine solche Erfolgsserie unglaublich viel Selbstvertrauen freisetzt, das kenne ich vom Handball. Caron Butler ist eine Verstärkung und mit Brendan Haywood haben die Mavs endlich einen gescheiten Center, wodurch die Mannschaft insgesamt stabiler und weniger ausrechenbar wirkt. Es ist nicht mehr alles auf Dirk Nowitzki zugeschnitten. Aber ob es für den Titel reicht, wage ich zu bezweifeln. Da schätze ich die Lakers, Nuggets und Cavaliers stärker ein.
Haruka Gruber: 13 Spiele hintereinander zu gewinnen, kann kein Zufall sein. Genauso wenig, wie die letzten zehn Partien allesamt für sich zu entscheiden, die mit nur einem Punkt Unterschied ausgingen. Einige sagen, dass das nur Zufall wäre, aber das greift zu kurz. Glück ist dabei, aber solche Serien sind vor allem ein Zeichen von Stärke. Die Mannschaft ist tougher und nicht mehr so von Nowitzki abhängig. Das einzige Fragezeichen: Durch die Trades hat Dallas an Tiefe verloren. Wie fit ist Erick Dampier? Wie schnell kommt Jason Terry in Form? Und pausiert Tim Thomas wirklich die ganze Saison, um für seine kranke Ehefrau da zu sein? Dass mittlerweile Eduardo Najera zu den wichtigsten Bankspielern gehört, sagt alles aus.
Philipp Dornhegge: Ich bin von Dallas so überzeugt wie noch nie. Die Mannschaft strahlt die Selbstsicherheit aus, dass sie jeden Gegner schlagen kann. Und anders als Haruka sehe ich wegen der Kaderbreite keine Probleme. Sogar im Gegenteil: Ich finde, dass das Team so tief besetzt ist wie noch nie. Beispielsweise verfügen die Mavs mit Rodrigue Beaubois und DeShawn Stevenson mittlerweile über zwei komplett unterschiedliche Typen für die Shooting-Guard-Position. Dallas ist so aufgestellt, dass es für jeden Gegner und für jede Spielsituation gewappnet ist.
Florian Regelmann: Da muss ich einhaken: Natürlich wurden die Mavs durch den Trade wesentlich stärker und tougher - aber das war ja auch bei dem soften Team keine Kunst. Ich kann mir nicht vorstellen, das sich Dallas in den Playoffs in einem siebten Spiel gegen die Lakers, Nuggets, Jazz oder den Thunder durchsetzen kann. Die Verteidigung ist trotz Haywood nicht nicht gut genug und in der Offense verlässt man sich zu sehr auf Jumpshots. Spätestens in der zweiten Playoff-Runde ist Schluss.
These 2: Jordan macht aus Charlotte einen Titelkandidaten.
These 3: Die Lakers stecken in Problemen.
These 4: San Antonio verpasst ohne Tony Parker die Playoffs.
These 5: Der Fall Allen Iverson zeigt: Die NBA hat als soziale Insitution versagt.
GettyThese: Michael Jordan macht aus Charlotte einen Titelkandidaten.
Florian Regelmann: Wenn er es mit seiner neuen Rolle ernst meint, kann ich es mir vorstellen. Als General Manager war Jordan in Washington bodenlos schlecht und lag mit fast allen Entscheidungen daneben: Kwame Brown als Nummer eins zu draften, Rip Hamilton für Jerry Stackhouse wegzuschicken. Aber die Rolle als neuer Hauptbesitzer der Bobcats könnte genau die passende sein. Die Tagesarbeit verrichten Coach Larry Brown und General Manager Rod Higgins, zudem ist die Mannschaft bereits gut aufgestellt. Die Defense ist spitze und der Stephen-Jackson-Trade war einer der intelligentesten Deals der letzten Jahre. Dazu kommt jetzt Jordan, der mit seiner Strahlkraft dem Team einen neuen Impuls gibt und einige Tickets mehr verkauft. Die Bobcats können schon nächstes Jahr oben angreifen.
