Steht der Coach of the Year schon fest, sind die New York Knicks nicht mehr zu retten? Wie gut ist eigentlich John Wall, und was muss man den L.A. Clippers und Houston Rockets zutrauen? Außerdem: Braucht die NBA den 4-Pointer? Die SPOX-Redakteure Philipp Dornhegge, Florian Regelmann und Haruka Gruber diskutieren diese Fragen in der aktuellen Triangle Offense mit "BASKET"-Redakteur Timo Böckenhüser.
These: Nur ein neuer Besitzer kann die Knicks retten.
Timo Böckenhüser: Wenn man sich dieser Tage Spiele der Knickerbockers anschaut, stellt sich einem recht schnell die Frage, ob überhaupt irgendwer oder irgendwas diese Truppe retten kann! Nein, Scherz beiseite. Natürlich ist die Lage des Meisters von 1970 und 1973 äußerst traurig und frustrierend, zumal die Salary-Cap-Situation und der Mangel an Draft Picks auch keinen Anlass zur Hoffnung gibt. Doch zu retten ist die Traditionsfranchise auf jeden Fall. Es wird nur ein paar Jahre dauern - und ein neuer Owner wäre extrem hilfreich. Denn was James Dolan seit einer gefühlten Ewigkeit Jahr für Jahr den treuen Fans im Big Apple antut, geht gar nicht. Das beste Beispiel ist der Sommer 2013: Mit Andrea Bargnani einen Flop-Forward mit Reboundallergie verpflichtet, Troublemaker J.R. Smith einen dicken Vertrag gegeben, kurz vor Saisonbeginn GM Glen Grunwald durch Steve Mills ersetzt - viel schlimmer geht's nicht in Anbetracht der Ambitionen der Knicks. Zur Erinnerung: Der Kollege Mills verpflichtete einst Isiah Thomas als Coach, in dessen siebjähriger Amtszeit die Knicks sechs Mal die Playoffs verpassten! Kurzum: Ja, die Knicks brauchen einen neuen Owner oder zumindest ein massives Umdenken von James Dolan, um endlich wieder auf die Erfolgsspur zu finden.
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Florian Regelmann: Nennt mir bitte im ganzen US-Sport einen inkompetenteren Besitzer als James Dolan. Okay, es gibt noch Dan Snyder bei den Redskins, das ist ein ähnlicher Fall. Was Dolan in seiner Ära seit 1999 veranstaltet hat, spottet einfach jeder Beschreibung. Die Knicks haben in den letzten 13 Jahren jetzt fast 600 Spiele verloren, zwischen 2001 und 2010 haben sie über eine Milliarde für Spieler ausgegeben und hatten in der Zeit die mieseste Bilanz in der NBA, das muss man sich mal vorstellen. Was Dolan für Verträge zu verantworten hat, das ging mit dem seltsamen 100-Millionen-Deal für Allan Houston los, 60 Millionen für Eddy Curry oder Coach Larry Brown, der am Ende ein Jahr da war und dafür fast 30 Millionen einkassiert hat. Oder die vergeigten Draft Picks a la Michael Sweetney und Frederic Weis. Und wenn mal gute Spieler gezogen wurden, wurden sie alle wieder weggejagt, man denke an David Lee oder Channing Frye. Oder auch Jeremy Lin. Klar hat Lin einen zu hoch dotierten Vertrag von den Rockets bekommen, aber im Vergleich zu dem Schwachsinn, der sonst in NY gemacht wurde, wäre das aus Linsanity-Gründen noch vertretbar gewesen. Aber eben typisch Dolan. Eigentlich hat Dolan jetzt genau den Kader zusammen, der zu ihm als Besitzer passt. Zweithöchste Payroll, aber keinerlei Herz, Charakter und Identität. Nichts in dieser Mannschaft passt zusammen. Dolan war es angeblich ja auch, der den Kyle-Lowry-Trade geblockt hat. Warum auch immer. Smith oder jetzt Raymond Felton aka der schlechteste Starting-Point-Guard der NBA dürfen sich zu allem Überfluss auch alles erlauben, ohne dass jemand eingreift. Und Dolan hat vor der Saison tatsächlich von einer Championship geredet. Unfassbar. Es ist traurig, was bei den Knicks los ist. Die einzige Chance ist ein neuer Besitzer. Ein Owner, der weiß, wie man gewinnt. Dolan hat davon keinen Schimmer.
