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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 13 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 13 in der NFL.
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2. Die Colts und Wentz: Doch alles richtig gemacht?

Das Spiel gegen die Houston Texans war aus Colts-Sicht rein sportlich betrachtet wenig erwähnenswert: Ein Team mit realistischen Playoff-Ambitionen gegen eine Franchise, die am Beginn eines Umbruchs steht. Genau so sah das Spiel auch aus, die Colts bewegten den Ball am Boden gut und hatten in der Folge relativ wenige Schwierigkeiten mit dem Division-Rivalen, die Partie wirkte länger knapper als es tatsächlich war.

Doch ein anderes Thema schwebte über diesem Spiel. Nicht spezifisch wegen dieser Partie, sondern eher aus übergreifender Perspektive mit Blick auf die Colts - und auf die Philadelphia Eagles.

Sollten die Colts die Playoffs nicht erreichen, müsste Carson Wentz 75 Prozent der Offense-Snaps am Saisonende absolviert haben - mit Playoffs reichen 70 Prozent - um aus dem Conditional Zweitrunden-Pick, der im Zuge des Trades nach Philly gewandert ist, einen Erstrunden-Pick zu machen.

Komplett sicher kann man es je nach Hochrechnung natürlich noch nicht sagen, aber es besteht eine sehr reelle Chance, dass Wentz mit dem Spiel gegen Houston diese Schallmauer auf die Saison betrachtet durchbrochen hat.

Und ehrlicherweise bestand daran - Verletzungen mal ausgeklammert - nie ein wirklicher Zweifel. Coach Frank Reich hatte in den vergangenen Wochen genügend Möglichkeiten, um Wentz hier und da mal gegen Ende eines deutlichen Sieges - das erste Spiel gegen Houston, der Sieg über die Jets, der Blowout gegen Buffalo - für einige Snaps raus zu nehmen, und entschied sich dagegen.

Indianapolis hätte sich hier etwas mehr Spielraum verschaffen können, hätten sie etwa gegen Houston gepatzt. Der Ausblick auf die restliche Saison hätte dann deutlich anders ausfallen können. Aber in Indianapolis waren sie ganz offensichtlich überzeugt von diesem Trade, und nicht interessiert an taktischen Spielchen.

Indianapolis hat eine reelle Playoff-Chance

Ich hatte vor einigen Wochen bereits geschrieben, dass die Colts keinen Erstrunden-Pick für Wentz bezahlen sollten, als die Saison stark in Richtung Niemandsland unterwegs war. Zugegeben, diese Einschätzung war etwas voreilig, immerhin hat Indianapolis sich ins Playoff-Rennen zurückgearbeitet, spielt aktuell guten Football und hat eine sehr realistische Chance auf eine Wildcard in der AFC.

Aber mit dieser Schallmauer, die diese Woche vermutlich durchbrochen wurde, ist es durchaus gerechtfertigt, nochmals auf diesen Trade zu schauen - und darauf, ob das jetzt ein gute Entscheidung aus Colts-Sicht war.

Einige der positiven Argumente liegen auf der Hand: Die Colts könnten am Saisonende die Playoffs erreichen, Wentz hat sich unter Frank Reich ohne Frage deutlich stabilisiert und die Colts sind mindestens ein sehr unangenehmer Gegner im extrem breiten - und offenen - Playoff-Feld in der AFC.

Colts auf der Suche seit Andrew Luck

Selbst den grundlegenden Gedankengang kann man nachvollziehen. Irgendwo bewegen sich die Colts noch immer im Schatten des Rücktritts von Andrew Luck: Jacoby Brissett war eine Übergangslösung, Philip Rivers war eine Übergangslösung - und der Kader wurde schrittweise besser. Indianapolis baute ein junges Team zusammen, welches in einer anderen Realität mit Andrew Luck heute nach den Sternen greifen würde.

Stattdessen fehlte der klare Umbruch und das Team suchte seinen Franchise-Quarterback, mit einem Kader und einem Trainerstab, der eigentlich zu gut dafür ist. Das ist kein neues Phänomen, nur meist sehen wir es bei Teams, die sich bei ihrer Quarterback-Auswahl verschätzt haben - wie die Bears bei Trubisky -, was dann auch nachhaltige "Schäden" für den Kader in puncto Ressourcen mit sich bringt. Die Colts hatten diesen klaren Einschnitt mit Blick auf den Kader nicht.

