Mit den USA und Spanien hat die FIBA WM 2014 bereits vor Turnierbeginn zwei klare Favoriten. Die Amerikaner legen ihr Roster sogar komplett auf ein mögliches Finale gegen den Gastgeber aus. Doch es gibt auch andere Teams. Wer ist bereit für die Überraschung?
USA
Richtig, LeBron James ist nicht dabei. Auch Kevin Durant, Russell Westbrook, Kevin Love, Chris Paul und Blake Griffin verzichten auf die WM. Paul George ist verletzt. Grundsätzlich gehen die USA also durchaus geschwächt ins Turnier. Allerdings besteht der Talentpool in der besten Basketballliga der Welt eben nicht nur aus sieben Spielern, die für absolutes Topniveau stehen. Das wird angesichts all der Absagen häufig vergessen.
So hat Coach Mike Krzyzewski auch in Spanien das talentierteste Roster aller Teilnehmer zur Verfügung. Egal, wer da auch abgesagt haben mag. Erleichternd hinzu kommt, dass die USA die vielleicht einfachste Vorrundengruppe erwischt haben. Oder glaubt irgendjemand, dass die Dominikanische Republik, Finnland, Neuseeland oder die Ukraine dem Topfavoriten ernsthaft gefährlich werden können?
Einzig die Türkei könnte den Amerikanern leichtere Probleme bereiten. Angesichts der Absagen von Enes Kanter, Ersan Ilyasova und Hedo Turkoglu ist allerdings auch das nicht allzu wahrscheinlich. Zumal die USA in der Vorbereitung nicht den Anschein erweckten, als gingen sie die WM mit halber Kraft an. Klar dürfen weder die Dominikanische Republik noch Puerto Rico oder Slowenien als Referenz herhalten. Doch die USA strahlten Dominanz aus, ließen auch Geheimfavorit Brasilien chancenlos zurück.
Perfekt lief dennoch nicht alles. Kann es auch nicht. Speziell die Offense funktionierte teilweise noch nicht wie gewünscht, machte der Gegner die Zone dicht, taten sich die Amerikaner mitunter schwer. Allerdings bringt das Roster alles mit, um auch unter FIBA-Regeln erfolgreichen Basketball zu spielen und die vierte Goldmedaille nach der WM 2010 und den Olympischen Spielen 2008 und 2012 zu gewinnen.
So haben die Amerikaner überraschend zwar kaum echte Shooter mitgenommen, dafür steht mit den Splash Brothers Steph Curry und Klay Thompson die doppelt personifizierte Gefahr von jenseits der Dreierlinie zur Verfügung. Mit James Harden einer der begabtesten Scorer des Planeten und mit Derrick Rose ein Rückkehrer, der einerseits beweisen will, dass auch zwei Jahre voller Verletzungen seinem Spiel nicht geschadet haben, und der andererseits seinen Rhythmus bis zum Finale gefunden haben sollte.
Dort werden die USA ziemlich sicher stehen - und vielleicht, eventuell, wahrscheinlich auf Gastgeber Spanien treffen. Den ersten großen Prüfstein. Auch deshalb hat Coach K sein Roster auf die Zonenpräsenz der Iberer ausgelegt. Den Gebrüdern Gasol und Serge Ibaka stellt er mit Andre Drummond, Boogie Cousins, Mason Plumlee und Anthony Davis gleich vier Big Men entgegen. Man will sich nicht wie im Olympia-Finale von den Spaniern unter den Brettern dominieren lassen. Ob die Taktik aufgeht, muss sich zeigen. Allerdings müsste einiges schieflaufen, damit die USA ihren vierten großen Titel in Folge verpassen.
Player to Watch:Anthony Davis. Der Big Man hat in der vergangenen Saison, erst seiner zweiten in der NBA, eine herausragende Entwicklung genommen. Seiner Power in der Zone sind die meisten Big Men des Turniers nahezu hilflos ausgeliefert. Fällt dann auch noch der Jumper, ist Davis eigentlich nicht mehr zu verteidigen. James Harden ist laut Coach K der Leader des Teams, Davis könnte jedoch zum wichtigsten Spieler der USA werden.
Spanien
Viel Zeit bleibt Spaniens Goldener Generation nicht mehr, sollen die USA endlich einmal bei einem großen Turnier besiegt werden. Wann soll es also klappen, wenn nicht zu Hause? Vor eigenem Publikum. Das Ziel ist also klar: Der Titel soll her. Und allzu schlecht sind die Voraussetzungen - auch abgesehen vom Heimvorteil - tatsächlich nicht.
