Die Washington Wizards sind in einer epischen Schlacht nach sieben Spielen gegen die Boston Celtics aus den Playoffs ausgeschieden. Warum konnten John Wall und Co. die Serie nicht für sich entscheiden? Wie sehen die Planungen im Sommer aus? SPOX hat für Euch die wichtigsten Fragen beantwortet.
Was fehlte den Wizards zum Sieg?
Ganz einfach: Eine funktionierende Bank. Vor allem im TD Garden war die Reserve teilweise nicht vorhanden. Das beste Beispiel war dafür alleine Game 7. Washington gelangen magere fünf (!) Punkte, alle kamen von Bojan Bogdanovic. Neben dem Kroaten wurde nur Ian Mahinmi länger als zehn Minuten eingesetzt.
Der Vergleich zu den Celtics? Jaylen Brown, Marcus Smart und allen voran Kelly Olynyk kamen gemeinsam auf 48 Punkte und standen alle mindestens 20 Minuten auf dem Parkett. Da verwundert es nicht, dass den Jungs aus der Hauptstadt zum Ende hin ganz einfach die Puste ausgegangen ist.
John Wall konnte seine große Stärke, den Zug zum Korb, in der zweiten Halbzeit überhaupt nicht mehr einsetzen und beendete das wichtigste Spiel seiner Karriere mit elf Fehlwürfen am Stück. Da reichte selbst eine heroische Performance von Bradley Beal nicht, der sein Team in der Schlussphase lange alleine im Spiel hielt.
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Insgesamt fehlte es den Wizards an der Tiefe. Im Front Court war auf Dauer nur Markieff Morris eine verlässliche Unterstützung für den famosen Backcourt. Otto Porter Jr. war nur im Entscheidungsspiel effektiv, zuvor kämpfte er über die ganze Serie mit seinem Wurf. Marcin Gortat meldete sich ab Game 4 gänzlich von seinen offensiven Aufgaben ab und Mahinmi oder Jason Smith waren überhaupt kein Faktor.
Der Siedepunkt in dieser Problematik wurde im sechsten Spiel erreicht. In der zweiten Halbzeit des Elimination-Game erzielten Morris, Wall und Beal 51 von 51 Punkten. Auch am hinteren Ende des Feldes kamen die Big Men aus D.C. nicht mit den wendigen und wurfstarken Bigs der Kelten zurecht.
"Wir haben ihre Shooter etwas zu oft aus den Augen verloren. Ihre Vierer und Fünfer können den Dreier treffen und das hat uns Probleme bereitet. Da kannst du dir verpasste Rotationen nicht leisten", stellte Scott Brooks auf der Pressekonferenz nach dem Spiel ernüchternd fest.
Der Qualitätsverlust ohne die beiden Außnahme-Guards ist dabei verheerend. Das weiß auch Brooks. Daher setzte der 51-Jährige seinen Backup-Guard Brandon Jennings auch nur sechs Minuten ein. Die geringe Spielzeit reichte allerdings, um zu sehen, dass Jennings ein Fremdkörper im Spiel war. Der Dreier ist bei dem 27-Jährigen quasi nicht vorhanden und in der Defense verschlief er einige Rotationen, die zu einfachen Layups für Boston führten.
Warum Brooks Kelly Oubre Jr. im letzten Spiel allerdings praktisch keine Spielzeit gewährte, bleibt ein großes Fragezeichen. Der Sophomore überzeugte im Laufe der Saison zunehmend mit seiner aggressiven Defense. In der Postseason konnte Oubre auch seine Quote von Downtown von 28,7 Prozent auf respektable 36,7 Prozent hochschrauben. Selbst mit seinem jugendlichem Ausraster gegen Olynyk und dem damit verbundenen Rauswurf aus Game 3 entfachte der Small Forward Energie und gab seiner Mannschaft einen Push.
