2. Der größte Upset der Saison: Was ist los mit den Packers?
Nochmals den Bogen zur Einleitung schlagend: Auch der Sieg der Giants über die Green Bay Packers in London war in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert - wenn auch aus ganz anderen Perspektiven als das, was einige Stunden später in Buffalo passieren sollte.
Der Sieg der Giants als 9-Punkte-Underdog war zunächst einmal der größte Upset der bisherigen Saison. Noch vor dem Steelers-Sieg gegen Cincinnati in Week 1, vor dem Cowboys-Sieg mit Cooper Rush in Woche 2, ebenfalls gegen die Bengals. Nicht nach subjektiven Einschätzungen, sondern nach den kalkulierten Zahlen der Buchmacher.
Was hier aber genau passierte, muss aus beiden Perspektiven betrachtet werden. Das war nicht einfach ein Spiel, welches die Giants schlicht und ergreifend gewannen - aber zu sagen, dass die Packers - so sehr sie auch favorisiert waren - es selbstverschuldet verloren haben, würde den Giants nicht gerecht.
Giants gelingt größter Upset dieser Saison
Deshalb ist es hier auch passend, mit den Giants einzusteigen. Und ich denke, hier ist es fair, in Nuancen zu sprechen.
Die Giants hatten fraglos Glück mit dem Schedule, mit Carolina und Chicago kamen zwei der drei ersten Siege gegen die vielleicht beiden schwächsten Teams des ersten Saisonviertels, der dritte gleich in Woche 1 gelang gegen ein Titans-Team, das in dieser Saison bisher regelmäßig in der zweiten Hälfte auseinandergefallen ist.
Das soll die Giants-Siege nicht schmälern, aber es liefert nötigen Kontext. Es war kein Zufall, dass die Packers - die selbst keineswegs überzeugend waren bei ihrem jüngsten Sieg gegen die Patriots mit Nummer-3-Quarterback Bailey Zappe - als deutlicher Favorit in diese Partie gingen.
Nicht nur bei den Buchmachern war das der eindrucksvollste Sieg für ein Team, das bereits über weite Teile dieser Saison mit Backup-Receivern antreten muss, dessen Offensive Line außerhalb von Andrew Thomas noch Baustellen hat, und dessen Quarterback aktuell am ehesten als Runner eine Gefahr darstellt, aber angeschlagen in diese Partie ging.
Giants: Ergebnisse sind dieses Jahr zweitrangig
Was mir am ehesten in diesem Spiel hängen geblieben ist, ist die Tatsache, dass die Giants Offense kreieren, obwohl sie eigentlich nicht die Mittel dafür haben. Und natürlich ist das Menü dann überschaubar, aber Brian Daboll zeigt in seiner ersten Saison als Giants-Head-Coach, dass er auch mit einem spärlich gefüllten Kühlschrank etwas zaubern kann.
Und "zaubern" ist irgendwo noch das falsche Wort, denn auch wenn die Giants schon jetzt eine exzessive Nutzung der Wildcat-Offense an den Tag gelegt haben, so sind es auch viele simple Dinge, die gut umgesetzt funktionieren. Gegen die Packers waren die Play-Action-Crosser etwa regelmäßig offen.
Der 4-1-Start ist der beste Saisonstart für die Giants seit 2009, und ich bleibe dabei, dass es in dieser Saison aus Giants-Sicht nicht um die Anzahl der Siege geht - und dass der 4-1-Record auch etwas schmeichelhaft ist an diesem Punkt. Aber dass die jungen Spieler wie Thomas, wie Kayvon Thibodeaux, wie Xavier McKinney Fortschritte zeigen, dass Daboll so viel mehr Perspektive bietet als alles, was unter Joe Judge passiert ist - all das sind positive Punkte.
Wenn dabei sogar überraschende Siege wie dieser gegen die Packers herausspringen können, ist das umso positiver. Aber es verrät eben auch etwas über das Team auf der anderen Seite; das Team, das dieses Spiel in der Theorie eigentlich klar hätte gewinnen müssen.
Packers-Offense: Die Shot Plays fehlen
Dieses Team waren in London die Green Bay Packers, und hier halte ich eine ernsthaftere Konversation für fällig. Nicht, weil ich mir jetzt Sorgen um die Packers-Saison mache. Diese Division und die NFC insgesamt bieten dieses Jahr viel Spielraum für Fehler, und die Packers sollten mit den jungen Receivern und mit der Offensive Line, die gerade erst wieder zusammenwächst, auch noch Potenzial haben.
Eine Sache fand ich offensiv dennoch auffällig - erneut, denn das stand auch schon in meinen Notizen nach dem Patriots-Spiel: Die wenigen Shot-Plays, die die Packers versuchen, wirken aktuell regelmäßig leicht off. Rodgers verfehlte seine Receiver immer wieder knapp, die Feinabstimmung schien mehrfach nicht zu passen.
Das wiederholte sich gegen die Giants, und dieses Mal war es noch auffälliger, dass Rodgers regelmäßig Shots tief nahm, die kaum eine reelle Chance auf eine Completion hatten. Das war umso auffälliger, weil die Giants auf der anderen Seite mit nochmal signifikant überschaubareren Receiving-Optionen den Ball geduldig bewegten - und letztlich auch effizienter: Die Giants hatten fast ein Yard mehr pro Play, mehr First Downs bei weniger Plays und mehr als 2,5 Yards pro Pass Play mehr.
Green Bays Defense ist die große Enttäuschung
Das ist problematisch, und während die Packers den Ball gut laufen konnten, bleibt das Passspiel viel Stückwerk. Aber was wesentlich weniger nachvollziehbar ist, ist das, was die Packers-Defense zeigt. Hier liegt das Elite-Potenzial dieses Teams, hier wurden Top-Ressourcen investiert, hier sollte Green Bay genau solche Spiele gewinnen können.
Doch es war schon gegen die Patriots auffällig, dass die Packers keinen Zugriff auf das Run Game der Patriots bekamen, und es so nicht schafften, das Spiel regelmäßiger in die Hände von Bailey Zappe zu zwingen. Und auch gegen die Giants, anschließend an das, was ich bei der Giants-Offense geschrieben habe, sollte es einer Defense mit Green Bays Qualität möglich sein, zumindest die einfachen Dinge zu eliminieren.
Es gibt aktuell zwei Defenses in der NFL, die dramatisch hinter meinen Erwartungen zurückbleiben - die Browns und die Packers. Und während bei Cleveland die Interior Line immer das große Fragezeichen war, welches sich bisher als gravierende Schwachstelle bestätigt, war - und ist - die Packers-Defense auf dem Papier so komplett wie sonst keine in der Liga.
Allein - davon sieht man viel zu wenig. Green Bay hatte über die ersten Wochen der Saison einen klaren Fokus auf die Pass-Defense gelegt und war in dieser Disziplin auch eine Top-5-Unit. Das ist schön und gut, aber wenn man sich dann nicht auf Gegner und Matchups einstellen und auf verschiedene Art und Weise dominieren - und vor allem Offenses wie die Patriots oder die Giants entschieden klarer in ihre Schranken weisen - kann, dann wird man keine Elite-Defense aufs Feld führen.
An diesem Punkt stehe ich aktuell mit den Packers, und ja, dann ist das für mich eine Coaching-Diskussion. Und vor allem ist eine gravierende, weil unmittelbare Konsequenz, dass Green Bays Offense früh in der Saison einen größeren Teil der Last tragen muss. Und an diesem Punkt sehe ich die Offense zumindest aktuell noch nicht.