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Rams-Defense entschlüsselt - Hoffnung für GB

Die Los Angeles Rams dominierten die Saints-Offense in Week 12
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Turnarounds, Cousins, Bridgewater, was hätte sein können - eure Fragen

Johannes Pressler: Was ist das größte "Was wäre wenn...?" dieser Saison?

Hier kommt man nicht um die Houston Texans herum. Was wäre gewesen, wenn Houston nicht drei seiner vier wichtigsten Spieler für die restliche Saison verloren hätte? Die Front hatte mit J.J. Watt, Whitney Mercilus und Jadeveon Clowney die Chance, Gegner komplett zu dominieren. Clowney spielt noch immer auf einem sehr hohen Level, ohne Mercilus und Watt aber fehlt der Front nicht nur individuelle Klasse, sondern vor allem auch die Flexibilität, die den Pass-Rush so gefährlich gemacht hätte.

Das brachte Houston schon in eine schwierige Lage und sorgte dafür, dass die Texans Shootouts gewinnen mussten - Deshaun Watson gab ihnen die Möglichkeit dazu. Die Offense, die Bill O'Brien um ihn herum aufgebaut hatte, war aufregend und spektakulär und es wäre spannend gewesen, zu sehen, wie sich das weiter entwickelt. Die Zukunft für die Texans sieht vielversprechend aus, in einer weitestgehend schwachen AFC aber müssen sich die Fans in Houston schon fragen, was in dieser Saison möglich gewesen wäre.

Mabe: Welches Team schafft 2018 einen ähnlichen Turnaround wie die Saints, Eagles, Rams oder Jaguars in diesem Jahr?

Den 49ers traue ich einen schnellen Turnaround zu, wenn sich Jimmy Garoppolo tatsächlich zügig in der Offense zurechtfindet. Die Niners haben in der Front jede Menge Qualität, um den Run schnell schon deutlich effizienter verteidigen zu können. Offensive Line und Secondary sollten über Draft und Free Agency adressiert werden - und dank des Trades für Garoppolo hat San Francisco vor allem im Draft plötzlich ganz andere Möglichkeiten.

Das darf man nicht unterschätzen, genau wie die Handschrift von Kyle Shanahan, die mit einem fähigen Quarterback immer deutlicher sein wird. Ich denke nicht, dass San Francisco nächstes Jahr schon ein Contender ist. Aber ich glaube, dass die 49ers zum gleichen Zeitpunkt in der kommenden Saison noch mitten im Playoff-Rennen stecken.

Selbstverständlich kann man die Free Agency und den Draft generell nicht vorhersehen, aber ein weiterer Kandidat: Die Indianapolis Colts - natürlich unter der Prämisse, dass Andrew Luck dann endlich wieder zu 100 Prozent fit ist und so in die Saison geht. Die aktuell von Ausfällen geplagte Defense wird sich weiter verbessern, wenn Indy offensiv an der Line arbeitet, kann das mit Luck schnell ein ganz anderes Team sein.

Kai B: Wie geht es für die Browns nach der Saison weiter? Reicht ein Trainerwechsel allein?

In aller Kürze meine Meinung zu den Browns: Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass Cleveland den Trainerstab austauschen muss. Das hat nichts mit einer Kurzschluss-Reaktion oder Aktionismus zu tun, sondern ist vielmehr eine über nunmehr längere Zeit gereifte Erkenntnis.

Warum? Weil Hue Jackson in keinster Weise gezeigt hat, dass er mit jungen Quarterbacks umgehen kann. Weil sich das Run Game unter Jackson trotz signifikanter Verbesserungen in die Offensive Line verschlechtert hat. Weil die Defense unter Gregg Williams in puncto Play Calling Woche für Woche schwere Fehler hat. Und weil - zumindest hat sich dieser Eindruck von außen betrachtet manifestiert - zwischen Jackson und der Team-Führung ganz offensichtliche Gräben entstanden sind.