Denn anders als bei der EuroBasket im vergangenen Jahr, als der Favorit im Halbfinale gegen Frankreich ausschied und schlussendlich nur Rang drei belegte, kann Coach Juan Antonio Orenga das Beste aufbieten, was der spanische Basketball zur Verfügung hat. Der ohnehin beeindruckende Backcourt wird im Vergleich zum Turnier in Slowenien um Juan Carlos Navarro ergänzt - und erhält damit eine zusätzliche Portion positiven Wahnsinn und Eiseskälte in engen Situationen.
Größte Herausforderung dürfte für Orenga deshalb die Minutenverteilung unter seinen Guards sein. Die Tiefe und Vielseitigkeit bietet dem Coach allerdings auch die Möglichkeit, auf jede Situation treffend zu reagieren. Wird Defense und schneller Transition-Basketball benötigt, bietet sich Ricky Rubio an. Muss das Spiel in geregelten Bahnen gelenkt werden, steht Jose Calderon bereit. Für die Big Plays dürften Navarro sowie Madrids Sergio-Duo Rodriguez und Llull sorgen.
Auf dem Flügel kann Rudy Fernandez jederzeit heiß laufen und das Publikum mit Highlight-Plays zurückholen, sollte es nötig sein. Und schlussendlich wäre da ja noch der Frontcourt. Der nötigt der Konkurrenz derart viel Respekt, dass selbst die USA ihre Kaderplanung nach Spaniens Big Men auslegten. Marc Gasol ist der wohl beste Low-Post Scorer des Turniers, sein Bruder Pau unglaublich vielseitig. Serge Ibaka bringt Athletik und Rim Protection.
Wermutstropfen aus Sicht der Spanier ist derzeit eigentlich nur die unglaublich schwere Vorrundengruppe A. Dort trifft man mit Frankreich, Brasilien und Serbien gleich auf drei Teams, die sich ebenfalls Chancen auf einen langen Aufenthalt in Spanien ausrechnen. Andererseits ist der Gastgeber so direkt drin im Turnier und hat bereits einige Prüfungen hinter sich gebracht, wenn es tatsächlich zum erwarteten Finale gegen die USA kommt. Ob es am Ende reicht? Man wird sehen!
Player to Watch: Sergio Rodriguez ist einer der aufregendsten Point Guards Europas und amtierender Euroleague-MVP. Der Madrilene verfügt über herausragendes Ballhandling. Das feine Auge für den Mitspieler ist ebenso vorhanden wie die gebotene Ruhe, sollte das Spiel kurz vor Schluss noch nicht entschieden sein. Reals Offense war trotz der Tiefe im Kader vergangene Saison, gerade während des Euroleague Final Four, nahezu abhängig von Rodriguez. Nun verfügt Spanien über mehr Potenzial, James Hardens bärtiges Pendant dürfte dennoch eine tragende Rolle erhalten.
Frankreich
Tony Parker hat Frankreich viel gegeben. Nicht zuletzt den so sehr herbeigesehnten EM-Titel. Damit hat der Point Guard auch seine internationale Karriere gekrönt und nimmt deshalb nach der Meisterschaft mit den San Antonio Spurs nun eine Auszeit vom Nationalteam. Besser macht das den Europameister natürlich nicht. Mit Antoine Diot und Tibor Pleiß' ehemaligem Teamkollegen Thomas Heurtel stehen dennoch zwei durchaus fähige Point Guards parat.
Bemerkbar wird sich Parkers Fehlen dennoch machen. Auch das ist klar. Wie schon bei Olympia 2012 ist auch Big Man Joakim Noah nicht dabei. Ähnlich bitter, wenn auch nicht ganz so problematisch, ist das Fehlen von Alexis Ajinca. Die Länge des Centers machte ihn zu einem nicht unwesentlichen Baustein im Team von Vincent Collent, Ajinca muss die WM jedoch verletzt absagen. Auch Ex-Spur Nando de Colo fehlt.
Entsprechend groß wird die Aufgabe für Nicolas Batum. Nach Parkers Absage ist der Blazer der wohl talentierteste Spieler der Franzosen. Nur muss er endlich ein wenig Konstanz in seine Nationalmannschaftsauftritte bringen. Auf sich allein gestellt ist Batum allerdings ohnehin nicht. Kapitän Boris Diaw ist nicht nur amtierender NBA-Champion, sondern auch unangefochtener Leader der Franzosen.
Auch Evan Fourniers Rolle wird wachsen. Die Big Men um Partizan Belgrads Joffrey Lauvergne und Utahs Rudy Gobert werden dafür sorgen, dass der Europameister auch während der WM wieder zu den besseren Rebounding-Teams zählt. Die Vorrundengruppe ist mit Spanien, Brasilien und Serbien zwar schwer, durchsetzen werden sich die Franzosen am Ende dennoch. Allerspätestens im Halbfinale dürfte gegen Spanien jedoch Schluss sein.
