These: Tom Thibodeau ist der Coach of the Year.
Florian Regelmann: Thibodeau muss Coach of the Year werden und jeder Basketball-Fan muss diese Chicago Bulls lieben. Jeder. Das Bulls-Knicks-Spiel am vergangenen Sonntag muss für alle Knicks-Fans die Hölle gewesen sein, also noch mehr Hölle als ohnehin. Alles was bei den Knicks schlecht ist, ist bei den Bulls ein Traum. Zwei Teams können gar nicht unterschiedlicher sein. Chicago macht die wenigsten Punkte in der gesamten NBA und ist trotzdem in vielerlei Hinsicht in dieser Saison die geilste Mannschaft der Liga. Das sagt einiges aus. Team-Basketball, Spirit, Defense, Selbstlosigkeit. Wie Joakim Noah und Carlos Boozer da an der Bank standen, als Jimmer Fredette seinen ersten Wurf traf, war eine so überragende Szene, die so viel über die besondere Chemie bei den Bulls aussagt. Chicago hat im ganzen Kader nicht einen Spieler, der nur an seine persönlichen Stats denkt. Besonders Noah ist natürlich irre. Was der für Pässe spielt... Er ist ohne Derrick Rose das Gesicht dieser Bulls, aber er ist eben auch nur ein Teil. Was hat Thibodeau mit D.J. Augustin gemacht? Wahrscheinlich hat die Verpflichtung Augustins von der Straße die Saison der Bulls entscheidend gedreht. Ein Team nimmt oft die Mentalität seines Trainers an - ich kenne kein besseres Beispiel als die Bulls und Thibodeau. Er liebt seine Spieler und die Spieler lieben ihn. Genau wie die Mannschaft hätte ja auch Thibodeau zweimal die Chance gehabt, die Schnauze voll zu haben. Nach der erneuten Rose-Verletzung und nach dem Deng-Trade. Aber von wegen. Die Bulls spielen so gut, dass sie auch in den Playoffs mindestens gegen Indiana eine echte Chance haben. Mindestens gegen Indiana...
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Haruka Gruber: Thibodeau ist ein Phänomen. Eigentlich konnte man davon ausgehen, dass jetzt irgendwann die Stimmung gegen ihn kippt. Es war ein offenes Geheimnis, dass er mit seiner krass distanzierten und toughen Art sich langsam abnutzt und das Front Office und viele Spieler sehr genervt waren. Allerdings gelang es ihm offenbar irgendwie, die Situation zu deeskalieren und den richtigen Ton anzuschlagen. Stattdessen hat er dem Team eine "Jetzt erst recht!"-Attitüde vermittelt. Zum Jahreswechsel hin dachte ich bei einer 12-18-Bilanz, dass Chicago endgültig die Luft ausgeht und im Nichts versumpft. Stattdessen ziehen sie sich aus dem Loch und zeigen eine unglaubliche Trotzreaktion nach dem Deng-Trade. Seitdem 21 von 29 Spielen zu gewinnen, ist schon krass. Und das mit einer Starting Five, in der Kirk Hinrich und Mike Dunleavy stehen. HINRICH UND DUNLEAVY! Dass selbst ein ausgemusterter D.J. Augustin zu den Key Playern von der Bank wird, kann nur der Verdienst des Coaches sein. Wahrscheinlich wird jetzt auch Jimmer Fredette unter ihm zu einem richtigen NBA-Profi - was Flos Vergleich mit den Knicks noch treffender machen würde. New York hatte ja nicht einmal Interesse am vertragslosen Fredette, obwohl er aus der New-York-Region stammt. Thibodeau könnte für die Bulls sogar zum echten Jackpot werden, wenn es gelingt, Carmelo Anthony vom Wechsel aus New York nach Chicago zu überzeugen, weil er dort endlich die richtigen Voraussetzungen vorfindet. Aber selbst wenn nicht, wäre Thibs der verdiente Coach of the Year!
Timo Böckenhüser: Das sehe ich anders. "Thibs" ist ein exzellenter Trainer, ein ausgewiesener Defensiv-Experte, der erneut das Kunststück fertig gebracht hat, die Bulls ohne ihren Leader Derrick Rose auf Playoff-Kurs zu halten. In Anbetracht der mangelnden Konkurrenz und der Qualität, die auch ohne Rose im Kader steckt, ist das für mich jedoch in dieser Saison keine herausragende Leistung. Vor allem keine, die den "Coach of the Year"-Award verdient hätte. Meine Favoriten sind in diesem Jahr neben Frank Vogel und mal wieder Gregg Popovich die Trainer der positiven Überraschungen der bisherigen Saison: Portlands Terry Stotts und Phoenix' Jeff Hornacek. Beiden Teams hat Ende Oktober niemand - mich eingeschlossen - viel zugetraut, jetzt belehren uns die Suns und Blazers mit spektakulärem Offensivbasketball eines Besseren. Thibodeau hat 2011 zu Recht den Award gewonnen, 2014 haben ihn aber andere mehr verdient.
Philipp Dornhegge: Hornacek ist derzeit ja eine sehr populäre Antwort bei der Frage nach dem Coach of the Year. Er wird bei der Wahl mit Sicherheit eine Menge Stimmen bekommen. Auf der anderen Seite finde ich es doch relativ gewagt, Chicagos Saison als etwas anderes als eine Glanzleistung hinzustellen. Nach dem Deng-Trade war ich mir sicher - und bin es bis heute - dass das Management eigentlich auf den Sommer und die nächste Saison schielt und ein Verpassen der Playoffs billigend in Kauf genommen hätte. Und wenn es ein Trainer dann schafft, innerhalb des Teams so eine Trotzreaktion hervorzurufen, dann ist das eine große Leistung. Natürlich hat er mit Joakim Noah und Co. auch die perfekten Spieler dafür. Aber vom Potenzial ist diese Mannschaft eigentlich weit davon entfernt, eine Spitzenmannschaft zu sein. Noah praktisch zum Vollzeit-High-Post-Playmaker zu machen, war einfach genial. Mich würde aber jetzt schon brennend interessieren, ob sich Thibs schon Gedanken im Hinblick auf Derrick Rose' Comeback nächste Saison macht: Bekommt er dann wieder zu 95 Prozent den Ball, stagniert die Offense dann wie zu Beginn der Saison? Oder spielt Rose vielleicht mehr Off-Ball, damit Noah die Kugel verteilen kann? Alles Zukunftsmusik, schon klar. Aber höchst spannend. Für diese Saison jedenfalls führt an Thibodeau als Coach of the Year kein Weg vorbei. Allerdings sind Hornacek und Erik Spoelstra für mich würdige Herausforderer. Die Offense der Pacers und die Defense der Blazers disqualifizieren Vogel und Stotts aus meiner Sicht.
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