Aber die zentrale Frage, die dieser Wentz-Trade immer für mich mitgebracht hat, ist diese: Die Colts waren letztes Jahr mit Rivers eine Stufe unter der Spitze in der Conference. Wie hoch war und ist die Wahrscheinlichkeit, dass man mit Wentz überhaupt auf dieses Level kommt - geschweige denn signifikant darüber hinaus? Denn letztlich wäre das nötig, um als Team, als Franchise insgesamt, den nächsten Schritt zu machen.

Stattdessen habe ich das Gefühl, dass Indianapolis mit diesem Trade den Kopf über Wasser hält und - nochmal: guter Kader, guter Trainerstab, und so weiter - absolut ein unangenehmer Gegner ist. Aber eben auch nicht mehr.

Wentz-Trade am Ende ein Gewinn für die Colts?

Doch es gibt weitere Aspekte, warum dieser Trade vielleicht kein Homerun, aber unter dem Strich eine positive Gesamtabrechnung für die Colts sein könnte - und gleichzeitig trotzdem die elementare Frage weiter im Raum steht.

Wentz wird die Offense nicht tragen - aber sein Cap Hit über die nächsten drei Jahre liegt nie über 28,5 Millionen Dollar, und ab 2023 hat er keine Garantien mehr in seinem Vertrag. Wir wissen seit Sonntag, dass der Salary Cap aller Voraussicht nach auf das Maximum steigen wird, sprich Wentz' Vertrag in puncto Cap Hit ist sehr machbar, auch im Positionsvergleich und auch im Vergleich mit anderen Quarterbacks, die sich grob in seinem Tier bewegen.

Und: Das ist viel Kaffeesatzleserei, natürlich - doch die Quarterback-Klasse im kommenden Draft sieht alles andere als überzeugend aus. Und auch wenn hier sehr viel Projection dazugehört, so fließen solche vagen Prognosen dennoch auch in die Überlegungen von Teams mit ein, wenn sie sich dafür entscheiden, für einen Carson Wentz - oder einen Sam Darnold - zu traden.

Wir müssen die Erwartungen bei Wentz auf einem realistischen Level halten. Das habe ich vor der Saison mehrfach betont, dass weder die katastrophale 2020er Saison, noch die MVP-würdige 2017er Saison in die eine oder andere Richtung als Maßstab gelten sollte. Natürlich gilt das - die realistischen Erwartungen - irgendwo für jeden Spieler, aber insbesondere wenn wir davon sprechen, dass man Ressourcen ausgibt, um für einen Quarterback zu traden, und der dann auch mit einem entsprechenden Vertrag kommt, wird dieser Aspekt nochmals wichtiger.

Der Wentz-Trade packt die Colts noch stärker in eine Box

Bei den Colts habe ich ein gutes Gefühl dahingehend, dass sie sehr gut einschätzen können, was Wentz kann und was er nicht kann - und was für ein permanenter Balanceakt erforderlich ist, um mit einem Quarterback aus dem Liga-Mittelfeld erfolgreich zu sein.

Mein Hauptkritikpunkt an dem Trade bleibt, dass man sich einen Quarterback geholt hat, mit dem der realistische Best Case immer noch ein Downgrade zu dem ist, was man im Vorjahr hatte. Dass man sich einen Quarterback geholt hat, der mit einem klaren Ceiling kommt, was im Umkehrschluss auch bedeutet, dass man nicht alle Möglichkeiten ausschöpft, um einen Quarterback aus dem obersten Regal zu finden; einen Quarterback, der das Team tragen kann, der einen Jahr für Jahr zum Contender macht.

Aber wenn ich ein Team auswählen müsste, das mit einem solchen Quarterback Erfolg haben kann, dann wären es vermutlich diese Colts, die die Fähigkeit zeigen, einen rundum soliden Kader aufzubauen, und die in Frank Reich einen Top-5-Play-Caller in der NFL haben.

Das gibt Indianapolis einen Floor. Die Sorge ist und bleibt eben, ob dieses Team was das Roster Building angeht, aber auch was die Spieler, die diesen Kader prägen, in seiner aktuellen Zusammensetzung angeht, irgendwann die Zündung finden, um strukturell als Organisation nachhaltig den nächsten Schritt zu machen.