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NFL MVP-Rennen: Favoriten, Außenseiter, Non-Quarterbacks
Spätestens nach dem 84-Yard-Touchdown-Run von Christian McCaffrey zu Beginn der zweiten Halbzeit gegen die Jaguars war es wieder so weit: Die "MVP"-Tweets pflasterten Social Media. Und keine Frage: Was McCaffrey bisher leistet, ist außergewöhnlich. Wenn er seine aktuelle Schlagzahl beibehält, würde er in Sachen Raumgewinn den Rekord für Scrimmage Yards von Chris Johnson (2.509 in der 2009er Saison) mit über 2.700 Yards pulverisieren.
Aber macht ihn das alleine zum MVP-Kandidaten? Es macht ihn aktuell zum wertvollsten Running Back der Liga, weil er mit schon jetzt 105 Runs zusätzlich zu 31 Catches und kaum einem verpassten Snap nicht nur die Masse schultert - er macht das auch noch mit nachhaltiger Effizienz. Es ist deshalb auch der seltene Fall eingetreten, dass ein Running Back nach fünf Spielen einer der wertvollsten Skill-Position-Spieler in der NFL ist.
Und trotzdem kann ich es nicht genug betonen: So wie die NFL funktioniert, ist es kaum möglich, eine andere Position als Quarterback in Erwägung zu ziehen. Es ist die dominante und mit Abstand die wichtigste Position; das heißt, es bräuchte schon ein kollektiv schlechtes Jahr für Quarterbacks, damit ein anderer Spieler "wichtiger" wird, worum es beim MVP ("Most Valuable Player") im Endeffekt ja geht.
Und insbesondere Running Backs, auch wenn sie eine solche Last schultern wie McCaffrey - dessen MVP-Argument deutlich gerechtfertigter ist als das von Gurley letztes Jahr -, sind extrem von ihren Umständen abhängig. Das bedeutet konkret Blocking, Runs gegen zugestellte Boxes, Play-Calling, Qualität des Passspiels und so weiter.
McCaffrey macht daraus extrem viel, trotz durchschnittlicher Umstände. Carolina hat kein sonderlich gutes Run-Blocking, er muss viel bei First Down laufen und er läuft eine durchschnittliche Anzahl an Runs gegen acht Verteidiger in der Box. Trotzdem ist er über alle Maßen gefährlich. Deshalb ist es eines der ersten Male in den vergangenen Jahren, dass ich einen Running Back überhaupt in der "Nicht-Quarterback"-MVP-Liste dabei habe.
Doch von einem schlechten Quarterback-Jahr sind wir auch in dieser Saison weit entfernt. Und den Wert eines Quarterbacks - worum es beim MVP-Award ja nunmal geht - kann McCaffrey auch mit seiner bisher herausragenden Saison nicht aufwiegen.
Das hier ist aktuell mein Spitzentrio:
NFL: MVP-Rennen - Top-3 Kandidaten
1. Russell Wilson, QB, Seattle Seahawks
Wilsons Spiel gegen die Rams am Donnerstagabend war vielleicht das beste Quarterback-Spiel, das wir bisher in dieser Saison gesehen haben. Wilson spielt eine absolut herausragende Saison, kein Quarterback ist so gut im vertikalen Passspiel während er gleichzeitig so viele enge Fenster dabei bedient. Aktuell hat man den Eindruck, dass es Würfe gibt, die derzeit nur Wilson, Mahomes, Rodgers und Watson anbringen können.
Bei Wilson kommen im Gegensatz zu Mahomes die Umstände dazu, er nimmt mehr schwierige Würfe in offensichtlichen Passing-Situationen. Wilson ist zwar für mehr Sacks verantwortlich, muss aber auch den Ball durch exzessives Early-Down-Running (vor allem: Second-and-Long!) teilweise länger halten und wird in lange Third Downs gezwungen.