Haruka Gruber: Flo, Du hast bei den Verträgen einige vergessen: Amar'e Stoudemire natürlich, wobei die 100 Millionen für 5 Jahre fast noch verständlich sind im Vergleich zu den Rollenspielern: Jerome James mit 30 Millionen Dollar für 5 Jahre ist die Krönung, aber ähnlich grandios war es, Jared Jeffries 17 Millionen für drei Jahre und Malik Rose zum Karriereende hin 28 Millionen für 4 Jahre anzubieten. Jedes Team trifft Fehlentscheidungen, aber in New York ist der Wahnsinn Programm. Damals unter Isiah Thomas hatte man noch gedacht, dass es vielleicht doch an ihm liegt und Dolan sich einfach den falschen Ratgeber ausgesucht hat. Aber nach all den Trainer- und GM-Wechseln kann nur Dolan das Übel sein. Die "Newsweek" titelt passend: "Dolan ist der Einstein der Inkompetenz." Und am 18. März wollen Knicks-Fans gegen ihn öffentlich vor dem Madison Square Garden protestieren. Wie oft kommt so etwas im US-Sport vor? In der Politikwissenschaft gibt es den Begriff "politische Kultur": Eine Nation ist so zersetzt von der eigenen Tradition und Geschichte, dass es egal ist, welche Entscheidungen getroffen werden oder wer eine Wahl gewinnt - am Ende bleibt die Kultur. Und bei den Knicks ist es die Kultur des Verlierens. Die Kultur der Klüngelei und Intrigen. Eben die Kultur des James Dolan. Was viele vergessen: In der Vorsaison (!) zog NY als zweitbestes Ost-Team in die Playoffs ein mit einer Bilanz von 54-28. Ich dachte wirklich, dass Mike Woodson ein guter Coach ist. Aber innerhalb von wenigen Monaten scheint er all seine Qualitäten komplett verloren zu haben und sich runterziehen zu lassen. Ich fand es seltsam, wie Jeff van Gundy letztens die Krise der Knicks versucht hat zu erklären: Stoudemires Verletzungen waren tragisch, Tyson Chandlers Verletzung bedeutete einen Rückschlag, mit Felton, Iman Shumpert und Smith wären die drei wichtigsten Guards in der Formkrise und generell sollten die Spieler mehr Einsatz zeigen. Das sollen die Gründe sein? Vielleicht bringt sich van Gundy mit der schmeichelhaft-oberflächlichen Analyse bei Dolan nur in Stellung, sollte Woodson in Bälde gefeuert werden. Aber mit New York kann es nur aufwärts gehen, wenn endlich ein Verantwortlicher aus dem sportlichen Bereich Dolan die Stirn bietet.
Philipp Dornhegge: Was Timo mit Steve Mills angesprochen hat und was auch bei einem Nicht-Engagement von Jeff van Gundy zum Tragen kommen wird ist, dass Dolan nicht nur inkompetent ist, sondern sich darüber hinaus noch in alles einmischt und nur Leute um sich versammelt, die keine Widerworte geben! Damit ist die Misere der Knicks eigentlich auch schon ausreichend geklärt. Nur: Es wird nie, nie, nie dazu kommen, dass Dolan sein Team verkauft. Die New York Knickerbockers sind schließlich eine Goldgrube, egal wie mies sie sind. In dieser Stadt und mit dieser Historie und dem ganzen Drumherum kann man so viel Geld scheffeln, da wäre es absolut töricht zu verkaufen. Als Basketball-Fan würde man sich einen neuen Knicks-Besitzer wünschen, aber seien wir ehrlich: Es wäre die dümmste Entscheidung, die Dolan je getroffen hat oder treffen könnte. Und das heißt schon eine ganze Menge bei all den vorgefallenen Dingen, die Ihr hier so schön aufgezählt habt. Die Knicks sind mit diesem Mann auf absehbare Zeit gestraft. Man kann also nichts anderes tun, als aus der Situation das Bestmögliche herauszuholen. Und wir können nicht viel mehr tun, als uns zu überlegen, was sportlich sinnvoll wäre. Und da kommt natürlich nichts außer einem kompletten Neuanfang ab Sommer 2015 in Frage, wenn die riesigen Verträge von Stoudemire, Chandler und Bargnani auslaufen. Mit Felton und Smith ist man vermutlich noch ein weiteres Jahr gestraft, aber zumindest gibt's dann wieder finanziellen Spielraum. Carmelo Anthony könnte man dabei ruhig gehen lassen, er ist - trotz unbestrittener Klasse - keine 23 Mio. Dollar wert. Im Prinzip müsste außer Tim Hardaway Jr. und mit Abstrichen ein Schnäppchen wie Jeremy Tyler entbehrlich sein. Theoretisch. Aber selbstverständlich werden es die Knicks wieder in den Sand setzen.
These 1: Nur ein neuer Besitzer kann die Knicks retten
These 2: Die NBA braucht den 4-Pointer
These 3: Die Rockets und Clippers sind Finals-Kandidaten
These 4: Tom Thibodeau ist der Coach of the Year
These 5: John Wall ist ein MVP-Kandidat
These: Die NBA braucht den 4-Pointer.
