"Wusste nicht, dass Dirk so groß ist"

Florian Regelmann
25. März 201514:26
Rick Carlisle ist seit 2008 Coach von Dirk Nowitzki und den Dallas Mavericksgetty
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Rick Carlisle ist seit 2008 Head Coach der Dallas Mavericks und gilt nicht erst seit der Championship als einer der besten Trainer der NBA. Im SPOX-Interview spricht der 55-Jährige über den Sportler und den Menschen Dirk Nowitzki und die Leiden eines Coaches.

SPOX

SPOX: Herr Carlisle, lassen Sie uns über Dirk Nowitzki sprechen. Seit dem Spiel in der letzten Nacht gegen die Spurs ist er der erste Spieler mit 25.000 Punkten, 10.000 Rebounds, 1000 Blocks und 1000 Dreiern in der NBA-Geschichte. Was war eigentlich Ihr erster Eindruck, als Sie 2008 Head Coach bei den Dallas Mavericks wurden und Dirk kennenlernten?

Rick Carlisle: Ich wusste natürlich, dass Dirk ein großartiger Spieler ist. Aber als ich dann mein Job-Interview mit Mark Cuban und Donnie Nelson hatte und danach Dirk traf, war ich echt beeindruckt, wie groß Dirk ist. Klar wusste ich, dass er groß ist, aber ich wusste nicht, dass er so groß ist. (lacht) Es war insgesamt sehr beeindruckend für mich, als ich Dirk zum ersten Mal so richtig persönlich kennenlernte. Dirk ist einfach ein wunderbarer Mensch und einer der besten zehn oder zwölf Spieler in der Geschichte der NBA. Punkt.

SPOX: Und der beste Shooter aller Zeiten?

Carlisle: Können Sie mir einen besseren Shooter nennen?

SPOX: Nicht wirklich.

Carlisle: Sehen Sie, ich kann es auch nicht. Eines steht definitiv fest: Auf seiner Position hat es noch nie einen Typen gegeben, der so gut schießt wie Dirk Nowitzki. Egal ob nahe zum Korb, Mid-Range oder aus der Distanz. Da gibt es keinen wie Dirk.

SPOX: Die gemeinsam gewonnene Meisterschaft wird Sie für immer mit Dirk verbinden. Was war für Sie das ganz Besondere an diesem Championship-Run der Mavs?

Carlisle: Wenn ich jetzt an den Moment in Miami denke, direkt nach dem Sieg in Spiel 6 und wie Dirk in die Kabine rannte, das war pure Ekstase. Das absolut Wichtigste an der Championship war, dass wir alle so glücklich waren für Dirk. Wir haben uns alle am meisten für ihn gefreut. Wenn du in unserer Liga und in unserem Sport ein Champion wirst, dann hast du den Gipfel des Berges erreicht. Ab diesem Moment kann dich niemand mehr kritisieren für irgendwas, was du nicht geschafft hast. Wenn du den ultimativen Erfolg einmal hattest, dann bist du einer der Größten aller Zeiten. Dass Dirk diesen Punkt mit dem Titel erreichte, hat die größte Bedeutung für uns.

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SPOX: Jetzt ist Dirk nicht mehr der Jüngste, sein Scoring ist natürlich etwas nach unten gegangen. Aber er hat immer noch Abende, an denen er das Spiel übernimmt und für die Mavs entscheidet.

Carlisle: Natürlich hat sich Dirks Rolle bei uns ein bisschen verändert. Natürlich achten wir sehr genau darauf, wie viele Minuten er spielt und dass die Belastung nicht zu hoch ist. Aber Dirk ist immer noch einer der besten Spieler der Liga, der jederzeit ein Spiel für uns entscheiden kann. Ich sage es immer wieder: Unterschätze niemals die ganz Großen!

SPOX: Sie haben vorhin schon angesprochen, wie sehr Sie ihn auch als Mensch schätzen. Was macht Dirk Nowitzki abseits des Courts für Sie aus?

Carlisle: Ich kenne Dirk jetzt schon lange, ich war in seiner Heimat in Würzburg und habe seine Familie kennengelernt. Dirk ist ein ganz besonderer Typ. Er hat über die Jahre eine unglaubliche Loyalität gegenüber Mark Cuban und den Mavs bewiesen. Das ist auch der Grund, warum ihn in Dallas alle lieben. Er wird als einer der am meisten vergötterten Sportler in die Geschichte der Stadt eingehen, zusammen mit Legenden wie Roger Staubach, Troy Aikman, Mike Modano oder Emmitt Smith. Das ist eine Liste mit ganz großen Namen, Dirk gehört nicht nur dazu, er steht sogar ganz oben.

Seite 1: Carlisle über die erste Begegnung mit Dirk und seine aktuelle Rolle

Seite 2: Carlisle über die Titelchancen der Mavs und die Probleme eines Coaches

SPOX

SPOX: Das Ziel der Mavs ist, in den letzten Jahren von Dirks Karriere noch mindestens einen ernsthaften Anlauf auf die Championship zu unternehmen. Haben Sie das Gefühl, dass es in dieser Saison ein spezieller Playoff-Run werden könnte? Nach den letzten Eindrücken sieht es ja nicht gerade so aus.