Player to Watch:Nicolas Batum. Der Small Forward bringt so viel Talent mit, ist so vielseitig, allerdings auch so inkonstant. Ohne Tony Parker, Nando de Colo und Alexis Ajinca muss Batum nun jedoch dauerhaft sein Potenzial abrufen, um die Franzosen weit zu tragen. Gelingt das? Spannende Frage!
Brasilien
Eigentlich dürfte Brasilien gar nicht bei der WM dabei sein. Schließlich verlief die Amerikameisterschaft 2013 - und damit das Qualifikationsturnier für die WM - absolut verheerend. Egal, ob gegen Puerto Rico, Kanada, Uruguay oder Jamaika - Brasilien verlor. Vier Spiele, vier Niederlagen: das Aus.
Dank einer Wild Card der FIBA ist man dennoch dabei - und präsentiert ein völlig anderes Team als noch im vergangenen Jahr. Immerhin kehren Leandro Barbosa, Tiago Splitter, Nene und Anderson Varejao zurück, nachdem sie das Turnier in Venezuela noch verpasst hatten.
Und speziell die drei Big Men machen aus Brasilien ein unglaublich gefährliches Team. Was ein fitter Nene unter den Brettern anrichten kann, weiß man schließlich nicht erst seit dessen starker Vorstellung in der ersten Playoff-Runde gegen die Chicago Bulls und Defensive Player of the Year Joakim Noah. Dass Coach Ruben Magnano den Wizard nun mit Splitter und Varejao rotieren lassen kann, sollte gegnerischen Teams durchaus Respekt einflößen.
Zumal Splitter mit der breiten Brust eines NBA-Champions nach Spanien reist und sein Spiel gegen die, im Vergleich zur NBA, wesentlich weniger physischen WM-Big-Men besser wird durchziehen können. Mit Varejao besitzen die Brasilianer einen der potenziell besseren, wenn nicht sogar besten Rebounder des Turniers.
Nur auf ihren Frontcourt verlassen müssen sich die Brasilianer deshalb allerdings nicht. Leandro Barbosa hat seinen Kreuzbandriss aus dem Frühjahr 2013 völlig auskuriert und sollte gemeinsam mit Marcelinho Huertas ein durchaus vorzeigbares Guard-Duo bilden. Über die Konstellation in Gruppe A ist genug gesagt, das Achtelfinale sollte Brasilien dennoch erreichen. Selbst das Halbfinale ist möglich. Zumal man durchaus zur einen oder anderen Überraschung im Stande ist.
Player to Watch: Marcelinho Huertas. "ESPN"-Experte Fran Fraschilla vergleicht den Point Guard mit Steve Nash - und hat damit nicht ganz unrecht. Huertas hat ein ähnlich gutes Auge für den Mitspieler wie der Kanadier und scheut den Risikopass ebenfalls nicht. Heraus kommt ein spektakulärer Playmaker, der die Schönheit des Basketballs geradezu zelebriert.
Argentinien
Manu Ginobili hätte sein Land in Spanien so gern vertreten. Allerdings zog sich Manu Ginobili eben auch einen Ermüdungsbruch im rechten Bein zu. Und da Manu Ginobili einen gewissen Wert für die San Antonio Spurs besitzt, untersagten die ihm eine Teilnahme an der WM. Bitter für Manu. Noch bitterer für Argentinien. Schließlich ist das Fehlen eines Ginobili nicht so einfach zu kompensieren.
"Ich denke, mit Ginobili, Delfino und dem kompletten Team hätten wir gute Chancen, um Rang drei zu kämpfen", zweifelt auch Knicks-Guard Pablo Prigioni an den Aussichten seiner Argentinier. "Momentan haben wir, denke ich, nicht genügend Potenzial im Team, um an die Top Four zu denken." Optimismus liest sich tatsächlich anders.
Ganz unverständlich ist das nicht, schließlich ist ein Großteil der Goldenen Generation den 40 mittlerweile näher als den 20. Gut, den Altersdurchschnitt hätte auch Ginobili nicht gedrückt, rein spielerisch hätte er dennoch geholfen. Andererseits hat Luis Scola in der Vergangenheit bereits häufig bewiesen, dass er das Team zeitweise nahezu allein tragen kann. Während der Amerikameisterschaften legte der Pacer im Schnitt beispielsweise 18,8 Punkte und 6,9 Rebounds auf. Im schlussendlich entscheidenden Spiel um die WM-Teilnahme gegen Kanada waren es sogar 28 und 7.