Timo Böckenhüser: Ganz ehrlich: Egal, wer dieses Gerücht in Umlauf gebracht hat, diese Idee ist der größte Schwachsinn, den ich seit Jahren gehört habe! Wer einen 4-Pointer sehen will, soll zu einer Show der Harlem Globetrotters gehen. Ganz ehrlich: Man muss an Traditionen, sprich der Grundidee, mit der Dr. James Naismith 1891 unseren geliebten Sport erfunden hat, festhalten. Die Einführung der Dreierlinie war Revolution genug. Regeländerungen machen hier und da Sinn, doch einen 4-Pointer einzuführen, würde den Basketball nachhaltig verändern. Das Spiel würde sich grundlegend ändern, denn wie der US-Shooting-Guru Dave Hopla ganz richtig anmerkt, würde noch viel mehr von außen geballert werden. Der Ring hängt beim Basketball auf 3,05 Metern, ein Freiwurf zählt einen Punkt, Dunks, Midrange-Jumper, etc. zwei und ein Schuss von Downtown drei - that's it! Einen 4-Pointer braucht wirklich niemand. Lasst uns noch einmal kurz über diese Schnapsidee lachen und sie dann ganz schnell vergessen!
Florian Regelmann: Ich bin ja eh als großer Traditionalist bekannt, der die meisten Neuerungen kategorisch ablehnt. Das trifft in diesem Fall ganz besonders zu, und damit bin ich voll bei Timo: Wer kann sich so einen unerträglichen Quatsch nur ausdenken? Die NBA ist keine Zirkusveranstaltung! Die Einführung eines 4-Pointers würde das Spiel ruinieren. Die Dreierquoten gehen Jahr für Jahr runter, die Dreierspezialisten werden immer weniger, noch mehr Backsteine ist wirklich das Letzte, was wir sehen wollen. Wenn ich mir vorstelle, was für grauenhafte Würfe dann noch mehr genommen werden würden. Josh Smith würde sicher 4-Pointer nehmen, so viel steht fest. Und wie geht es dann weiter? Kommt dann irgendwann der 5-Pointer? Die Idee ist kompletter Wahnsinn. Sieht das irgendjemand anders?
Philipp Dornhegge: Wärst Du 1979 auch gegen den Dreier gewesen, hättest Du damals schon über Basketball nachgedacht? Das galt seinerzeit auch als Revolution, die den Puristen anfangs sauer aufstieß. Auch wenn, wie George Karl jetzt bei der Sloan Sports Analytics Conference erzählte, schon James Naismith innerhalb weniger Jahre über den Dreier nachgedacht haben soll. Es steht doch völlig außer Frage, dass die Dreierlinie ein Gewinn war, grausige Wurfauswahl einiger Spieler hin oder her. Sie war vielleicht sogar ganz entscheidend, um das Spiel zu "retten", als sie gemeinsam mit Magic Johnson und Larry Bird in die Liga kam. Stellt Euch mal vor, es gäbe heute nur Zweier. Wie sollte man da gegen Memphis und Co. effektiv scoren? Ich gebe Dir aber insofern Recht, Flo, als die Sache bei dem 4-Pointer anders gelagert ist. Die Idee ist ja, das Spielfeld unter Umständen breiter zu machen, um auch an den Seiten den 4-Pointer reinquetschen zu können. An der Stelle ist der 4-Pointer nicht so sehr das Problem, sondern die Vergrößerung des Feldes. Da würde die Defense noch weiter auseinander gezogen, als es durch die Dreierlinie schon der Fall ist. Leute wie LeBron James, Russell Westbrook und Co., die dank ihrer Power und Athletik mühelos ziehen können, wären vollkommen unstoppable. Anders als Flo und Timo denke ich über jede mögliche Neuerung - auch und gerade in Sachen Draft und Playoff-Modus - sehr gern nach. Aber dem 4-Pointer kann ich nichts abgewinnen.
Haruka Gruber: Das ist mir zu moderat ausgedrückt, Phil. Ich bin vielmehr komplett bei Timo und Flo! 1979 wurde bestimmt ähnlich kontrovers diskutiert, ob die Dreipunkte-Linie eingeführt werden soll nicht, aber dieses Vier-Punkte-Ding ist nur absurd. Die Dreierlinie hatten zumindest einen Sinn: So wurde der Court breit gemacht, es staute sich nicht mehr alles unter dem Korb, es entstanden neue Strategien und Taktiken. Aber was soll eine Vierpunkte-Linie bringen - wo immer sie gezogen wird? Ich finde den Grundgedanken, bestehende Regeln auch mal zu hinterfragen, interessant. Es war zu lesen, dass sich seit 50 Jahren zwar die Größe des Basketball-Courts nicht verändert hat, dafür der durchschnittliche NBA-Spieler aber heute 11 Kilo schwerer und fast 8 Zentimeter größer ist als damals. Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Vierpunkte-Regelung den Sport bereichert. Im Gegenteil. Wie George Karl sagt: Die Seele des Spiels ist es immer noch, mit Kraft und Raffinesse am Korb zu punkten. Aber darf dann ein genialer Post-Move von Tim Duncan gegen Dwight Howard zukünftig nur die Hälfte wert sein im Vergleich zu einem vogelwilden Wurf von J.R. Smith von der Mittellinie?