Im Vakuum würde ich Mahomes vor Wilson auswählen und ich würde nicht einmal sagen, dass Wilson zwangsläufig besser spielt - aber aktuell ist kein Spieler für sein Team so wertvoll.
2. Patrick Mahomes, QB, Kansas City Chiefs
Mahomes und der Chiefs-Offense zuzuschauen macht einfach Spaß. Herausragende Play-Designs, konstant mehr offene Receiver in der Mid- und Deep-Range als ich es bisher in der NFL gesehen habe, Speed, wohin man auch schaut - und Mahomes eben als der Elite-Quarterback, der alles zusammenführt. Er ist der beste Quarterback in der NFL, daran ändert auch das Colts-Spiel nichts (dazu später mehr), und er könnte es sehr gut für die nächsten zehn Jahre sein. So gut ist er jetzt schon.
Warum also nur Nummer 2? So herausragend Mahomes auch ist, die fantastische Eigenschaft dieser Offense liegt darin, dass die Play-Designs, das Play-Calling und die Waffen in diesen Designs so gut sind, dass selbst ein leicht überdurchschnittlicher Quarterback hier sehr gute Zahlen auflegen würde. Mahomes ist derjenige, der aus einer potenziell "nur" sehr guten eine Elite-Offense macht, weil seine individuelle Klasse eben noch "on top" dazukommt, wie etwa beim ersten Touchdown gegen die Colts am Sonntagabend.
3. Deshaun Watson, QB, Houston Texans
Watsons Spielweise ist ein permanenter Ritt auf der Rasierklinge, mit unglaublich spektakulären Phasen und Spielen auf der einen, aber auch unnötigen Sacks und riskanten (Turnover-würdigen) Pässen auf der anderen Seite.
Aber was macht einen MVP aus? Simpel: Er ist der wertvollste Spieler. Diese Texans-Offense wäre drastisch schlechter, wenn hier ein Quarterback, der nicht auf dieser Liste steht, spielen würde. Watsons Fähigkeit, unter Druck Big Plays zu liefern, Plays zu improvisieren, Play-Konzepte erst durch seine Qualität funktionieren zu lassen - das sind MVP-Qualitäten. Überflüssig zu erwähnen, dass mehr Spiele wie das gegen Atlanta ihn sowieso in den MVP-Diskussionen halten werden.
NFL: MVP-Rennen - Top-4 Nicht-Quarterback-Kandidaten
1. Khalil Mack, Edge, Chicago Bears
Das Raiders-Spiel - dazu im Mailbag mehr - war eine gute Erinnerung daran, dass man selbst Elite-Pass-Rusher mit einem entsprechenden Game Plan ausschalten kann; wir haben das über die Jahre auch immer wieder mit beispielsweise J.J. Watt gesehen. Das spielt auch eine Rolle, wenn es um den Wert der Positionen geht. Trotzdem: Mack spielt eine herausragende Saison, er ist bis dato der beste Pass-Rusher der Liga und ein maßgeblicher Grund dafür, dass die Bears-Defense Chicago bisher zu mehreren Siegen tragen konnte.
2. Chris Godwin, WR, Tampa Bay Buccaneers
Ja, tatsächlich sehe ich in der bisherigen Saison keinen Receiver als wertvoller. 30 (!) First Downs sind ein fast obszöner Wert, die sechs Touchdowns unterstreichen seinen Wert innerhalb und außerhalb der Red Zone. Seine 2,7 Yards pro gelaufener Slot-Route sind ein ligaweiter Top-10-Wert. Godwin verzeichnet im Schnitt über zwei Yards mehr nach dem Catch als Michael Thomas, der hier in meinen Augen die einzige ernsthafte Receiver-Konkurrenz wäre. Er gewinnt vertikal und vor allem in der Mid-Range, wo sich der Großteil der Buccaneers-Offense unter Bruce Arians abspielt, und hat bislang erst einen Drop. Kein anderer Receiver mit über 40 Targets hat weniger. Godwin ist aktuell so wertvoll, wie man es von einem Receiver nur erwarten kann.