So wird auch diesmal viel von Scola und Froncourt-Partner Andres Nocioni abhängen. Völlig auf sich allein gestellt sind die beiden allerdings nicht. Prigioni versteht sich auch mit 37 Jahren noch bestens auf effektives Playmaking. Neben dem Veteranen besitzen die Argentinier mit Facundo Campazzo zudem ein junges Pendant zum Knicks Point-Guard.
Dennoch wählte Prigioni seine Worte nicht grundlos. Zum Titel wird es für die Argentinien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht reichen. Das Halbfinale auszuschließen wäre allerdings etwas verfrüht.
Player to Watch: Facundo Campazzo. Argentiniens zweitbester Scorer während der Amerikameisterschaft wird angesichts des fortschreitenden Alters einiger Kollegen in Spanien wohl eine größere Rolle einnehmen als während der Olympischen Spiele von London. Und das wird dem Point Guard gut tun. Immerhin wechselt er kommende Saison aus der Heimat zu Real Madrid. Genügend Talent für die WM und Real bringt Campazzo jedenfalls mit.
Die Außenseiter
Serbien: Die EuroBasket vergangenes Jahr verlief nicht ganz wie gewünscht. Als siebter qualifizierte sich Serbien gerade noch für die WM. Seither hat sich jedoch einiges getan. Point-Guard-Legende Aleksandar Djordjevic beerbte Coaching-Legende Dusan Ivkovic. Zudem kehrt Milos Teodosic zurück. Der Playmaker liefert den Serben eine gehörige Portion Genie und Wahnsinn, die dem Team guttun wird. Dazu weiß Serbien mit Bogdan Bogdanovic eines der größten Talente Europas in seinen Reihen. Das Viertelfinale ist definitiv drin.
Slowenien: Die Gebrüder Zoran und Goran Dragic allein machen aus Slowenien ein gefährliches Team. Dass die Spitze dennoch ein Stück entfernt ist, zeigte der Test gegen die USA. Natürlich spielte Goran Dragic verhältnismäßig wenig, natürlich waren es die USA. Dennoch dürfte Slowenien mit dem Halbfinale nichts zu tun haben. Die eine oder andere Überraschung ist jedoch möglich. Goran und Zoran sei Dank.
Litauen: Tendenziell zählt der Vize-Europameister zum erweiterten Favoritenkreis. Erstens sind litauische Teams schließlich immer gefährlich und zweitens besitzt das Team mit Jonas Valanciunas, Donatas Motiejunas, Paulius Jankunas sowie Darjus und Ksistof Lavrinovic jede Menge Potenzial. Selbiges wird durch Mantas Kalnietis' Ausfall jedoch deutlich gemindert. Der Point Guard kugelte sich im Test gegen Kroatien die Schulter aus und wird die WM verpassen. Litauen fehlt damit sein Leader. Platz eins in Gruppe D mit Slowenien, Australien, Angola und Südkorea ist dennoch möglich. Beginnt dann erstmal die K.o.-Runde, werden die Favoriten sicher nicht unglücklich sein, sollten sie Litauen aus dem Weg gehen.
Australien: Auch ohne Patty Mills und Andrew Bogut stellt Australien eines der spannendsten Teams der WM. Immerhin spielt mit Dante Exum einer der Top-Picks des vergangenen Drafts sein erstes internationales Turnier mit der A-Nationalmannschaft. Dazu bieten die Australier einen interessanten Mix aus Talent und Erfahrung. Aus Bulls-Rookie Cameron Bairstow, Clevelands Matthew Dellavedova und Spurs-Big-Man Aron Baynes auf der einen und Euroleague-Champion John Ingles und Nate Jawai auf der anderen Seite.
Kroatien: Zwei Namen: Dario Saric. Mario Hezonja. Der eine, Saric, wurde beim Draft an zwölfter Stelle von den Sixers gezogen, spielt kommende Saison allerdings für Anadolu Efes und gilt als großes Versprechen an die Zukunft. Der andere, Hezonja, ist in Barcelona unter Vertrag und gilt, richtig, als großes Versprechen an die Zukunft. Allein das weckt Interesse am Team der Kroaten.
Dazu kommt mit Bojan Bogdanovic einer der besten Scorer Europas, der kommende Saison zu den Brooklyn Nets wechselt. Center Ante Tomic zählt zu den besten Big Men der Euroleague. Allein deshalb gilt Kroatien neben Argentinien und mit Abstrichen Griechenland als Favorit in Gruppe B. Zumal Teams vom Balkan immer unangenehm zu spielen sind.