spoxDornhegge: Ich gebe Euch ja wie gesagt grundsätzlich recht. Aber lasst mal die Kirche im Dorf: Beim 4-Pointer geht's nicht darum, dass Spieler jetzt Würfe nehmen sollen, die sie nicht drauf haben. Sondern darum, dass ein Steph Curry seine Dreier auch mühelos anderthalb Meter hinter der Linie einnetzt, dass LeBron lässige Sprungwürfe aus zehn Metern nimmt, und ob es dann nicht sinnvoll und gerecht wäre, die Spieler, die das draufhaben, entsprechend zu belohnen. Aber die Entwertung des Zweiers ist ein schlagendes Argument, keine Frage. Ein anderer Gesichtspunkt, den man nicht unterschätzen darf: Würde das Spielfeld verbreitert, würden die NBA-Arenen mindestens zwei Reihen Courtside Seats einbüßen. Das macht kein Besitzer mit.
These 1: Nur ein neuer Besitzer kann die Knicks retten
These 2: Die NBA braucht den 4-Pointer
These 3: Die Rockets und Clippers sind Finals-Kandidaten
These 4: Tom Thibodeau ist der Coach of the Year
These 5: John Wall ist ein MVP-Kandidat
These: Die Rockets und Clippers sind Finals-Kandidaten.
Florian Regelmann: Ja, wobei ich sogar den Rockets mehr zutraue als den Clippers. Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe einfach nach wie vor Zweifel, ob die Clippers Playoff-Basketball wirklich so gut drauf haben, dass es im Westen reicht. Wie wir alle wissen, macht ihr nicht zu stoppendes Transition-Spektakel einen großen Teil ihres Erfolgs aus. Aber selbst die Clippers werden in den Playoffs auf ein langsameres Tempo gezwungen, da sehe ich Probleme. Houston ist meiner Meinung nach für die Postseason etwas besser aufgestellt. Mir gefällt vor allem die Balance, die die Rockets mittlerweile haben. Houston lebt eben nicht nur von den vielen Dreiern, sondern überzeugt mit einem sehr guten Inside-Out-Verhältnis. Dazu kommt, dass Houston defensiv nicht so schlecht ist, wie man oft denkt, wenn man die Zahlen sieht. Die Rockets haben wohl die beste Transition-Defense der Liga, obwohl sie dennoch das offensive Brett crashen. Das ist schon ziemlich beeindruckend. Auch da ist gerade Patrick Beverleys Einfluss gar nicht hoch genug einzuschätzen. Bei allem Lob gerade für die Rockets gibt es aber für mich noch ein gefährlicheres Team, die Warriors. Golden State hat für mich ein Team, das in die Finals kommen kann. Über die Starting-Five müssen wir nicht reden und dazu kommt jetzt eine bockstarke Bank. Jermaine O'Neal ist überragend drauf nach seiner Rückkehr, Steve Blake zu holen war ein starker Schachzug, Jordan Crawford, Draymond Green, Harrison Barnes - Golden State fehlt einzig und allein in der Regular Season etwas die Konstanz. Aber vom Potenzial können die Warriors jede Serie gewinnen.
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Haruka Gruber: Bei den Clippers ist das langsamere Tempo in den Playoffs ein Gegenargument, aber bei Golden State nicht? Irgendwas stimmt da nicht. Die Warriors können vielleicht etwas konventioneller spielen und Iggy hat letztes Jahr bewiesen, wie er in der Postseason aufdrehen kann. Aber ob in einer Playoff-Schlacht Curry, Lee oder Klay Thompson so weiter punkten und vor allem defensiv bestehen können, will ich erst einmal sehen. Da sehe ich die Clippers weiter vorne. Alberne Shootouts wie beim Sieg gegen OKC sind kein Gradmesser, aber dass sie zuletzt drei Teams, darunter mit Phoenix und Houston zwei Top-Offensiv-Mannschaften der NBA, unter 100 Punkten hielten, ist schon einmal ein Anfang. Gespannt bin ich vor allem auf Griffin: Sollte er weiter so vielseitig spielen, glaube ich, dass selbst ein Tim Duncan in einer Serie richtige Probleme bekommt. Und so riskant Nachverpflichtungen sind, ist die Tiefe der Bank schon beeindruckend. Danny Granger bildet mit Matt Barnes ein gutes Small-Forward-Duo, weil sie sich gut ergänzen: Der eine scort und bringt Länge, der andere ist giftig und verteidigt. Glen Davis bringt Leidenschaft und ist eine Scoring-Option, selbst Hedo Turkoglu könnte als Nummer 10 oder 11 der Rotation wertvoll sein. Wenn J.J. Redick zurückkehrt, ist es ein Wahnsinnsteam. Mir gefällt der Mut der Clippers, sie gehen aufs Ganze. Sie wissen auch, dass es im Westen kein Überteam gibt. Wie für die Rockets gilt: Die Finals sind machbar.