Dieser letzte Punkt ist für sich betrachtet schon ein Rezept für Chaos und Misserfolg. Ich würde die Situation anders betrachten, hätten die Browns spielerisch in den letzten zwei Jahren irgendwelche Fortschritte gezeigt. Gerade offensiv ist das aber überhaupt nicht der Fall. Und so bleibe ich dabei: Die Maßnahmen zur Kernsanierung des Kaders sind richtig und in dieser Hinsicht erkennt man zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit einen mittel- und langfristigen Plan in Cleveland. Dass Jackson und sein Trainerstab dafür die richtigen Coaches sind, dafür gibt es aber keinerlei Argumente.

Ste Sta: Wie hoch schätzt du die Chance auf einen Verbleib von Kirk Cousins in Washington ein?

Gut, dass die Frage kam, darüber hatte ich auch schon nachgedacht. Hat noch jemand den Eindruck, dass ein Verbleib irgendwie wahrscheinlicher wirkt? Letztlich hängt es mutmaßlich an Cousins selbst, der der dickste Fisch auf dem Quarterback-Markt sein wird. Ich erwarte, dass die Jaguars, die sich im Win-Now-Modus befinden, einen intensiven Versuch starten werden: Cousins sollte ein Quarterback-Typ nach Tom Coughlins Geschmack sein und könnte den Jags ein extrem gefährliches Play-Action-Spiel geben.

Aber sonst? Sicher, ein Team wie Cleveland oder auch Denver (das finanziell aber kaum mithalten kann) wird möglicherweise um ihn werben, Buffalo ist ebenfalls ein denkbarer Kandidat. Doch wenn Cousins die Situation sportlich betrachtet: Wo hätte er es besser? In Washington kennt er die Offense und die Coaches, hat eine Top-Line und junge, talentierte Spieler um sich herum wie Doctson oder Thompson. Sollte er sich abseits des Platzes bei den Redskins noch wohlfühlen, glaube ich, dass Cousins nach all den Spekulationen tatsächlich doch in der Hauptstadt bleibt.

Wall_of_Pain: Die Steelers-Defense sieht sogar gegen Green Bay sehr wacklig aus. In Week 15 kommen die Patriots. In der Vergangenheit hat es da immer reichlich Punkte gegeben, schon wenn die Defense in "Normalform" richtig gut war. Droht da aktuell ein Desaster?

Auch wenn das Spiel gegen die Packers erst einmal ernüchternd war - die Ursachen aus Steelers-Sicht sind denke ich eher individuell zu betrachten, als dass man daraus irgendwelche Trends ablesen sollte. Was ich damit meine: Ein sehr aggressiver Ansatz von Pittsburgh auf der einen, unerwartet kreative und vielseitige Play-Designs der Packers (siehe Seite 1) auf der anderen Seite. Schlechte Mischung für die Steelers-Defense.

Viel wichtiger wird sein: Traut sich Pittsburgh, gegen die Patriots mit mehr Man Coverage zu agieren, damit nicht wieder die Zone Coverage von Brady zerpflückt wird? Das ist eine Schlüsselfrage. Die Front sollte gut genug sein, um - ähnlich wie Miami - Brady einige Probleme zu bereiten und auch im Run Game dürften die Räume für New England enger werden. Aus Steelers-Sicht würde ich eher mit Spannung als mit Sorge auf das Duell blicken.

Timo Ezilius: Sind die Chargers plötzlich sogar Favorit auf den Divisionsieg in der AFC West?

Letzte Woche hatte ich die Chargers noch als Wildcard-Team in die Playoffs getippt - da sind sie auch nur noch ein Spiel hinter den Chiefs in der Division. Wenn wir die Situation aktuell beurteilen, dann muss man eigentlich zu dem Schluss kommen: Ja, die Chargers sind der Division-Favorit! L.A. spielt aktuell wirklich gut, hat defensiv mit Bosa, Ingram und Hayward einen starken Kern und offensiv ein extrem vielseitiges, tiefes Receiving-Corps, zwei gute Running Backs und den derzeit mit Abstand besten Quarterback der Division. Bei Kansas City ist deutlich geworden, dass die Probleme tiefer gehen. Und so denke ich, dass wir schon bald einen neuen Tabellenführer im Westen sehen.

