Kanada plant den Gegenschlag: Mit einer Offensiv-Armada gedenkt man, Russland an der Titelverteidigung zu hindern. Deutschland steht vor der WM in Schweden und Finnland am Scheideweg. Bundestrainer Pat Cortina rief den Charaktertest aus. SPOX ordnet die Kräfteverhältnisse ein.
1. Kanada
Das Eishockey-Mutterland enttäuschte zuletzt mehrfach: Fünf Jahre liegt Gold zurück. 2010 blamierten sich die Ahornblätter bis auf die Knochen. Siebter zu werden, für einen 24-fachen Champion schlicht und ergreifend peinlich. Die Wiedergutmachung fiel mit zwei fünften Plätzen mangelhaft aus.
Diesmal wirft Kanada geballte Star-Power in die Waagschale: Torhüter Mike Smith, Jordan Eberle, Steven Stamkos, Claude Giroux, Eric und Jordan Staal, Taylor Hall oder Jeff Skinner. Die Offensive liest sich wie ein Best-of. Die Herkules-Aufgabe: Aus Individualisten eine funktionierende Einheit zu formen, soll Lindy Ruff, bei den Buffalo Sabres entlassen, bewältigen. Langsam steigt der Druck in unermessliche Höhen.
Player to watch: Steven Stamkos. Kaum ein Torjäger schüchtert Defender derart ein. In fünf Jahren erarbeitete sich der 23-Jährige den Ruf als Scharfschütze. Keiner knipste in dieser Periode zuverlässiger als der Tampa-Bay-Lightning-Center. Eine Gefahr auf zwei Beinen.
2. Russland
Wie sollte es anders sein: Auch diesmal führt der Weg zu Gold-Ehren über Russland. 2012 rollte die rote Dampfwalze durch das Turnier. Ein Triumphzug ermöglicht von Evgeni Malkin. Ihm glückte ein Kunststück, das zuvor lediglich Wayne Gretzky vergönnt war. Er glänzte in der NHL und bei der WM, führte die Scorerlisten an.
Diesmal tendiert ein Gastspiel Malkins ob der Playoffs gen Null. Selbst ohne den Ausnahmekönner sollte die Sbornaja aber über eine schlagkräftige Lineup verfügen. Ein Auszug gefällig? Bitteschön! Torhüter Ilya Bryzgalov, Ilya Kovalchuk, Artem Anisimov oder die KHL-Topscorer Sergei Mozyakin und Alexander Radulov.
Player to watch: Ilya Kovalchuk. Die Sperrspitze des russischen Ensembles. Noch im Vorjahr erreichte er mit den New Jersey Devils die Finals, diesmal platzte der Traum von Lord Stanley in der Regular Season. Für den Franchise-Player stellt die WM eine willkommene Abwechslung dar. Zuletzt plagte ihn die Schulter.
3. Schweden
Die Erwartungshaltung lastet schwer: Eine Medaille ist das Mindestziel. Doch ganz Schweden träumt von mehr. Von Gold. Von der ultimativen Krönung. Die Schweden sind eben erfolgsverwöhnt. Acht Mal gelang es den Tre Kronor bislang. Bei 40 von 65 Auftritten durfte man sich Edelmetalls erfreuen, eine beeindruckende Quote.
Vergangene Endrunde erlitt das ruhmreiche Image erste Kollateralschäden. Schon im Viertelfinale verabschiedete sich der Co-Gastgeber. Welchen Psychoknacks dies bei den Spielern hinterließ, wird der Turnierverlauf zeigen. Die Hoffnung ist jedenfalls unvermindert. Mit Spielern der Marke Loui Eriksson, Jhonas Enroth oder Pär Arlbrandt muss sie das sogar sein.
Player to watch: Gabriel Landeskog. 2011 war sein Jahr: Die Fachwelt staunte nicht schlecht, als er im Avalanche-Jersey durch die NHL fegte. 52 Punkte - ein Statement. Heuer stoppte ihn unter anderem eine Kopfverletzung. Zu Hause kann sich der 20-Jährige zurückmelden.
4. Tschechien
Einmal Gold, zwei Mal Bronze - und 2013? Tschechien zählt zum engsten Favoritenzirkel. Die Medaillen-Ränge hatte man in der jüngeren Vergangenheit gebucht. Das Roster von Alois Hadamczik überzeugt durch Geschlossenheit. Wie bei den Titeln nach der Jahrtausendwende. Klassische Go-to-Guys fehlen trotz Jakub Voracek, Jiri Tlusty, Radim Vrbata oder Tomas Fleischmann.