"Ich wollte die Rotation definitiv verkleinern. Mir war bewusst, dass unserer Starter dafür viele Minuten absolvieren müssen, aber ich wollte nur das Möglichste tun, um das Spiel zu gewinnen."
Brooks drückte seine Enttäuschung über die Niederlage klar aus, wollte und konnte vielleicht seine Entscheidung gegen Oubre aber nicht erklären. Dem Trainer fehlte es wohl am Vertrauen am Youngster. Am Ende des Tages war die Tiefe und der Heimvorteil der Celtics in einer ganz engen Serie ausschlaggebend für Sieg oder Niederlage.
Was geschieht mit Otto Porter Jr.?
Der Small Forward spielte trotz seiner eher schwachen Playoffs eine starke Saison und wird jetzt Restricted Free Agent. Ob es nun gerechtfertigt ist, Porter einen Maximalvertrag anzubieten, lassen wir mal dahingestellt. Dennoch ist es mehr als wahrscheinlich, dass es Teams geben wird, die den Flügelspieler unbedingt verpflichten wollen.
Die Wizards werden aufgrund des angedeuteten Potenzials keine Wahl haben und den 23-Jährigen um jeden Preis halten wollen - zur Not eben mit einem Max-Deal. Das hat sich Porter mit einer starken Regular Season erarbeitet. Der dritte Pick des 2013er Jahrgangs sammelte mehr Punkte und Rebounds pro Spiel als in den vergangenen Jahren.
Außerdem hat er seinen Distanzwurf nochmal erheblich gesteigert und traf in der abgelaufenen Saison 43,4 Prozent. Auch Scott Brooks schätzt die Qualitäten seines vielseitigen Forward.
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"Er ist ein eiskalter Schütze, der selten wackelt. Egal ob es aus der Mitteldistanz ist oder von Downtown, er ist unheimlich konstant und spielt mit einer Menge Selbstvertrauen. Jedes Mal wenn er einen Wurf an den Ring setzt wundere ich mich. Das ist ein sehr gutes Gefühl für einen Trainer."
Darüber hinaus sind die Anlagen wirklich vielversprechend: Porter überzeugt mit seinen cleveren Laufwegen abseits des Balls und ist für seine Position ein starker Rebounder am offensiven Brett bekannt. Seine Kernkompetenz liegt aber in der Verteidigung. Mit einer Armspannweite von 217 Zentimetern kann er jedem Gegenspieler den Wurf erschweren und sorgt häufig für Deflections oder gar Steals.
Für die Wizards dürfte allerdings das entscheidende Argument für eine teure Verlängerung darin liegen, dass Porters Spielweise perfekt zu Wall und Beal passt. Er nimmt sich nicht zu wichtig und steht den beiden Stars nicht im Weg. Der Flügelspieler verrichtet die dreckige Arbeit, welche nicht immer im Statistikbogen zu sehen ist. Daher werden die Wizards alles dafür tun, um Porter in der Hauptstadt zu halten.
Wie viel Spielraum haben die Wizards für die Offseason?
Angesichts des wahrscheinlich teuren Deals für Porter hat Washington fast keinen Spielraum für namhafte Free Agents. Für die kommenden beiden Jahre hat General Manager Ernie Grunfeld jetzt schon vier Spieler unter Vertrag, die einen zweistelligen Millionenbetrag einnehmen werden.
Darunter ist vor allem Mahinmi, der sogar in den nächsten drei Jahren mit 16 Millionen Dollar in den Büchern steht. Für einen verletzungsanfälligen Backup-Center ist das schlicht und ergreifend zu viel Geld. Neben Wall und Beal verdient außerdem Gortat in den kommenden Jahren mit durchschnittlich 13 Millionen Dollar eine stattliche Summe. Der Pole ist ein solider Center in der NBA - mehr allerdings nicht.
Das wurde vor allem gegen Boston deutlich. Robin Lopez zeigte in der Erstrundenserie gegen die Celtics, dass ein durchschnittlicher Center gegen die Kobolde wie ein All-Star aussehen kann. RoLo ackerte am offensiven Brett und verwertete einen Fehlwurf nach dem anderen. Und das sogar in weit weniger Spielzeit als Gortat.
