Ab in den Post, LeBron!

Martin Klotz
09. Juni 201718:27
LeBron James hatte 2016 mit seinem Post-Spiel zeitweise Erfolggetty
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Drei Spiele der NBA Finals sind absolviert, den Golden State Warriors fehlt ein Sieg zur Championship. Doch in Spiel 3 waren die Cleveland Cavaliers dicht dran. Coach Tyronn Lue hat fünf Möglichkeiten, die Hoffnung in Ohio mit einem Sieg in Spiel 4 (ab 3 Uhr live auf DAZN) wieder aufleben zu lassen. SPOX stellt sie vor.

Korver für Thompson in die Starting Five

Tristan Thompson war bisher kaum ein Faktor in der Serie. Über drei Spiele kommt er auf 2,9 Punkte sowie 3,7 Rebounds. Zum Vergleich: In den Finals 2016 trug TT 10,3 Punkte und 10,1 Rebounds zum Titel bei.

Das hängt natürlich auch mit Thompsons Spielminuten zusammen, die deutlich gefallen sind. Waren es in den Vorjahres-Finals noch rund 32, sind es nun gerade mal 22. Aber auch in den ersten drei Postseason-Runden dieses Jahr sah Thompson im Schnitt 33 Minuten, erst mit Beginn der Finals wurde seine Rolle kleiner.

Die Small-Ball-Lineups von Golden State zwingen Coach Lue oftmals dazu, seinen besten Rebounder auf der Bank zu lassen. Denn eigentlich kann er Thompson nur bringen, wenn Zaza Pachulia oder JaVale McGee auf dem Feld stehen.

Dass Thompson bisher unterirdisch spielt, trägt natürlich auch seinen Teil zu den wenigen Spielminuten bei. Würde er den Cavs wie letztes Jahr mit 3,8 Offensiv-Rebounds pro Spiel mehrere zusätzliche Possessions bescheren, könnte er Steve Kerr damit zwingen, durchgängig mit echtem Center zu spielen. Mit seiner Energie hatte Thompson großen Anteil am Comeback nach 1-3. Doch davon ist in diesem Jahr nicht zu sehen.

Nach einem schwächeren ersten Spiel zeigte Kyle Korver dagegen in den beiden folgenden Partien seinen Wert. Der liegt nicht etwa nur darin, Dreier zu treffen. Auch, wenn er sie nicht versenkt, hilft er Cleveland. Das deutlich bessere Spacing und damit zusätzlicher Platz für LeBron James und Kyrie Irving sollte das beste Argument pro Korver sein.

Mit dem Scharfschützen auf dem Court hatten die Cavs im dritten und Anfang des vierten Viertels ihre beste Phase. Clevelands Small Ball sorgte sogar dafür, dass Steve Kerr seine Aufstellung anpassen und seine geplante Rotation verändern musste.

Im Gegensatz zu den Playoffs in der Eastern Conference haben die Schützen der Cavs aufgrund der starken Defense der Warriors deutlich weniger Zeit, wenn sie ein Pass von James oder Irving für einen Moment unbewacht an der Dreierlinie findet.

In Spiel 3 zeigte Korver par excellence, dass ihm auch ein paar Hundertstelsekunden genügen, um einen Longball reinzuschweißen. Seine drei Treffer trugen wesentlich dazu bei, dass Cleveland das beste dritte Viertel der Serie spielte und den wichtigen Abschnitt mit 11 Punkten gewann.

Würde Lue Korver von Anfang an spielen lassen, hätte James mehr Platz für seine gefährlichen Drives - eine von zwei tödlichen Waffen, die die Cavs besitzen. Zudem ist Korver trotz seiner 36 Jahre ein guter Defender. Und davon kann man gegen Golden State nie genug auf dem Feld haben.

Die Gefahr, die offensiv von Pachulia ausgeht, ist minimal. Dementsprechend könnte auch Kevin Love den Center geben, sogar James auf der Fünf ist in dieser Aufstellung zeitweise denkbar.

Mehr "echtes" Pick-and-Roll

Sollte sich Lue dafür entscheiden, Thompson trotz aller Schwierigkeiten als Starter zu bringen, muss er ihn mehr einbinden. Was bislang im Spiel der Cavs völlig fehlt ist das High Pick-and-Roll mit Eins und Fünf, also Point Guard und Center.