3. Christian McCaffrey, RB, Carolina Panthers
Die meisten Argumente für McCaffrey habe ich im Intro schon erwähnt. Immense Workload, Mismatch-Spieler im Passing Game - Eins-gegen-eins-Matchups gegen Linebacker, selbst gegen einen agilen Linebacker wie Jacksonvilles Myles Jack, sind fast mit Sicherheit Pässe zu McCaffrey -, produziert Big Plays genau wie kontinuierliche Raumgewinne trotz durchschnittlichem Blockings und trotz eines Backup-Quarterbacks an seiner Seite. Seine 25 Forced Missed Tackles über die letzten beiden Wochen unterstreichen das. Positionsbedingt ist McCaffrey für mich im Endeffekt kein MVP-Kandidat, aber er gehört in die Diskussion der Nicht-Quarterback-Optionen.
4. Aaron Donald, DT, Los Angeles Rams
Noch nicht die spektakulärste Saison was die Total Stats angeht, aber in allen anderen Aspekten ist Donald schon wieder einer der dominantesten Verteidiger der Liga. Wenige Nicht-Quarterbacks können ein Spiel so beeinflussen wie Donald, der Game Plans über den Haufen werfen kann. Würde man Donald aus dieser Defense mit ihren Coverage-Problemen rausnehmen, L.A. hätte ein riesiges Problem auf dieser Seite des Balls. Auf eine ganze Saison gesehen ist es schwer vorstellbar, dass ein Verteidiger wertvoller für seine Defense ist als Donald, der dieses Jahr bislang auch in der Run-Defense glänzt.
NFL: MVP-Rennen - Top-3 Under the Radar
Keiner dieser Spieler wird auch nur in die Nähe einer MVP-Trophäe kommen - es ist eher eine Auflistung an Spielern, die herausragende Saisons auf ihrer Position, aber auch im Gesamtkontext ihrer Teams betrachtet spielen, und die deshalb Erwähnung finden sollten.
Calais Campbell, DT, Jacksonville Jaguars
Man könnte gute Argumente dafür finden, dass Campbell über die ersten fünf Spiele der dominanteste Verteidiger der NFL war. Kein Spieler setzte Quarterbacks in dieser Frequenz unter Druck, er riss einige Spiele komplett an sich und war, während Rookie Josh Allen und auch Yannick Ngakoue noch inkonstant agierten und dahinter Jalen Ramsey fehlte, der Stabilisator in dieser Defense. Gegen Carolina kam dann noch ein geblocktes Field Goal dazu, quasi als Bonus.
Justin Coleman, SCB, Detroit Lions
Die Lions haben uns mit ihrem starken defensiven Auftritt gegen Kansas City in Woche 4 überrascht, und ein wesentlicher - wenn nicht der zentrale - Grund für dieses starke Spiel war die Fähigkeit, in der Defense Man Coverage zu spielen. Der Schlüsselspieler in Coverage dafür war Coleman, der über die ersten fünf Spiele vielleicht der beste Slot-Cornerback der Liga und eine Art Schlüssel zu dieser Defense ist.
Cooper Kupp, WR, Los Angeles Rams
Den Verlust von Cooper Kupp in der vergangenen Saison konnten die Rams nicht auffangen, und die ersten Spiele dieses Jahres unterstreichen nochmal, wie wichtig Kupp ist. Kupp gelingen sechs Yards nach dem Catch pro Reception, ein Top-10-Wert unter Receivern mit mindestens 30 Targets. Kaum ein Spieler ligaweit ist aus dem Slot produktiver und kaum ein Slot-Receiver ist wichtiger für seine spezifische Offense - umso mehr, da die Rams dieses Jahr mehr auch mehr aus Spread-Formationen agieren. Das scheint Kupps Wert nochmals erhöht zu haben.