Timo Böckenhüser: Ja und nein. Die Rockets sind seit Ende Januar wirklich gut drauf und haben 13 ihrer letzten 15 Spiele gewonnen, darunter gegen Meister Miami und Vize-Champ San Antonio. Das waren schon zwei Ausrufezeichen, dennoch sehe ich die Rockets nicht als Contender, dafür ist ihre Defense einfach zu mies. 101,7 gegnerische Punkte pro Partie sind viel zu viel für einen Finals-Kandidaten. Vor allem von James Harden, der zum Teil katastrophal seinen Gegenspieler verteidigt, muss viel mehr kommen. Die Clippers hingegen sehe ich in diesem Jahr neben San Antonio und Oklahoma City als heißesten Finals-Anwärter. Warum? Weil sie mit Chris Paul den besten Point Guard der Liga als Leader haben. Weil sie endlich mit Doc Rivers einen guten Trainer haben. Und weil die Big Men Blake Griffin und DeAndre Jordan ihr Spiel in diesem Jahr auf ein höheres Level gehievt haben. Die beiden verbuchen Abend für Abend zusammen 34,3 Punkte, 23,7 Rebounds, davon 6,5 offensiv, und 3,0 Blocks. Griffin trifft endlich solide seine Freiwürfe und ist offensiv variabler. Dazu haben die Clippers mit Jamal Crawford, Darren Collison, Matt Barnes, Jared Dudley, J.J. Redick und Zugang Danny Granger Waffen ohne Ende und gegen jeden Gegner ein Rezept. Tief, tiefer, Clippers! Wenn diese Truppe in den finalen 20 Spielen noch etwas Feintuning betreibt, ist sie nicht nur ein Finals-Kandidat, sondern ein legitimer Meisterschaftsanwärter, der gegen jedes Team eine Serie gewinnen kann.
Philipp Dornhegge: Ich bin wie Timo sehr angetan von der Richtung, die die Clippers eingeschlagen haben. Die Zeit, die Blake Griffin ohne Chris Paul als Leader seines Teams hatte, war für mich ganz entscheidend. Da hat er zeigen können, wie sehr er sich entwickelt hat vom Highflyer zum bärenstarken Gesamtpaket, das sicherlich in der Defense noch besser werden kann. Aber dieses Gesamtpaket ist auch der entscheidende Grund, warum ich Flos Argument für falsch halte: Die Clippers sind, seitdem Griffin aus der Mitteldistanz werfen kann und seine Freiwürfe trifft, sehr wohl in der Lage, eine effektive Halbfeld-Offense zu spielen. Und eine Hack-A-Jordan-Strategie kann Rivers jetzt sehr gut kontern, indem er Glen Davis in den Ring wirft - übrigens eine sehr unterschätzte Verpflichtung im Hinblick auf die Playoffs. Insgesamt verteidigen die Clippers auch viel besser als die letzten Jahren und sind in den letzten Wochen - wenn ich mich nicht täusche - in den Top 10 in Sachen Defensive Efficiency angekommen. Die Clippers haben die Chance auf eine Meisterschaft, aber sie wäre noch größer, wenn Redick in den Playoffs mitmischen kann. Bei Houston bin ich skeptischer. Mit Lin, Francisco Garcia und Ömer Asik hätte man eine super Acht-Mann-Rotation für die Playoffs, aber auch da bin ich bei Timo: Solange die Mannschaft nicht gezeigt hat, dass sie einen hochklassigen Gegner in wichtigen Momenten mit ihrer Defense stoppen kann, habe ich meine Zweifel.
These 1: Nur ein neuer Besitzer kann die Knicks retten
These 2: Die NBA braucht den 4-Pointer
These 3: Die Rockets und Clippers sind Finals-Kandidaten
These 4: Tom Thibodeau ist der Coach of the Year
These 5: John Wall ist ein MVP-Kandidat
These: Tom Thibodeau ist der Coach of the Year.