Der "Polish Hammer" konnte die Probleme von Boston nur zu Beginn der Serie nutzen. Besonders in der Defense sah Gortat gegen die mobilen Bigs der Celtics zunehmend schlecht aus. Horford, Olynyk und Co. zogen den Center aus seiner Komfortzone und beschäftigten den 33-Jährigen vermehrt am Perimeter. Dort konnte Gortat seine Stärke in der Zone nicht ausspielen und wirkte teilweise überfordert.
In der modernen NBA stirbt der Spielertyp eines Mahinmi oder Gortats aus, daher können die Wizards sich nicht leisten, knapp 30 Millionen Dollar für ihre limitierten Center zu bezahlen. Grunfeld muss es schaffen, einen der beiden in einem Trade abzugeben und im Idealfall einen Big Man mit Stretch-Qualitäten zu ergattern. Allerdings wird es zumindest bei Mahinmi eine Herkulesaufgabe einen soliden Gegenwert im Austausch zu bekommen.
Außerdem muss man sich in der Hauptstadt auf der Position des Point Guard verstärken. Hinter Wall klafft eine Riesenlücke. Jennings hat nicht mehr das Format, um einem Team mit hohen Ambitionen zu helfen. Trey Burke bekam in der ganzen Serie maximal in der Garbage Time Minuten. Beide Spieler werden wohl kaum in D.C. bleiben: Burke wird wie Porter Restricted Free Agent und Jennings hatte ohnehin nur für ein halbes Jahr unterschrieben.
Der während der Saison ertradete Bogdanovic wird ebenfalls RFA. Da Grunfeld für den Kroaten vor der Trade-Deadline einen First Rounder abgegeben hat, werden die Wizards darin interessiert sein, Bogdanovic zu halten. Aber auch das kann im Zweifel teuer werden.
Da Washington nicht die Strahlkraft der Cleveland Cavaliers hat und mal eben einen Spieler des Formats Deron Williams zum Minimum verpflichten kann, wird es ganz schwierig sich effektiv zu verstärken. Wenn die Wizards Mahinmi oder Gortat nicht abgeben können und Porter ohnehin einen wertvollen Deal anbieten, hat man so gut wie keinen Spielraum für weitere Verstärkungen.
Wie ist die Saison insgesamt zu bewerten?
"Wir sind gerade wirklich sehr enttäuscht. Besonders nach so einer harten Niederlage ist es schwierig, die Jungs wieder aufzubauen." Scott Brooks fand zwar keine kreativen Worte, ehrlich und verständlich waren sie aber allemal. Mit ein wenig Abstand werden jedoch alle Anhänger, Verantwortliche und Spieler durchweg positiv auf die Saison zurückblicken.
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Besonders nach dem katastrophalen Saisonstart (2-8) war der Aufschrei in der Hauptstadt groß, jedoch stabilisierte Scott Brooks das Team nach dem Rumpelstart und formte schnell eine der besten Heimmannschaften der Liga. An einem Punkt der Saison gewann man sogar 17 Spiele in Folge im Verzion Center.
In der zweiten Saisonhälfte spielte Washington furiosen Basketball und wurde von den Medien innerhalb von wenigen Wochen von einem Lottery Team zur zweitbesten Mannschaft im Osten erkoren. Brooks war es wichtig, dass dieser Umschwung nicht als selbstverständlich betrachtet wird.
"Man darf nicht vergessen: Wir mussten zur neuen Saison neun neue Spieler integrieren und haben dabei den ganzen Coaching-Staff ausgetauscht. Es ist uns gelungen, eine Identität zu entwickeln", sagte der Wizards-Trainer stolz nach dem Spiel. "Wir haben über die Saison ziemlich guten Basketball gezeigt, dennoch gibt es noch einiges zu verbessern. Das Gute an unserem Team ist, dass wir eine Menge junger Spieler haben und wir uns daher weiterentwickeln und nächstes Jahr noch besser spielen werden. Ich sehe uns auf einem guten Weg für die Zukunft."