Stattdessen laufen die Cavs den Spielzug fast ausschließlich, um Switches und damit Mismatches für LeBron oder Kyrie zu kreieren. Daran anschließend folgt dann oft eine Iso-Aktion in Richtung Zone, während die anderen vier Spieler die Helpside-Defender mit Off-Ball-Screens beschäftigen. Das Ziel ganz klar: Layup oder Kickout-Pass zum Dreier.

Dieser Fokus ist verständlich, doch die Warriors haben sich darauf eingestellt. Und die Quote der Cavs von Downtown lässt mehr als zu wünschen übrig. Über die Serie treffen sie lediglich 29,8 Prozent. Das sind knapp drei Prozentpunkte weniger als das schlechteste Team in der Regular Season, die Oklahoma City Thunder.

Die Warriors haben sich defensiv dazu entschieden, LeBron und Kyrie gewähren zu lassen, damit die sich mit ihren Einzelaktionen müde spielen. Dementsprechend eng verteidigen sie den Perimeter. Den Dubs geht außer mit Kevin Durant auf der Fünf jegliche Rim Protection ab.

Das könnte eine Chance sein, um das klassische High-Pick-and-Roll mit einem der beiden Stars als Ballhandler und Thompson als Finisher aus der Mottenkiste zu kramen.

Ein paar gelungene Abschlüsse am Ring oder Durchstecker von Thompson zu den durch die Hilfe freiwerdenden Mitspielern und sofort müssten die Warriors auch den abrollenden Big Man respektieren. Das würde ohne den großen physischen Aufwand von Isolations Räume öffnen - und Kerr müsste seine Verteidigungsstrategie anpassen.

Tempo drosseln, LeBron in den Post

"Wir spielen keinen langsamen Basketball, das ist nicht unser Spiel. Wir spielen unsere Pace, unser Spiel. Wir sind auf diesem Weg bis zu diesem Punkt gekommen. Wir haben auf diese Art viele Spiele gewonnen, deswegen werden wir das nicht ändern."

Die Aussage von LeBron James nach Spiel 2 war eindeutig. Und auch Lue erklärte, dass er unbedingt am schnellen Tempo festhalten wolle: "Wir nehmen gute Würfe, wenn wir mit Pace spielen und den Ball nicht verlieren. Ich bin zuversichtlich, dass wir so spielen können, wir haben es auch letztes Jahr getan. Viele Leute dachten damals, dass wir es nicht können. Aber so ist unser Spiel, so sind wir. Das ändern wir nicht, nur weil wir gegen Golden State spielen."

Grundsätzlich ist gegen Kontinuität nichts zu sagen, doch diese Finals sind einfach anders. Der Gegner ist nicht ein dahergelaufenes Team der Eastern Conference, das dürfte sich nach drei Niederlagen in Serie auch schon in Ohio rumgesprochen haben.

Und schaut man auf die Pace, dann haben beide Teams sogar noch einen Zahn zugelegt. Cleveland hatte in den ersten drei Runden der Postseason 99 Possessions pro Spiel, die Warriors standen bei 103. In den Finals beträgt das Tempo nach drei Spielen 104,75.

Im Vergleich zu den beiden Finals zuvor, in denen sich auch die Cavs und Warriors gegenüberstanden ist das eine ultimative Beschleunigung. 2015 betrug die Pace der Serie noch 94,8. 2016 waren es immer noch entspannte 95,4.

Hauptgrund dafür waren nicht die Dubs, die schon damals schnell spielten. Es war das Tempo der Cavs, das Lue bewusst verschleppen ließ. Ein langsamer und durchdachter Spielaufbau im Halfcourt war das Mittel der Wahl - und augenscheinlich fuhr Cleveland damit deutlich besser.

Also: Ab in den Post, LeBron! Das war in den Finals im vergangenen Jahr ein probates Mittel, um die Warriors unter Druck zu setzen. Aufgrund ihrer starken D öffnen sich durch Drives nur selten Räume. Daher wäre es nur logisch, den besten Spieler der Welt im Post anzuspielen. Von dort aus hat James zudem gute Passwinkel für Cutter. Ein Doppel-Team könnte dann mit Dreiern durch den freien Mann bestraft werden.

Zwar ist auch Bully-Ball auf Dauer körperlich aufreibend, doch die fehlende Gegenwehr der Warriors im Post könnte James zugutekommen. Darüber hinaus dürfte Irving ein wenig mehr Aufbauarbeit übernehmen und LeBron erst füttern, wenn er in Position ist. So könnte der King entscheidende Körner für die Crunchtime sparen.