Maurice: Wie wird es mit Bridgewater weiter gehen? Keenum spielt zu gut, um den Quarterback-Tausch zu vollziehen, aber es benötigt einen Härtetest, um Teddy zu evaluieren...

Es ist eine sehr schwere Situation in Minnesota, die ich letzte Woche auch schon einmal adressiert hatte - und über Thanksgiving hat sich daran wenig geändert. Daher hier in aller Kürze: Die NFL ist zu schnelllebig, um eine Saison, wie sie die Vikings aktuell spielen, zu riskieren, weil man sehen will, was ein Spieler möglicherweise in der Zukunft bringen kann. Selbst ein Quarterback.

Minnesota muss jetzt das machen, was dem Team die größte Wahrscheinlichkeit gibt, Spiele zu gewinnen. Bei Case Keenum wissen wir, dass er die Offense von Pat Shurmur umsetzen kann und dem Team die Chance auf Siege gibt. Bei Bridgewater, der noch nie unter Shurmur gespielt hat und bei dem niemand weiß, wie Kopf und Körper auf Hits im Spiel reagieren, wissen wir das nicht.

Natürlich ist es ein Spiel mit dem Feuer, da die Vikings unter Umständen mit Bridgewater verlängern könnten, ohne ihn in einem Spiel gesehen zu haben. Aber in dem Szenario gilt: Die anderen 31 Teams haben ihn ebenfalls nicht im Spiel gesehen, und Minnesota kann ihn immerhin täglich im Training beobachten. Das ist nicht vergleichbar mit Live-Action im Ernstfall, aber wenigstens ein Ansatzpunkt, den andere Teams nicht haben. Ich würde es auch nicht ausschließen, dass die Vikings mit Bridgewater eine Einigung über einen stark um Boni herum aufgebauten Vertrag hinzielen.

Oliver Fa: Wie schwer ist es für Teams, die ihren Starting Running Back verlieren, den Backup einzusetzen? Und welche Veränderungen müssen da vorgenommen werden?

Das hängt, simpel gesagt, komplett davon ab, wer der Backup ist! Die große Frage, wenn ein Team einen Leistungsträger verliert, ist für mich immer die: Kann man die Offense (oder die Defense) vom Stil her weiter umsetzen? Oder muss man sich Scheme-technisch komplett umorientieren?

Ein Beispiel: Wenn bei den Jaguars Leonard Fournette ausfällt, rückt Chris Ivory nach. Das ist natürlich was die Leistung und das Potential angeht ein großer Rückschritt - allerdings ist Ivory genau wie Fournette ein Power-Back, ein Back, der seine großen Stärken hat, wenn er vertikal zur Line of Scrimmage laufen darf und nicht groß horizontal herumtänzeln und Lücken lesen muss. Bedeutet: Die Jags können ihre Offense was die Spielzüge und die Plays angeht unverändert lassen.

Das Gegenbeispiel wären die Arizona Cardinals. Nach der Verletzung von David Johnson litt Arizonas Offense enorm. Einerseits natürlich, weil Johnsons individuelle Qualität nicht ersetzbar ist. Andererseits aber eben auch, weil kein Running Back seine komplette Rolle als Runner und Receiver übernehmen kann. Adrian Peterson ist noch immer ein solider Runner, gibt der Offense aber keine Multi-Dimensionalität. Die Cardinals mussten so ihren ganzen offensiven Ansatz überarbeiten, all die Matchup-Plays, bei denen die Cardinals mit Johnson Linebacker im Passspiel attackierten, funktionierten auf einen Schlag nicht mehr.

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