Pascal Hens: Ich glaube ebenfalls daran, dass Jordan mit seinem Namen die Halle voll kriegt und den einen oder anderen Star nach Charlotte lockt. Und die Spieler, die bereits bei den Bobcats sind, werden durch Überfigur Jordan wohl angespornt, eine Schippe draufzulegen. Aber ob das für Titelambitionen reicht? Ich bin skeptisch. Jackson und Gerald Wallace bilden ein Topduo und die Defense ist außerordentlich, auf Dauer ist die Mannschaft jedoch zu inkonstant.
Philipp Dornhegge: Ich weiß noch, wie Jordan vor einiger Zeit Jason Richardson hergenommen hat und an ihm im Eins-gegen-eins demonstriert hat, wie Basketball auszusehen hat. So etwas hilft jedem, dennoch weiß ich nicht, warum Jordan eine entscheidende Rolle spielen soll. Kommen tatsächlich mehr Fans, nur weil der Teambesitzer Michael Jordan heißt? Kommen tatsächlich Stars zu den Bobcats, obwohl Charlotte zu den schäbigsten Standorten der NBA gehört? Daran wird auch Jordan nichts ändern können.
Haruka Gruber: Wenn einer aus den Bobcats einen Titelkandidaten macht, dann ist es Larry Brown und nicht Michael Jordan. Es war eine seiner wenigen guten Entscheidungen, Brown zu verpflichten. Brown bringt Erfahrung mit, hat die richtige Ansprache und steht für eine eigene Spielphilosophie. Und nicht zufällig fädelte der Verein auch erfolgreiche Trades ein, seit Brown da ist. Er hat trotz des Desasters in New York weiter das Feuer, das Jordan abgeht. Es ist ein offenens Geheimnis, dass Jordan faul ist und nie wie ein Bürotier arbeiten wird. Mark Cuban setzt sich mit ganzem Herzen für Dallas ein und ist deswegen der Motor für die tolle Entwicklung der Mavs. Deswegen gehen auch Spieler gerne nach Dallas. Jordan fehlt dieser Enthusiasmus.
These 1: Dallas ist wirklich so gut, wie es die 13-Sieges-Serie aussagt.
These 3: Die Lakers stecken in Problemen.
These 4: San Antonio verpasst ohne Tony Parker die Playoffs.
These 5: Der Fall Allen Iverson zeigt: Die NBA hat als soziale Insitution versagt.
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These: Die Lakers stecken in Problemen.
Philipp Dornhegge: Auf jeden Fall. Die Lakers sind offensichtlich immer noch kein Team, weil es zwischen Kobe Bryant und der Mannschaft trotz des letztjährigen Titels nicht stimmt. Das sieht man alleine dadurch, wie oft Bryant während eines Spiels seine Mitspieler anraunzt. Wenn er verletzt fehlt, wirkt das Team viel homogener und geschlossener. Dass L.A. letztes Jahr in den Finals so gut aussah, lag nur an der grottigen Leistung von Orlando. Wenn dieses Jahr ein Gegner so knüppelharte Defense spielt wie Boston 2008, dann heißt es wieder: Lakers, we've got a problem.
Haruka Gruber: Ob die Chemie im Team stimmt oder nicht, weiß ich nicht. Aber was ich weiß: Die Lakers sind schlicht zu dünn besetzt. Auch wenn Kollege Dornhegge einwirft, dass die Tiefe in den Playoffs egal ist: Mit Bryant, Pau Gasol, Ron Artest, Lamar Odom und Andrew Bynum stehen nur fünf gute Spieler zur Verfügung, das ist zu wenig. Dahinter klafft ein Riesenloch. Dass Derek Fisher weiter der Starting-Point-Guard ist, klingt wie ein Witz. Hinzu kommen die Blessuren von Bryant, Gasol und Artest. Wie wird es erst, wenn in den Playoffs alle zwei, drei Tage ein umkämpftes Spiel ansteht?