Um die K.o.-Runde muss man sich unter normalen Umständen nicht sorgen. Mit Schweden und Kanada begegnet Tschechien jedoch Teams, die tendenziell über sie zu stellen sind. Der sechsfache Titelträger sollte eine Schwächephase tunlichst meiden. Im Viertelfinale winken Kaliber.
Player to watch: Jakub Voracek. Am 23-Jährigen lag es nicht, dass in Philadelphia kein Playoff-Feeling aufkam. Unter all den Formschwachen avancierte er dank 46 Punkten zur Konstante.
5. Finnland
Im Mai 2011 endete die Durststrecke: 16 Jahre nach der historischen Premiere lächelte man vom Thron. Danach brachen alle Dämme. Es wurde gefeiert, in großem Stil und bis zum Umfallen. Nach einer berauschenden Party stürzte der Assistant Coach aus dem Flugzeug. Via Internet verbreitete sich dies wie ein Lauffeuer.
Die Öffentlichkeit echauffierte sich. Holt man daheim Gold, könnten wohl selbst Konservative über solch Exzesse hinwegsehen. Abermals wähnen sich die Suomi in einer komfortablen Position. Der Star ist die Mannschaft. Diese wird vielerorts unterschätzt. Nicht zu unterschätzen: Der Antrieb von der Tribüne. Mit dem Publikum im Rücken gelang schon so manch Sensation.
Player to watch: Lauri Korpikoski. Saku Koivu und Teemu Selänne halten in Übersee die Fahnen hoch, Mikko Koivu ist noch mit Minnesota in den Playoffs. Nur Korpikoski entstammt aus dem aktuellen Kader der NHL. Dafür sind die drei besten finnischen Scorer aus der heimischen Liga dabei, allen voran Juha-Pekka Haataja.
6. Slowakei
Die Slowakei ist zurück: Acht Jahre sehnte die Eishockey-Nation eine Medaille herbei. Im Vorjahr war es soweit. Gespickt mit Superstar wie Marian Gaborik, Marian Hossa oder Hexer Jaroslav Halak eroberte man Silber. Nun sieht sich der Weltmeister 2002 damit konfrontiert, dies zu bestätigen. Zuletzt häufte sich die Kritik an Erfolgsmacher Vladimir Vuijtek.
Im öffentlichen Diskurs wird vor allem die Kader-Zusammenstellung bemängelt. Einzige NHL-Akteure sind Verteidiger Andrej Sekera und Stürmer Tomas Kopecky. Veteran Jozef Stümpel darf sich im hohen Alter von 40 Jahren nochmals beweisen und auch der 38-jährige Miroslav Satan ist wieder dabei. In der Offense kommt außerdem KHL-Forward Tomas Zaborsky eine Schlüsselrolle zu.
Player to watch: Miro Satan. Seine Laufbahn neigt sich dem Ende zu. Der Stanley-Cup-Champion 2009 vertrat die Slowakei über eine Dekade erfolgreich in der NHL. Seit drei Jahren geht er für Slovan Bratislava auf Torejagd. Und für wichtige Tore ist er nach wie vor gut.
7. USA
Die Durststrecke ist lang, zu lang. Und sie wird 2013 anhalten. 52 Jahre wartet man jetzt auf den großen Wurf bei einer Endrunde. Die letzte Medaille, Silber, bejubelte man 2004. Warum? Das verrät ein Blick auf das Roster. Während Kanada die ganz schweren Geschütze auffährt, begnügt sich US-Coach Joe Sacco mit Durchschnitt.
Die prominentesten Namen: Paul Stastny, Matt Carle oder Stephen Gionta. Die restlichen Akteure sind in der NHL entweder Ergänzungen. Oder sie pendeln zwischen Anspruch und Wirklichkeit, sprich der AHL.
Player to watch: Paul Stastny. Er ist der dicke Fisch, ganz klar. Wobei die Produktion vergangener Jahre mit "nur" 24 Scorerpunkten einen Einbruch erlitt. Damit fügte er sich perfekt in die verkorkste Avalanche-Saison ein.
8. Schweiz
Die Eidgenossen haben vieles richtig gemacht: Unmittelbar nach dem Aufstieg katapultierte man sich 1998 in die Spitze. Die erste Medaille seit 1953 wurde knapp verpasst. Seither konnte man immer wieder Ausrufezeichen setzen. Getrost kann die Schweiz für Deutschland, Österreich und Co. als Vorbild dienen.
Die Förderung des Nachwuchses funktioniert bestens, zudem werden Talente ob der Import-Beschränkungen der Ligen zwangsläufig forciert. Mit Reto Berra hat man einen Keeper mit NHL-Potenzial, im Sturm ist Nino Niederreiter eine interessante Personalie. Der Durchbruch in der NHL lässt weiter auf sich warten, aber sein Talent ist unstrittig. Vom Talent gehört das Team ins Viertelfinale.