Carlisle: Ich weiß, dass es langweilig ist, aber wir schauen wirklich nur von Tag zu Tag. Der Westen ist in dieser Saison komplett offen. Einige Teams haben zwar eine bessere Bilanz, aber es gibt im Westen kein perfektes Basketball-Team. Zuletzt lief es nicht so optimal, aber wir werden in den letzten Wochen der Regular Season weiter hart an uns arbeiten, um besser zu werden. Wir wollen uns in die bestmögliche Position bringen, um in den Playoffs weit zu kommen und uns eine Chance auf den nächsten Titel zu erarbeiten.

SPOX: Jeder Basketball-Fan in Deutschland würde Dirk einen zweiten Ring von Herzen gönnen, aber wenn Dallas weit kommt, schmälert es die Chancen auf eine Nowitzki-Teilnahme bei der EM im September...

Carlisle: Was möglicherweise im Sommer passieren könnte, ist aktuell noch weit weg. Wir müssen uns erstmal auf die NBA-Saison konzentrieren. Aber ich weiß, wie viel Dirk die Nationalmannschaft bedeutet. Als ich 2008 in Dallas meinen Job antrat, war Dirk gerade dabei, sich mit Deutschland durch das Olympia-Quali-Turnier zu kämpfen. Wenn Sie ihn nach seinen größten Highlights der Karriere fragen, wird er Ihnen sagen: Die NBA-Championship und die Olympia-Teilnahme. Das deutsche Nationaltrikot anzuziehen, war für Dirk immer ein großer Teil seines Lebens.

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SPOX: Nicht nur Dirk erreicht Meilensteine, Sie haben in dieser Saison Ihren 600. Sieg als Head Coach gefeiert. Herzlichen Glückwunsch!

Carlisle: Danke. Aber ganz ehrlich: Diese Marke bedeutet mir nicht viel, ich führe nicht Buch über meine Siege. Ich hatte einfach das Glück, dass ich in einigen tollen Klubs mit tollen Besitzern arbeiten durfte. Erst in Detroit und in Indiana, dann in Dallas mit Mark Cuban. Ich hatte vor allem das Glück und das Privileg, fantastische Spieler in meinen Teams zu haben. Ob das Chauncey Billups oder Ben Wallace bei den Pistons waren, Reggie Miller oder Jermaine O'Neal bei den Pacers, oder Dirk, Jason Kidd, Jason Terry, Shawn Marion oder Tyson Chandler bei den Mavs - es war ein Segen für mich, mit solchen Spielern zusammenarbeiten zu dürfen.

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SPOX: Coaching ist aber nicht immer nur ein Segen und Traumjob, da muss man nur an den Super Bowl denken und Pete Carroll fragen.

Carlisle: Pete Carroll ist ein unglaublicher Coach, der mit den Seahawks den Super Bowl gewonnen und zweimal in Folge den Super Bowl erreicht hat. Ich bin zu hundert Prozent sicher, dass er nächste Saison wieder sehr weit kommen wird mit Seattle. Aber es ist nun mal so im Coaching-Business: Wenn du dich entscheidest, Coach zu werden, dann musst du wissen, was auf dich zukommt. Nämlich extreme emotionale Ausschläge. Unglaubliche Höhen, aber auch unglaubliche Tiefen. Manche Abende laufen hervorragend, manch andere sind eine einzige Enttäuschung, solche hatten wir in letzter Zeit wieder einige. Aber hey, wenn du keine Tiefpunkte erleben willst, dann gibt es normalerweise in der Nähe immer auch ein Schild, auf dem steht: Ausgang. Du kannst immer abhauen.

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SPOX: Sie sind als Coach unter anderem bekannt dafür, sehr viel aus Ihren Timeouts zu machen. Manchmal erinnern Sie Ihre Spieler nur an ein besseres Ballmovement, aber häufig sagen Sie natürlich situativ bestimmte Plays an, um zum Beispiel nach einer Auszeit Dirk in Fahrt zu bekommen. Sehr häufig klappt das auch. Worauf achten Sie?

Carlisle: Das Timeout-Management ist in erster Linie auch eine Erfahrungssache. Man lernt aus Fehlern und man sieht mit der Zeit, in welchen Situationen was wie gut funktioniert hat. Nichts ist im Basketball perfekt. Ich will eigentlich gar nicht unbedingt immer Plays ansagen. Ich will, dass wir unseren Spieler beibringen, wie sie ein Play laufen müssen und dass sie den Spielzug dann oft intuitiv von selbst ausführen. Und eines kann ich Ihnen auch sagen: Gerade in der Crunchtime und wenn es um letzte Würfe geht, siehst du als Coach immer besser aus und wirst immer mehr Erfolg haben, wenn du Spieler wir Dirk Nowitzki in deinen Reihen hast, denen du den Ball geben kannst. (lacht)

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Der Kader der Mavs im Überblick