Florian Regelmann: Thibodeau muss Coach of the Year werden und jeder Basketball-Fan muss diese Chicago Bulls lieben. Jeder. Das Bulls-Knicks-Spiel am vergangenen Sonntag muss für alle Knicks-Fans die Hölle gewesen sein, also noch mehr Hölle als ohnehin. Alles was bei den Knicks schlecht ist, ist bei den Bulls ein Traum. Zwei Teams können gar nicht unterschiedlicher sein. Chicago macht die wenigsten Punkte in der gesamten NBA und ist trotzdem in vielerlei Hinsicht in dieser Saison die geilste Mannschaft der Liga. Das sagt einiges aus. Team-Basketball, Spirit, Defense, Selbstlosigkeit. Wie Joakim Noah und Carlos Boozer da an der Bank standen, als Jimmer Fredette seinen ersten Wurf traf, war eine so überragende Szene, die so viel über die besondere Chemie bei den Bulls aussagt. Chicago hat im ganzen Kader nicht einen Spieler, der nur an seine persönlichen Stats denkt. Besonders Noah ist natürlich irre. Was der für Pässe spielt... Er ist ohne Derrick Rose das Gesicht dieser Bulls, aber er ist eben auch nur ein Teil. Was hat Thibodeau mit D.J. Augustin gemacht? Wahrscheinlich hat die Verpflichtung Augustins von der Straße die Saison der Bulls entscheidend gedreht. Ein Team nimmt oft die Mentalität seines Trainers an - ich kenne kein besseres Beispiel als die Bulls und Thibodeau. Er liebt seine Spieler und die Spieler lieben ihn. Genau wie die Mannschaft hätte ja auch Thibodeau zweimal die Chance gehabt, die Schnauze voll zu haben. Nach der erneuten Rose-Verletzung und nach dem Deng-Trade. Aber von wegen. Die Bulls spielen so gut, dass sie auch in den Playoffs mindestens gegen Indiana eine echte Chance haben. Mindestens gegen Indiana...
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Haruka Gruber: Thibodeau ist ein Phänomen. Eigentlich konnte man davon ausgehen, dass jetzt irgendwann die Stimmung gegen ihn kippt. Es war ein offenes Geheimnis, dass er mit seiner krass distanzierten und toughen Art sich langsam abnutzt und das Front Office und viele Spieler sehr genervt waren. Allerdings gelang es ihm offenbar irgendwie, die Situation zu deeskalieren und den richtigen Ton anzuschlagen. Stattdessen hat er dem Team eine "Jetzt erst recht!"-Attitüde vermittelt. Zum Jahreswechsel hin dachte ich bei einer 12-18-Bilanz, dass Chicago endgültig die Luft ausgeht und im Nichts versumpft. Stattdessen ziehen sie sich aus dem Loch und zeigen eine unglaubliche Trotzreaktion nach dem Deng-Trade. Seitdem 21 von 29 Spielen zu gewinnen, ist schon krass. Und das mit einer Starting Five, in der Kirk Hinrich und Mike Dunleavy stehen. HINRICH UND DUNLEAVY! Dass selbst ein ausgemusterter D.J. Augustin zu den Key Playern von der Bank wird, kann nur der Verdienst des Coaches sein. Wahrscheinlich wird jetzt auch Jimmer Fredette unter ihm zu einem richtigen NBA-Profi - was Flos Vergleich mit den Knicks noch treffender machen würde. New York hatte ja nicht einmal Interesse am vertragslosen Fredette, obwohl er aus der New-York-Region stammt. Thibodeau könnte für die Bulls sogar zum echten Jackpot werden, wenn es gelingt, Carmelo Anthony vom Wechsel aus New York nach Chicago zu überzeugen, weil er dort endlich die richtigen Voraussetzungen vorfindet. Aber selbst wenn nicht, wäre Thibs der verdiente Coach of the Year!
Timo Böckenhüser: Das sehe ich anders. "Thibs" ist ein exzellenter Trainer, ein ausgewiesener Defensiv-Experte, der erneut das Kunststück fertig gebracht hat, die Bulls ohne ihren Leader Derrick Rose auf Playoff-Kurs zu halten. In Anbetracht der mangelnden Konkurrenz und der Qualität, die auch ohne Rose im Kader steckt, ist das für mich jedoch in dieser Saison keine herausragende Leistung. Vor allem keine, die den "Coach of the Year"-Award verdient hätte. Meine Favoriten sind in diesem Jahr neben Frank Vogel und mal wieder Gregg Popovich die Trainer der positiven Überraschungen der bisherigen Saison: Portlands Terry Stotts und Phoenix' Jeff Hornacek. Beiden Teams hat Ende Oktober niemand - mich eingeschlossen - viel zugetraut, jetzt belehren uns die Suns und Blazers mit spektakulärem Offensivbasketball eines Besseren. Thibodeau hat 2011 zu Recht den Award gewonnen, 2014 haben ihn aber andere mehr verdient.