Pascal Hens: Wir dürfen nicht vergessen, dass auch Bynum immer wieder verletzt ist. Ich habe wie Philipp und Haruka das Gefühl, dass dieses Jahr die Lakers einige Probleme bekommen werden. Bryant ist natürlich überragend und trifft, wenn es sein muss, fast jeden Buzzer-Beater - dennoch wirkt die Mannschaft zu instabil. Mit einem Fisher oder Jordan Farmar kann man keinen Krieg gewinnen.
Florian Regelmann: Auch wenn ich gegen den Strom schwimme: Ich sehe bei den Lakers überhaupt keine Probleme. Für die Lakers sind Regular-Season-Spiele keine richtigen Spiele. Das ist wie wenn Roger Federer in der zweiten Runde von Estoril ausscheidet. Das interessiert nicht. Die Lakers warten auf die Playoffs, drücken auf den Knopf und dann läuft's. Sie sind eben eine Winner-Mannschaft. Da ist es auch egal, ob Kobe angeschlagen ist, Gasol im Formtief steckt oder was auch immer. Coach Phil Jackson kriegt es wie kein Zweiter hin, die Spieler auf den Punkt fit zu kriegen.
These 1: Dallas ist wirklich so gut, wie es die 13-Sieges-Serie aussagt.
These 2: Jordan macht aus Charlotte einen Titelkandidaten.
These 4: San Antonio verpasst ohne Tony Parker die Playoffs.
These 5: Der Fall Allen Iverson zeigt: Die NBA hat als soziale Insitution versagt.
GettyThese: San Antonio verpasst ohne Tony Parker die Playoffs.
Haruka Gruber: Dank der schwachen Konkurrenz reicht es wohl für die Playoffs. Ob nun Portland, Houston, Memphis oder New Orleans: Sie alle hatten gute Phasen, aber auf Dauer ist San Antonio abgezockt genug, um die Postseason zu erreichen. In den Playoffs jedoch werden die Spurs nichts reißen. Die Mannschaft ist noch schlechter als letztes Jahr, und damals blamierte sie sich schon gegen Dallas in der ersten Runde. Richard Jefferson ist unglaublich schlecht. Und das Konzept, auf Zombies wie Theo Ratliff und Michael Finley zu setzen, ist grandios gescheitert.
Philipp Dornhegge: Ich bin längst noch nicht bereit, die Spurs aufzugeben. San Antonio ist die Regular Season völlig egal und macht nur so viel, um die Playoffs zu erreichen. Ob als Erster oder Achter, interessiert nicht. Wenn die Spurs so spielen, wie sie können, gibt es kein Team, das sie nicht schlagen können. Tim Duncan bekommt dank DeJuan Blair genug Verschnaufpausen, Parker kehrt rechtzeitig zurück und mit George Hill verfügt San Antonio über einen neuen X-Faktor.
Florian Regelmann: Ganz so locker wird San Antonio nicht in die Playoffs einziehen, weil Memphis Boden gut machen wird und die Spurs am Ende einen schweren Spielplan haben. Sie werden es schaffen, danach geht aber nichts mehr. Wer schon auf Keith Bogans als Möchtegern-Reinkarnation von Bruce Bowen vertraut und mit Jefferson der wichtigste Neuzugang seit Monaten versagt, bekommt dafür die Quittung. Daher muss im Sommer der Neubeginn her. Wenn an den Gerüchten was dran ist, dass Tony Parker für Chris Paul getauscht werden kann, sollte San Antonio sofort zugreifen.
Pascal Hens: Vor allem Jefferson verwundert mich. Kein Mensch kann erklären, wie so ein Spieler so katastrophale Statistiken haben kann. Zurzeit springt Manu Ginobili für Parker in die Bresche, aber das ist zu wenig. Auch wenn Parker rechtzeitig fit wird für die Playoffs, sehe ich schwarz für San Antonio.
