SPOX: Lange dauerte Ihre Wohnungssuche nicht. Sie haben relativ schnell ein Zimmer bei Ihrem Teamkollegen Connor Murphy bezogen. Wie ist das Zusammenleben unter NHL-Profis?
Rieder: Ich kann mich dran gewöhnen. Aber es ist nicht so, dass wir die ganze Zeit aufeinander hocken. Wir teilen uns ein großes Appartement, jeder hat sein eigenes Zimmer und sein eigenes Bad. Wir kommen uns also nicht oft in die Quere. Für mich ist es sowieso keine komplett neue Situation, ich habe bereits in der letzten Saison mit einem Teamkollegen zusammengewohnt. So wird es nie langweilig und man hat immer jemanden, mit dem man ein bisschen Xbox zocken kann.
SPOX: Oder abends die Stadt unsicher machen kann.
Rieder: Das passiert eher weniger (lacht). Die meisten Kollegen haben Familie und verbringen ihre freien Tage mit Frau und Kindern. Und ich muss ganz ehrlich zugeben, wenn mal kein Spiel ansteht, bin ich ganz froh, auch mal auf der Couch zu sitzen und fernzusehen.
SPOX: Was bei der Hitze in Arizona vielleicht gar keine so schlechte Idee ist. In Deutschland stellt man sich den "Grand Canyon State" häufig als eine große Wüste vor. Wie passt das eigentlich mit Eishockey zusammen?
Rieder: Das eine schließt das andere ja nicht aus. An die Umgebung muss man sich allerdings schon gewöhnen.Es gibt sehr wenig Gras zu sehen, dafür viel Sand und Steine. Besonders auffällig ist das, wenn man den Highway entlangfährt. Dort wimmelt es nur so vor roten Bergen, Kakteen und Palmen.
SPOX: Lassen Sie uns wieder zum Eishockey zurückkommen. Seit dem historischen Doppelpack ist etwas Zeit vergangen. Fühlen Sie sich mittlerweile als fester Bestandteil der Coyotes?
Rieder: Auf jeden Fall. Es kann sich in der NHL natürlich schnell ändern. Von dem einen auf den anderen Tag wird ein Spieler zurück in die AHL geschickt oder ein Verein geht einen Trade ein. Derzeit bekomme ich allerdings viel Eiszeit und werde in Über- und Unterzahl eingesetzt, das gibt mir Selbstbewusstsein.
SPOX: Spricht der Coach mehr mit Ihnen als mit den etablierten Spielern?
Rieder: Nein, in Amerika ist das anders als in Deutschland. Hier sprechen die Trainer weniger mit den Spielern. Am Anfang wurde mir nur gesagt, ich solle einfach das spielen, was ich in der AHL gezeigt habe. Das war es dann auch. Man erkennt die Wertschätzung des Coaches eher an der Eiszeit.
SPOX: Das haben Sie in Ihrer Karriere auch anders erlebt. Sie wurden 2011 von den Oilers gedraftet, wurden dort aber nicht glücklich. Warum?
Rieder: Damals hatten die Oilers viele gute und junge Spieler, die denselben Spielstil hatten wie ich. Bereits in den Camps habe ich gemerkt, dass die Konkurrenz auf meiner Position sehr groß war. Das habe ich dann ganz nüchtern zusammen mit meinem Berater analysiert. Wir sind zum Entschluss gekommen, dass ich bei einem anderen Verein größere Chancen hätte, den Durchbruch zu schaffen.
SPOX: Leon Draisaitl erlebt in Edmonton momentan ebenfalls eine schwere Zeit und wurde zuletzt in die WHL versetzt. Wie schwer ist der Sprung von einer Nachwuchsliga in die NHL?
Rieder: Ich kann nur für mich sprechen, aber es ist ein großer Unterschied. Man spielt gegen die besten Spieler der Welt, wenn man einen Fehler macht, dann wird das knallhart bestraft. Andererseits ist es leichter, weil diese Spieler immer wissen, wann sie einen Pass spielen können.
SPOX: Stehen Sie mit Draisaitl eigentlich regelmäßig in Kontakt?
Rieder: Nein, nicht großartig. Jeder von uns hat viel Stress mit den Reisen und Spielen, da bleibt oft nicht viel Zeit.
SPOX: Auf dem Eis haben Sie sich in dieser Saison viermal getroffen, viermal hieß der Sieger Tobias Rieder. Ist Ihnen da mal ein Spruch rausgerutscht?
Rieder: Das gehört doch dazu (lacht). Wenn man auf dem Eis steht, sagt man kurz "Servus" oder bringt einen Spruch. Es heißt zwar, dass es auf dem Eis keine Freunde gibt, aber man merkt schon, dass man gegenseitig besser aufeinander aufpasst.
SPOX: Sie haben wie Draisaitl früh den Weg in die USA gewagt. Ist das der Weg, den der Nachwuchs einfach gehen muss?
Rieder: Das kann man nicht pauschal sagen. Bei mir war es so, dass ich unbedingt nach Amerika wollte. Mein Gedanke war, dass ich jederzeit zurückkehren kann, wenn ich es nicht schaffe. Es läuft mir in Deutschland nichts davon. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass jeder die Chance nutzen sollte, wenn sie sich ihm bietet.
SPOX: Aber es gab in Ihrer Anfangszeit sicherlich die eine oder andere Hürde?
Rieder: Mein Vorteil war, dass ich bereits ein Jahr zuvor vor Ort war und mir alles angeschaut habe. Das war sehr wichtig, ich habe auch meine Gastfamilie kennengelernt. So wusste ich sofort, was mich erwartet. Grundsätzlich hat man sich sehr gut um mich gekümmert. Einer der Trainer hat mich zum Beispiel vom Flughafen abgeholt, danach stand mir das komplette Team mit Rat und Tat zur Seite.
SPOX: Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft. Glauben Sie, dass die Coyotes noch eine Chance auf die Playoffs haben?
Rieder: Natürlich, die Chance ist immer da. Wir haben auch mal gegen die Ducks gewonnen, und Anaheim ist immerhin das beste Team der Liga. Sollten wir dieses Niveau gegen andere Mannschaft abrufen können, dann ist alles möglich.
Seite 1: Rieder über einen Doppelpack, sein Debüt und einen ominösen Zettel
Seite 2: Rieder über seine NHL-WG, die Wüste und Leon Draisaitl
Alle Infos zur NHL-Saison