Player to watch: Roman Josi. Bei den Nashville Predators erarbeitete sich der Defender in den letzten eineinhalb Jahren ein gutes Standing. In Abwesenheit von Islanders-Kapitän Mark Streit wird der 22-Jährige in die Führungsrolle gedrängt. Die Reifeprüfung naht.
Platz 9-16: Deutschland und der Rest der Welt
9. Deutschland
Die DEB-Cracks sind nicht unbedingt zu beneiden: Nackenschlag um Nackenschlag setzte es in den letzten Jahren. All das verstärkt durch die historische WM 2010: Unter Regie von Uwe Krupp stieß man im eigenen Land in ungeahnte Sphären empor. Rang vier - eine Messlatte, die fortan unerreicht blieb.
DEB-Präsident Uwe Harnos im SPOX-Interview: "Ein Präsident schießt keine Tore"
Sotschi 2014 wurde blamabel verpasst, das 0:8 gegen Schweden in der Vorbereitung passte in das zerrüttete Gesamtbild. Positive Ausnahme: Das rehabilitierende 5:2 am Folgetag. Gleichwohl wäre man gut beraten, die Ansprüche zurückzuschrauben. Ansonsten, das akzentuierten zwei (knappe) Pleiten gegen die Schweiz, scheint Deutschland zum Scheitern verdammt.
Kratzen, kämpfen, beißen - klassische Tugenden werden im hohen Norden wegweisend sein. In den Auftaktspielen begegnet man Finnland sowie Russland. Die weiteren Gegner: Slowakei, USA, Österreich, Lettland und Frankreich. Das Viertelfinale scheint nicht realistisch, aber mit dem Abstieg darf die Cortina-Truppe nichts zu tun haben.
Player to watch: Christian Ehrhoff. Er ist ein Multimillionär. Ein gestandener Profi auf der veritabelsten Bühne, der NHL. Und ein Ehrenmann. Der Sabres-Defender glänzt nicht mit Abwesenheit, hält nach 48 Spielen in der NHL bei der WM für Deutschland seine Knochen hin. Panthers-Forward Marcel Goc zieht die WM ebenfalls dem Urlaub vor. Respekt!
10. Österreich
Seit der WM 2005 plagt Österreich das gleiche Schicksal: Kaum in der Weltelite angekommen, folgt der Abstieg. Das Fahrstuhl-Dasein soll endgültig abgelegt werden. Blöd nur, dass Stützen fehlen. Etwa Thomas Raffl (Lungenriss), Matthias Trattnig oder Pechvogel Rafael Rotter, dessen Karriere von Rückschlägen erschüttert wird.
Die geglückte Olympia-Qualifikation, als man Deutschland eliminierte, verschleiert viele Missstände. Hoffnungsträger sind in der Alpenrepublik rar gesät. Einer davon: Bernhard Starkbaum. Der gebürtige Wiener hielt im Premieren-Jahr in der Elitserien für Traditionsverein MODO glänzend. Nun kann er der NHL ein weiteres Empfehlungsschreiben widmen.
Player to watch: Thomas Vanek. Er ist das Aushängeschild in Rot-weiß-rot. Seit dem Draft '03 wirbelt er die NHL-Scorerlisten durcheinander. 51 Punkte brachten dem 29-Jährigen diesmal Rang neun ein. Wenn es läuft, kann er Konkurrenten im Alleingang erledigen. Ein Fragezeichen prangt über der sehr kurzfristigen Anreise.
11. Dänemark
Lange verdingte sich Dänemark in den Niederungen, pendelte zwischen B- und C-WM. Bis nach der Jahrtausendwende der Durchbruch folgte. Seit dem Wiederaufstieg 2002 waren die Skandinavier nicht aus der Weltgruppe zu verdrängen.
2010 erlebte man das Highlight: Noch nie klassierte sich die Nationalmannschaft besser als auf Platz zehn, in Deutschland wurde man Achter. Übrigens: Ein Gros ist in der DEL und Schweden engagiert. So lässt sich die spielerische Ausbildung begründen.
Player to watch: Mikkel Boedker. Der Coyotes-Stürmer verleiht den Dänen etwas NHL-Power im Angriff. Der 23-Jährige hat eine solide Saison (26 Punkte) hinter sich. In der Verteidigung heißt der NHL-Crack der Dänen Philip Larsen (Stars).
12. Weißrussland
Schwieriges Unterfangen für Weißrussland: Zuvor oftmals als potenzieller Viertelfinalist gehandelt, zeigte die Ergebnis-Kurve in den vergangene drei Jahren nach unten. Die Talfahrt könnte nun im erstmaligen Abstieg seit 2004 münden.