These 1: Dallas ist wirklich so gut, wie es die 13-Sieges-Serie aussagt.
These 2: Jordan macht aus Charlotte einen Titelkandidaten.
These 3: Die Lakers stecken in Problemen.
These 5: Der Fall Allen Iverson zeigt: Die NBA hat als soziale Insitution versagt.
GettyThese: Iversons Fall zeigt, dass die NBA als soziale Institution versagt.
Florian Regelmann: Was soll denn die NBA machen? Ein Allen Iverson wird dieses Jahr 35 Jahre alt - und ist damit ein Erwachsener, der sein Leben im Griff haben sollte. Oder anders formuliert: Die schwierige Situation mit der Alkohol- und Spielsucht hat er sich selbst eingebrockt. Oder nehmen wir das Beispiel Gilbert Arenas: Wie hätte die NBA denn verhindern können, dass ein Schwachkopf Waffen zum Arbeitsplatz mitbringt? Tut mir leid, aber es sind private Probleme, die auch privat gelöst werden sollen.
Haruka Gruber: So einfach sollte es sich die NBA nicht machen. Die Anzahl an wirklich schwerwiegenden Skandalen hat zumindest subjektiv stark zugenommen. Ich denke unter anderem deshalb, weil die Spieler und ihr Umfeld mit den Problemen alleine gelassen werden. Michael Beasley ist ein junger Basketballer, der ungemein talentiert, aber eben auch depressiv ist. Als im Sommer das Problem mit den Depressionen aufkam, hat die NBA keinen Finger gerührt. Aber wenn ein richtiger Skandal passiert, spielt sich Commissioner David Stern zum Scharfrichter des Basketballs auf und sperrt einfach mal jeden, ohne darüber nachzudenken, wie es soweit kommen konnte. Vielleicht ist es ja möglich, so etwas wie das Rookie-Programm auch für Spieler anzubieten, die die Karriere beendet haben.
Pascal Hens: Das wird aber schwer umsetzbar sein. Das Rookie-Programm finde ich gut, weil die Teilnahme verpflichtend ist und jedes Talent zum Beispiel den Umgang mit Popularität und Geld lernt. Wenn jemand jedoch aufhört, fehlt der NBA die Handhabe, um die Ex-Spieler zu einem Erziehungskurs zu zwingen. Und ob dann die Selbsteinsicht eines Multimillionärs reicht, um sich freiwillig für so ein Programm anzumelden, bezweifle ich. Viele der jetzt aufkommenden Probleme haben mit den sozialen Verhältnissen zu tun, in denen die meisten Basketballer aufgewachsen sind. Wer aus dem Ghetto stammt und in rasanter Zeit so unglaublich reich wird, muss den Boden unter den Füßen verlieren. Wie soll die NBA da entgegenwirken? Mir fällt nichts ein.
Philipp Dornhegge: Wir sollten nicht dem Hype folgen und so tun, als ob die NBA kurz vor dem Zusammenbruch steht. Die Skandale sind zweifelsfrei weitreichend, aber auch schon in der Vergangenheit gab es etliche solcher Zwischenfälle. Wer erinnert sich noch an Len Bias, dem eine große Zukunft vorausgesagt wurde, aber Mitte der 80er Jahre als 22-Jähriger an einer Überdosis starb? Oder dass Michael Jordan und Charles Barkley ein ernstes Problem mit Glücksspiel hatten oder haben? Dennoch hat sich die Welt weiter gedreht, so zynisch es klingen mag.
These 1: Dallas ist wirklich so gut, wie es die 13-Sieges-Serie aussagt.
These 2: Jordan macht aus Charlotte einen Titelkandidaten.
These 3: Die Lakers stecken in Problemen.
These 4: San Antonio verpasst ohne Tony Parker die Playoffs.