Philipp Dornhegge: Hornacek ist derzeit ja eine sehr populäre Antwort bei der Frage nach dem Coach of the Year. Er wird bei der Wahl mit Sicherheit eine Menge Stimmen bekommen. Auf der anderen Seite finde ich es doch relativ gewagt, Chicagos Saison als etwas anderes als eine Glanzleistung hinzustellen. Nach dem Deng-Trade war ich mir sicher - und bin es bis heute - dass das Management eigentlich auf den Sommer und die nächste Saison schielt und ein Verpassen der Playoffs billigend in Kauf genommen hätte. Und wenn es ein Trainer dann schafft, innerhalb des Teams so eine Trotzreaktion hervorzurufen, dann ist das eine große Leistung. Natürlich hat er mit Joakim Noah und Co. auch die perfekten Spieler dafür. Aber vom Potenzial ist diese Mannschaft eigentlich weit davon entfernt, eine Spitzenmannschaft zu sein. Noah praktisch zum Vollzeit-High-Post-Playmaker zu machen, war einfach genial. Mich würde aber jetzt schon brennend interessieren, ob sich Thibs schon Gedanken im Hinblick auf Derrick Rose' Comeback nächste Saison macht: Bekommt er dann wieder zu 95 Prozent den Ball, stagniert die Offense dann wie zu Beginn der Saison? Oder spielt Rose vielleicht mehr Off-Ball, damit Noah die Kugel verteilen kann? Alles Zukunftsmusik, schon klar. Aber höchst spannend. Für diese Saison jedenfalls führt an Thibodeau als Coach of the Year kein Weg vorbei. Allerdings sind Hornacek und Erik Spoelstra für mich würdige Herausforderer. Die Offense der Pacers und die Defense der Blazers disqualifizieren Vogel und Stotts aus meiner Sicht.
These 1: Nur ein neuer Besitzer kann die Knicks retten
These 2: Die NBA braucht den 4-Pointer
These 3: Die Rockets und Clippers sind Finals-Kandidaten
These 4: Tom Thibodeau ist der Coach of the Year
These 5: John Wall ist ein MVP-Kandidat
These: John Wall ist ein MVP-Kandidat.
Timo Böckenhüser: So schwer es mir als Fan der Washington Wizards fällt: nope. Auf keinen Fall. Wall spielt zwar eine gute Saison, doch zum einen sind seine Stats nicht annähernd in den Regionen der heißesten Anwärter Kevin Durant und LeBron James. Und zum anderen ist die Spielzeit, die sein Hauptstadt-Club bisher abgeliefert hat, keine Glanzleistung. Im miesen Osten rangieren die Wizards auf Rang fünf. Noch hinter den Raptors! Klar, ohne ihren Playmaker würde Washington definitiv schlechter dastehen. Fest steht auch, dass Wall der MVP des Teams ist. Doch der 23-Jährige ist in diesem Jahr noch kein ernsthafter Kandidat auf den Titel des MVPs der Regular Season.
Philipp Dornhegge: Es ist schon bitter für den Rest der Liga, dass Kevin Durant und LeBron James so unfassbar gut Basketball spielen können. Weil wegen ihnen niemand, absolut niemand, auch nur eine MVP-Stimme verdient hat. Insofern ist Wall natürlich kein MVP-Kandidat, da gebe ich Timo Recht. Aber wenn wir eine zweite Kategorie unterhalb von James und Durant aufmachen wollen, dann gehört er da absolut in den Kreis. Mich freut sehr, dass er sich mit dem Slam Dunk Contest ins Bewusstsein auch des letzten NBA-Zuschauers gestopft hat. Ganz stark fand ich wiederum, dass sich beim All-Star Game keiner auch nur annähernd in der Defense so reingehängt hat wie er. Man merkt einfach, dass der Junge jedes Spiel gewinnen will, egal wie. Und das macht ihn so sympathisch. Er ist inzwischen ein Star, keine Frage, aber er ist ein bescheidener Kerl, der immer versucht, auf dem Court das Richtige zu tun, anstatt für seine Stats zu spielen. Er hatte vor einiger Zeit ein einziges Spiel, bei dem das anders war, und die Überraschung von Coach Randy Wittman zeigt, dass Wall so eben eigentlich nicht ist. Sein ehemals wackliger Wurf wird immer besser, wie selbstbewusst er jetzt in den Pull-Up-Jumper geht, ist einfach stark und sollte ein Vorbild für Rajon Rondo oder Ricky Rubio sein. Dazu ist seine Defense nicht schlechter als die von Rondo oder Rubio. Ich fasse zusammen: Wall ist ein Winner, kann immer besser werfen, kann mühelos ziehen, hat ein grandioses Auge und hängt sich in der Defense rein. Dazu ist er pflegeleicht und seine Mannschaft ist Top-4- oder -5-Anwärter im Osten - trotz vieler Verletzungen und einem durchschnittlichen Coach, der anfangs der Saison auf dem Hot Seat saß. Was für eine Leistung, die ich offenbar ganz anders einschätze als Timo! Zusammen mit Bradley Beal wird er noch viele Jahre für Furore sorgen.