Switches abstellen

Auch in der Verteidigung gibt es eine Option für Lue. Wie die Dubs switchen die Cavs nahezu jedes Pick-and-Roll. Das mag auf den ersten Blick die einzig denkbare Antwort gegen die Feuerkraft aus Kalifornien sein, doch es gibt noch eine andere Option.

Die Cavs könnten es mit einem simplen Hedge-and-Recover versuchen, um nicht jedes Mal ein Mismatch durch die Pick-and-Rolls in Kauf nehmen zu müssen. Natürlich muss das Übergeben dabei nahezu perfekt sein, um keinen Wurf das Ballhandlers zu erlauben, doch es ist machbar.

Wenn von den drei übermenschlichen Shootern Durant, Stephen Curry und Klay Thompson nur zwei auf dem Feld stehen, könnte Lue auch zu seiner Taktik aus den East Playoffs zurückkehren und den Ballführer trappen, also nach dem Pick durch beide Verteidiger zustellen.

Das ging zwar in der ersten Minute von Spiel 1 erst einmal in die Hose, doch wenn Spieler wie Pachulia, Ian Clark oder auch David West auf dem Court stehen, dann sollte Cleveland gerade sie zwingen, den Wurf zu nehmen und zu verwandeln. Harrison Barnes hat heute noch Albträume davon.

Bank-Rotation verändern

Deron Williams - wer ist das eigentlich? In den aktuellen Finals könnte man denken, der Ex-All-Star wäre gar nicht dabei, so schwach präsentiert sich D-Will. Nicht umsonst wurde sein Wert in Spiel 3 in den sozialen Medien mit einem Teller Spargel verglichen.

Es scheint, als sei Williams an der Seite von LeBron jegliches Selbstbewusstsein abhanden gekommen. Im vergangenen Jahr bildete er mit Dirk Nowitzki zwischenzeitlich noch das ligaweit gefährlichste Duo im vierten Viertel - nun trägt selbst Rihanna mehr zum Spiel bei.

Entweder Lue gibt D-Will einmal wirklich mehr Spielzeit, damit er einen Groove für die Serie bekommen kann, oder er kann ihn komplett auf der Bank lassen. Diese Kurzeinsätze sind überhaupt nichts für den 32-Jährigen.

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Nach äußerst schwachen Spielen zu Beginn hat J.R. Smith seinen Wurf zwar halbwegs wiedergefunden, doch seine Entscheidungen sind nach wie vor zweifelhaft - und das nicht nur in der Defensive.

Die erste und schon von vielen Beobachtern für Spiel 3 geforderte Option heißt Iman Shumpert. Zwar fiel der Mann mit der kuriosen Frisur in der letzten Partie nicht nur positiv auf, doch er ist einer der wenigen bei den Cavs, der mit seiner Körpersprache signalisiert, dass er gewinnen will.

Spiel 1 und 2 waren gut, als Defender machte er trotz der Größennachteile selbst gegen Durant eine solide Figur. Die Minuten von Williams sowie der Startplatz und ein wenig Spielzeit von Smith würden ihm gut zu Gesicht stehen.

Richard Jefferson merkt man die 36 Jahre inzwischen echt an. Der ehemalige Highflyer zeigte zwar in Spiel 3 starken Einsatz, doch man merkt, dass es bei ihm nicht mehr reicht. Sein Dreier ist stets zu kurz, dazu die Drives zu wenig kraftvoll, als dass etwas Zählbares dabei herausspringen würde.

Eine Alternative könnte Derrick Williams sein. Der ehemalige No. 2 Pick ist ein deutlich besserer Scorer und könnte die freien Würfe wohl besser treffen als Jefferson.

RJ häte gegen Durant deutliche Nachteile in der Defensive. Williams ist zwar auch nicht gerade ein Verteidigungs-Spezialist, doch zumindest könnte er ihn mit seiner Länge ärgern oder sich auch mal um Love kümmern.

Große Probleme offenbarte Cleveland beim Rebound und ermöglichte Golden State zu viele Second-Chance-Points. Diese Kategorie ging in allen drei Partien an die Warriors. Ein etwas längerer Spieler wie Williams, der auch von außen treffen kann (40,4 Prozent in der Saison mit den Cavs), könnte daher nicht schaden.

Einen Versuch ist es wert, genau wie eine der anderen Varianten. Cleveland hat nur noch eine einzige Chance, den Sweep abzuwenden - und Lue nur etwas zu verlieren, wenn er in Spiel 4 nichts verändert.

Die Serie im Überblick