Das Aufgebot wurde aus Akteuren der KHL und der heimischen Liga zusammengewürfelt. Besonders Letztere geben ein Rätsel auf: Ihr Leistungsvermögen obliegt reiner Spekulation. Immerhin wies man im Testspiel die norwegische Auswahl, sprich einen Gruppengegner, in die Schranken.
Player to watch: Konstantin Koltsov. Ihm prognostizierten die Pittsburgh Penguins eine NHL-Karriere. Nicht durch Zufall kürten sie den Flügelstürmer zum 18. Pick. Nach solider Spielzeit 2003/04 mit 29 Punkten in 82 Einsätzen ging es rapide bergab. Ein Sturzflug bis in die KHL zu Atlant Mytishi.
13. Norwegen
Der Reiseaufwand ist überschaubar, für Norwegen ist es eine WM der kurzen Wege. Entsprechend werden die Supporter zahlreich ihre Helden begleiten. Die Rollen bleiben im hohen Norden dennoch eindeutig verteilt: Hinter den Gastgebern Schweden und Finnland mimt man den David. Und zwar mit Respektabstand.
Zuletzt etablierten sich die Isbjörnen, die Eisbären, allerdings, die vierte Top-10-Platzierung en suite könnte möglich sein. Internationale Härte kennen die Spieler jedenfalls, verdienen sie doch ihre Brötchen beinahe ausnahmslos in Schweden und Russland.
Player to watch: Patrick Thoresen. Er trägt die offensive Alleinverantwortung. In der NHL gescheitert, gehört der 29-Jährige zu den Hauptattraktionen der KHL. Gemeinsam mit Defender Ole-Kristian Tollefsen ist es ihm vorbehalten, das Team zu dirigieren.
14. Lettland
Rund zwei Millionen Einwohner zählt Lettland. Bei der Endrunde ist man jedoch Stammgast. In der IIHF-Rangliste wird man als Elfter geführt. Knapp hinter Deutschland (10.). Und vor Frankreich (14.), Österreich (15.) oder anderen, größeren Ländern. Stark!
Der russische Einfluss ist in der Identität nicht zu leugnen: Technisch sind die Cracks bestens geschult. Physisch hinken sie aber leicht hinterher. Es droht ein Kampf um den Klassenerhalt: In der Vorbereitung verlor man gegen Frankreich, also einen direkten Konkurrenten.
Player to watch: Miks Indrasis. In der abgelaufenen Spielzeit konnte der 22-Jährige in der KHL Fuß fassen. Für Dinamo Riga, das erst im April 2008 ins Leben gerufen wurde, verbuchte er ordentliche 26 Punkte.
15. Slowenien
Zwei Mal hielten sich die Slowenen in der A-WM. Ansonsten endeten die Gastspiele stets mit demselben ernüchternden Resultat: dem sofortigen Abstieg. Dieser scheint erneut nicht abzuwenden. Anze Kopitar trumpft zwar in der NHL auf. Ob der Playoffs steht er aber nicht zur Verfügung.
Das Idol fehlt an allen Ecken und Enden und ist keineswegs zu ersetzen. Aus dem Kader laufen einige Spieler in Deutschland, Österreich und Schweden auf. Allerdings dürfen sich die Wenigsten bei ihren Arbeitgebern als Leistungsträger fühlen.
Player to watch: Robert Sabolic. Der Stürmer wechselte erst im Januar nach Ingolstadt in die DEL, schlug dann aber mit 11 Punkten in 11 Spielen überragend ein. Die Belohnung war die Vertragsverlängerung beim ERC.
16. Frankreich
Unverhofft kommt oft: Urplötzlich fanden sich die Franzosen bei der WM 2009 auf Platz neun wieder. Schon damals glich es einem Wunder. Eine Wiederholung würde es noch toppen. Obwohl man Lettland im Vorfeld 3:1 besiegte, ist die Abstiegsgefahr akut. Alles andere wäre Realitätsverweigerung.
Spieler aus aller Welt scharrt Chef-Betreuer Dave Henderson um sich. In der NHL läuft nur Dallas-Stürmer Antoine Roussel regelmäßig auf. Prominente Namen gibt es kaum.
Player to watch: Cristobal Huet. Zugegeben, der frühere NHL-Schlussmann ist in die Jahre gekommen. Mittlerweile zählt er 37 Lenze und spielt in Lausanne. Zu Glanzzeiten stieg er bei den Canadiens zum All-Star auf, in Chicago nahm er 2010 den Stanley Cup entgegen, auch wenn er daran nur geringen Anteil hatte. An Erfahrung mangelt es ihm nicht.
Der WM-Spielplan im Überblick