Washingtons Kampf um eine gute Playoff-Position: Sei mit dem League Pass dabei!
Florian Regelmann: John Wall hat absolut Respekt verdient. Jahrelang war die Frage, ob er denn jetzt endlich den Durchbruch zum Superstar und Leader schafft, jetzt hat er seine Breakout-Saison. Wall hat angefangen, ein Leader zu sein, und die Wizards haben deshalb angefangen zu gewinnen. Aber wenn wir hier über einen Guard reden, der in der MVP-Diskussion untergeht, der aber eine Erwähnung verdient hat, dann heißt der für mich nicht Wall. Für mich heißt der Goran Dragic. Dass die Suns-Fans jetzt MVP-Sprechchöre für ihn anstimmen, ist ein klares Zeichen. Es gibt genau drei Spieler, die aktuell mehr als 19 Punkte und mehr als 5 Assists auflegen und dabei mindestens 48 Prozent aus dem Feld treffen. James, Durant, Dragic. Dragic steht sogar bei einer FG-Trefferquote von über 50 Prozent und bei über 40 Prozent von Downtown. Mehr noch: Schaut Euch mal die Suns ohne Dragic an, das sieht absolut verheerend aus. Die Suns-Offense mit Dragic ist ein Genuss, ohne ihn stockt es praktisch immer sofort. Kein Wunder also, dass sie mit ihm auf dem Feld 11 Punkte mehr machen als ohne hin. Das sind alles MVP-Zahlen. Angesichts dessen auch nach wie vor ein völliger Witz, dass er nicht beim All-Star Game war. Er hat die Suns gerade in der Abwesenheit von Bledsoe auf seinen Schultern getragen und sich wirklich zu einem der besten Playmaker überhaupt entwickelt. Ich weiß nicht mal, ob ich nach Paul, Curry und Tony Parker überhaupt noch einen Point Guard vor Dragic setzen würde, gemessen an dieser Saison.
Haruka Gruber: Wer erinnert sich an die EM-Ausgabe der Triangle Offense? Es kommt ja extrem selten vor, dass Flo, Phil und ich einer Meinung sind, aber damals waren wir es: Dragic hat das Kaliber eines All-Stars. Und es kommt noch seltener vor, dass wir damit Recht haben. Aber Flo: Ihn und Wall im MVP-Rennen zu nennen, ist dann doch des Guten zu viel. Wisst Ihr noch, wie lange Dirk gebraucht hat, um überhaupt als ernsthafter Kandidat zu gelten? Beide spielen tolle Saisons und machen aus einem durchschnittlichen Team ein gutes. Das ist höchst respektabel. Aber viel höher zu bewerten ist für mich, was Joakim Noah in Chicago erreicht. Er macht aus einem schlechter besetzten und von Verletzungen geplagten Team ein besseres als Phoenix und Washington, das wohl mit der drittbesten Ost-Bilanz in die Playoffs geht. Bei all dem Hype um die neue Center-Generation vergisst man schnell, wie gut Noah eigentlich ist. Der Wurf sieht seltsam aus und die Pässe sind nicht elegant, aber er ist das Herz und die Seele der Bulls. Was besonders beeindruckt: Er steigert jedes Jahr seinen Assist-Schnitt, vor allem seit 2012 ist der Sprung der Hammer. Er gibt mittlerweile 4,7 Assists - und das als Center bei der Mannschaft, die ligaweit am wenigsten punktet. Melo nennt ihn nicht umsonst "Quarterback". Und: Noah ist ein grandioser Leader. Wie er einen Treffer gegen Dallas in seiner enthusiastischen Art feiert und sich dann aufregt über Tony Snell, der den Chestbump nur halbherzig mitmacht - sich dann wiederum jedoch öffentlich mit einem Augenzwinkern beim Rookie entschuldigt, ist groß.
These 1: Nur ein neuer Besitzer kann die Knicks retten
These 2: Die NBA braucht den 4-Pointer
These 3: Die Rockets und Clippers sind Finals-Kandidaten
These 4: Tom Thibodeau ist der Coach of the Year