Die Cowboys stehen vor einer harten Saison, dennoch rühmt sich Big D mit seinem noch immer vorhandenen Ruf als "America's Team". Eigentümer Jerry Jones verteidigt den Status wo er nur kann, hat aber selbst seinen Anteil am sportlichen Abstieg. Gleichzeitig braucht Dallas die Show, was für einen schwierigen Spagat sorgt. Doch wo es in den USA am meisten zählt, sind die Cowboys seit längerem nicht mehr "America's Team".
Wenn Jerry Jones dieser Tage gefragt wird, ob seine Cowboys den Titel "America's Team" angesichts ihrer schwachen Leistungen in den vergangenen Jahren noch verdienen, verweist er nur zu gerne auf die Errungenschaften außerhalb des Platzes.
"Die Cowboys waren zwar seit einigen Jahren nicht mehr in den Playoffs, aber wir sind die größte TV-Show, die es gibt. Wir haben bessere Einschaltquoten als jedes andere Team", erzählt Jones dann stolz: "Wenn die Cowboys spielen, verzeichnet die Liga mit ihre besten Quoten. Und woran liegt das? Weil wir für Aufregung und Reize sorgen."
Und tatsächlich beruft er sich damit sogar auf die Wurzeln des berühmten Spitznamens. Dieser tauchte erstmals 1978 im Highlight-Film des Teams auf, in dem Erzähler John Acena die von Bob Ryan geschriebene Einleitung vorliest: "Sie erscheinen so oft im Fernsehen, dass ihre Gesichter den Menschen genauso bekannt sind wie die von Präsidenten und Filmstars. Sie sind die Dallas Cowboys, America's Team."
Love 'em or hate 'em
Keine Frage: Geht man nach beinahe allen Punkten außerhalb des Sportlichen, kann man Acenas Aussage unterschreiben. Vor einigen Wochen wurde Dallas wieder einmal als das Sportteam Amerikas mit den meisten Fans ausgezeichnet, noch vor den Pittsburgh Steelers, den Green Bay Packers und den New York Yankees.
Jährlich durchgeführte Studien bestätigen dieses Bild, darüber hinaus polarisiert Dallas wie kein anderes Team: Man liebt sie oder man hasst sie. In TV-Quoten bedeutet das aber gleichzeitig: Auch Cowboys-Hasser schauen die Spiele, weil sie das Team scheitern oder Quarterback Tony Romo im Schlussviertel wieder einmal patzen sehen wollen.
Big D braucht die Öffentlichkeit, im Gegensatz zu anderen Teams. "Wir wollen unsere Gegner mit Glitzer und Glamour platt machen", hat Jerry Jones jüngst gesagt. Doch auf dem Platz, wo es aus sportlicher Sicht letztlich zählt, verdienen die Cowboys schon lange nicht mehr den Titel "America's Team" - und zehren vielmehr von ihrer ruhmreichen Vergangenheit.
Fortschritt von Anfang an
Grund dafür ist, neben dem großen Einzugsgebiet im Football-verrückten Texas, die grandiose Basis, auf der die Cowboys begründet sind. Zwischen den 1960ern und den 80ern war Dallas den meisten Teams in Dingen wie Scouting oder Training weit voraus und gab viel Geld aus, um Talente frühzeitig zu entdecken und seine Position zu zementieren.
"Wir machten Tryouts und Camps, was damals nicht üblich war. Wir holten mehr Free Agents als sechs andere Teams zusammen, und wir waren im Scouting in den kleineren Schulen sehr aktiv", erinnerte sich der mittlerweile verstorbene Tex Schramm, Cowboys-Geschäftsführer von 1960 bis 1989, Anfang des neuen Jahrtausends: "Kein anderes Team hat da viel Arbeit rein gesteckt, aber für uns hat es sich immer und immer wieder gelohnt."