Wall, Beal und Porter haben jeweils die beste Saison ihrer Karriere gespielt und Oubre hat nach einer enttäuschenden Rookie-Saison den nächsten Schritt gemacht. Nicht viele Experten hätten den Wizards vor der Saison zugetraut, dass sie mit dem neuen Coach und dem dünnen Kader so schnell wieder beim Konzert der Großen mitspielen dürfen. Daher war die Spielzeit in jedem Fall ein Erfolg.
Wie viel Potenzial steckt noch in den Wizards?
Der Kern der Wizards ist tatsächlich noch ziemlich jung und hat seine Prime entweder noch vor sich oder kommt gerade in die beste Phase als Basketballer. Porter und Beal sind gerade einmal 23 Jahre jung, Wall und Morris haben 26 bzw. 27 Jahre auf dem Buckel.
Besonders Wall hat in der abgelaufenen Saison sein Spiel auf ein neues Level gehoben. Der Point Guard setzt seine Atheltik nun dosierter ein, auch wenn er ab und zu immer noch mit dem Kopf durch die Wand will. Dennoch ist er seit Jahren einer der besten Passgeber der Liga.
Wall hat sich darüber hinaus auch als Persönlichkeit und Führungsspieler enorm entwickelt. Auch wenn der Wurf im entscheidenden Spiel nicht mehr fallen wollte, hat Wall spätestens mit seinem Gamewinner in Spiel sechs bewiesen, dass er ein Spieler für die ganz großen Momente ist.
Nach der Partie musste er sich noch gemeinsam mit Beal der Presse stellen. Der ehrgeizige Wall wirkte völlig niedergeschlagen. "Es ist wirklich hart. Wir haben uns eine atemberaubende Serie geliefert und haben leider knapp den Kürzeren gezogen. Das ist für mich keine befriedigende Saison", sagte Wall in seiner Enttäuschung. Aber genau diese Einstellung zeichnet einen Leader aus. Er hat das Herz eines Champions.
Auch Beal hat in den Playoffs gezeigt, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Mit unglaublichen individuellen Leistungen hielt er seine Mannschaft in den beiden letzten Spielen der Serie fast im Alleingang im Spiel. Dabei punktete der 23-Jährige wie er wollte: Ob per Dreier, Drive oder an der Freiwurflinie, Beal brachte die Wizards immer wieder zurück. Von ihm kann in der Zukunft ebenfalls noch großes erwartet werden.
Neben den vielen teuren Verträgen muss zudem erwähnt werden, dass Morris für rund acht Millionen Dollar beim heutigen Cap eher ein Schnäppchen ist. Der 27-Jährige hat sich nach den Strapazen bei den Phoenix Suns in Washington eingelebt und hat spätestens in der Postseason gezeigt, dass er ein wichtiger Faktor sein kann, so lange er seine Nerven im Griff hat und sich nur auf Basketball konzentriert.
Zudem hat sich Porter wie erwähnt prächtig entwickelt und mit Oubre könnte noch ein weiterer Shooting Star heranwachsen. Das hofft auch Scott Brooks. "Kelly Oubre hat eine große Zukunft vor sich. Ich liebe seine Arbeitseinstellung. Er gibt in der Trainingshalle immer alles. Ich bin mir sicher, dass er nächste Saison noch besser wird", sagte der Wizards-Coach.
Washington ist in seiner Entwicklung noch lange nicht fertig. Brooks hat in Oklahoma bewiesen, dass er ein Händchen dafür hat, einen jungen Kern zu einem der besten Teams der Liga zu formen. Dafür muss aber das Front Office im Sommer die richtigen Entscheidungen treffen, denn selbst der Backcourt der Hauptstädter wird alleine keinen Blumentopf gewinnen können.