"Die Leute folgen den Sieger-Teams"
Das Resultat waren überaus erfolgreiche Drafts sowie zwanzig aufeinanderfolgende Spielzeiten mit mehr Siegen als Niederlagen zwischen 1966 und 1985. Dallas war zu dieser Zeit fast immer ein Titelkandidat und zudem in den 70ern das einzige NFC-Team, das dauerhaft mit der AFC mithalten konnte.
Dadurch spielte Dallas fast jedes Wochenende im CBS-National-Game, wodurch die Popularität weiter stieg. Bis heute hat kein Team mehr Siege beim Monday Night Football auf der großen nationalen Bühne als die Cowboys (41), mehr Post-Season-Spiele (56), Teilnahmen am NFC-Championship-Game (14) oder am Super Bowl (8).
Kurzum: Die Cowboys waren über Jahrzehnte eine der sportlich führenden Franchises und ein Siegerteam, das aufgrund seiner Erfolge mehr und mehr Fans bekam - nicht wegen des Glamours drum herum. Auch der große Cowboys-Running-Back Emmitt Smith erinnert sich: "Die Cowboys waren wie Michael Jordan und die Chicago Bulls: Sie gewannen immer. Und die Leute folgen den Sieger-Teams. Das gibt ihnen einen positiven Einfluss auf ihr eigenes Leben. Etwas, auf das sie stolz sind."
"Die Cowboys sind Amerika"
Als Smith 1990 im Draft unerwartet bis an Position 17 fiel und von den überglücklichen Cowboys geschnappt wurde, war das Team gerade seit einem Jahr im Besitz von Jerry Jones, und nach wie vor auch sportlich eines der absoluten Topteams der Liga: Es folgten Titel 1992, 1993 und 1995.
Für 151 Millionen Dollar hatte Jones die Cowboys 1989 gekauft, es war zu diesem Zeitpunkt der höchste jemals für ein amerikanisches Sportteam bezahlte Preis - und dennoch konnte er sein Glück kaum fassen. "Das ist wie Weihnachten für mich", erklärte Jones damals bei seiner Vorstellung: "Die Cowboys sind Amerika. Sie sind mehr, als nur ein Football-Team."
Am Morgen nachdem er sich mit Noch-Eigentümer Bum Bright auf die Verkaufssumme geeinigt hatte, rief ihn Bright an und berichtete, dass ein anderer Bieter zehn Millionen Dollar mehr auf den Tisch legen würde. Doch Jones lehnte den direkten Weiterverkauf mit Gewinn ab. "Ich glaube, Jerry hätte sie auch mit 100 Millionen Gewinn nicht weiterverkauft", berichtete Jones' alter Freund und Jagdkumpane Sheffield Nelson.
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Jones: "Als Geschäftsführer eine 3"
In seinem Eifer und getrieben von dem großen Wunsch, auch als Football-Macher anerkannt zu werden, inthronisierte sich Jones direkt als Geschäftsführer. Bis heute eines der größten Probleme der Cowboys, wie Jones gegenüber "ESPN" im Rahmen eines größeren Portraits jüngst indirekt zugab: "Ich würde mir als Geschäftsführer eine 3 geben. Hätten wir pro Jahr ein halbes Spiel mehr gewonnen, hätten wir eine der fünf besten Bilanzen der Liga."
Dennoch ändert Jones nichts, er will weiter alle Fäden seiner Cowboys in der Hand halten. "Die Leute können Leidenschaft mit einem zu großen Ego verwechseln - und könnten damit nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein", verteidigte Tight End Jason Witten seinen Boss: "Ich glaube, das erste, an das er nach dem Aufwachen denkt ist, dass er das Team besser machen will."
Und trotzdem liegt hier das große Problem. Jones will allen beweisen, dass er selbst ein Team zusammenstellen kann, das den Super Bowl gewinnt. Zu schmerzhaft sind für ihn die Erfahrungen mit seinem früheren Head Coach Jimmy Johnson. Zwar gewannen beide zusammen zwei Titel, doch Johnson stellte stets Jones' Anteil daran öffentlich in Frage. Für Jones ist daher noch heute der Titelgewinn mit Barry Switzer der wichtigste der drei, wie er heute stets betont: "Denn als wir die Trophäe überreicht bekamen, sagte Barry zu mir: Wir haben es auf unsere Art gemacht."
Kostspielige Fehler
Aber in seinem von Ehrgeiz getriebenen Handeln machte Jones auch Fehler und leitete ironischerweise den sportlichen Abstieg der Cowboys mit ein. Head Coach Bill Parcells wurde in Dallas nie glücklich, dazu leistete sich Jones mehrere Fauxpas bei Drafts und Trades, einst das Aushängeschild der Cowboys.
So ließ er Randy Moss 1998 im Draft durchrutschen, tauschte 2000 zwei Erstrunden-Draft-Picks gegen den 28-jährigen Receiver Joey Galloway und draftete 2001 entgegen diverser Warnungen Quarterback Quincy Carter in der zweiten Runde.
Außerdem wählte er Felix Jones statt Jamaal Charles oder Chris Johnson und tauschte 2008 einen Erst-, Dritt-, und Sechstrundenpick gegen Detroits Roy Williams und einen Siebtrunden-Pick. Nichts davon zahlte sich wirklich aus.
Knapp vorbei am Manziel-Zirkus
Zudem will Jones neben sportlichen Erfolgen auch Show, gutes Merchandise und Aufmerksamkeit. So hätte er vergangenen Mai beinahe Johnny Manziel gedraftet, obwohl Tony Romo noch langfristig und mit einigen garantierten Einnahmen unter Vertrag steht. Sein Sohn Stephen, Vizepräsident und zuständig für die Profis, verhinderte letztlich wohl, dass sein Vater die Karte für Johnny Football einreichte.
"Ich bin immer noch so unfassbar wütend", berichtete Jones einige Wochen später bei "ESPN": "Und ich werde jeden Tag wütender darüber, ihn verpasst zu haben. Hätten wir Manziel genommen, hätte er uns für die nächsten zehn Jahre Bedeutung garantiert."
Sportlich irrelevant?
Es ist dieser Spagat zwischen Glitzer und Show auf der einen, sowie sportlichem Erfolg auf der anderen Seite, der Jones so schwer fällt, auch wenn er nicht müde wird zu betonen: "Ich wollte noch nie etwas so sehr, wie den nächsten Super Bowl zu gewinnen. Sie wollen den Scheck, den ich schreiben würde, um den Dallas Cowboys den Super Bowl zu garantieren, gar nicht sehen."
Doch seit 1997 haben die Cowboys eine Bilanz von 136 Siegen und 136 Niederlagen, sowie nur einen Playoff-Sieg auf der Haben-Seite. Die letzten drei Jahre gab es jeweils acht Siege und acht Pleiten, gepaart mit einer Niederlage im jeweils letzten Saisonspiel gegen einen Division-Rivalen. Viele Teams haben die Cowboys sportlich überholt, und schaut man sich den Aderlass in der Defense vor der kommenden Saison an, dürfte sich dieser Trend vorerst fortsetzen.
Trotzdem wird Dallas auch in diesem Jahr relevant sein und die TV-Quoten erneut mit anführen. "Wenn wir nicht das beliebteste Team sind, sind wir zumindest immer das am meisten gehasste Team", blickt Jones lieber wieder weg vom rein Sportlichen: "Ich bin lieber das am meisten gehasste Team, als das zweit-beliebteste."
Forbes schätzt den Wert der Franchise aktuell auf 3,2 Milliarden Dollar, damit sind die Cowboys nach Real Madrid die zweit-wertvollste Sport-Franchise der Welt. Doch Popularität alleine reicht nicht, gerade in den USA, in denen die Siegermentalität so hoch geschätzt wird wie fast nirgends. Sind die Cowboys also noch "America's Team"? Vermutlich auf gewisse Weise schon - nur eben genau da nicht, wo es darauf ankommt.
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