Audi verleiht Flügel

Alexander Maack
17. März 201514:15
Helmut Marko (r.) führt die Motorsport-Aktivitäten für Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz ausxpb
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Helmut Marko hat mit der Androhung eines Abschieds von Red Bull aus der Formel 1 für Wirbel gesorgt. SPOX beantwortet die fünf wichtigsten Fragen, erklärt die Hintergründe und wagt einen Blick in die Zukunft.

Warum droht Red Bull mit dem Ausstieg?

Kein Verantwortlicher eines Formel-1-Teams stellt sich heutzutage vor die Kameras der TV-Sender und Mikrofone der schreibenden Journalisten und rastet ungeplant aus. Was Motorsportberater Helmut Marko äußert, mag zwar österreichisch unverblümt erscheinen. Es steckt aber ein Plan dahinter.

Red Bull betreibt seine Formel-1-Teams nicht ohne Grund. Mit 1,3 Milliarden Euro gab Besitzer Dietrich Mateschitz gegenüber der NZZ schon 2011 das Marketingbudget seines Konzerns an, rund 600 Millionen flossen in Event- und Sportmarketing. Die Autokonzerne betreiben Imagetransfer von der Rennstrecke zur Straße, Red Bull von der Rennstrecke zur Dose.

"Für ein Waschpulver, das Omo heißt, ist ein Rennstall kaum sinnvoll. Das muss schon passen. Red Bull ist ein Energydrink, damit sind wir für den Sport und die Formel 1 prädestiniert. Der Vorteil, den wir marketingmäßig haben, besteht darin, dass wir einen anderen Ansatz haben", so Mateschitz: "Wir kaufen uns nicht einfach für einen Koffer voller Geld einen Kotflügel, um ihn mit unserem Logo zu bekleben, wir betreiben unseren eigenen Rennstall, wir übernehmen selbst die Verantwortung."

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Das Engagement muss sich für den Selfmade-Milliardär rechnen. "Es geht ja auch um die Qualität einer Markenpräsenz und um Imagetransfer. Wenn wir Eishockey oder Fußball spielen und dabei gewinnen, wenn wir Formel 1 fahren und Weltmeister werden, dann ist der Effekt viel größer", erklärte das Marketinggenie, das früher Zahnpasta vertrieb: "Die Medien berichten im redaktionellen Teil darüber, wir sind es selber, die den Erfolg feiern. Diesen Ansatz haben wir über zwanzig Jahre durchgezogen."

Es sind diese zwei Punkte, die derzeit durch das Investment in Red Bull Racing und Toro Rosso nicht erfüllt werden: Die eigene Verantwortung bringt keinen Erfolg, weil die Formel 1 der neuen Hybridära von der Leistungsstärke der Powerunits bestimmt wird, Red Bull als Renault-Kundenteam aber nur das Chassis baut. Die Berichterstattung über ein Mittelklasseteam verringert sich aber sukzessive.

Den fehlenden Werbewert sportlicher Misserfolge musste zuletzt Sauber feststellen. Die Schweizer verloren vor der Saison 2015 gleich mehrere Sponsoren an Force India. Dasselbe Schicksal ereilte Lotus, die ihre Geldgeber an Williams abtreten durften. Red Bull Racings Vorpreschen ist daher verständlich.

Verliert Mateschitz die Lust an seinem teuren Mäzenatentum, sind die Arbeitsplätze von rund 650 Mitarbeitern in Milton Keynes gefährdet. Schon jetzt verhandelt Red Bull mit Renault über einen Verkauf von Toro Rosso. Allerdings führen die Franzosen auch bestätigte Gespräche mit Force India. Sauber bestätigt Kontakt, der seit längerer Zeit existiert. Zudem soll auch bei Lotus zwecks einer Übernahme angefragt worden sein.

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Seite 2: Welche Folgen hätte der Rückzug für den Motorsport?

Seite 3: Wie kann das Problem gelöst werden?

Seite 4: Warum attackiert Red Bull gleichzeitig Renault?

Seite 5: Steckt hinter der Drohung ein Masterplan?

Welche Folgen hätte das für den Sport?

Die Motorsport-Welt bricht nicht zusammen - zumindest wird sie sich jedoch deutlich verändern. Ein kleines Rechenspiel gefällig? 27,7 Prozent der in Melbourne startberechtigten Fahrer kamen mit Red-Bull-Unterstützung in die Formel 1. Einer von zwei Champions der Langstrecken-WM WEC ist Sebastien Buemi, früherer Toro-Rosso-Pilot und heutiger Red-Bull-Test- und Ersatzfahrer.

Steigt Red Bull aus der Formel 1, hätte auch das eigene Juniorteam keine Daseinsberechtigung mehr. Warum sollte der Konzern junge Talente aufbauen, die für andere Teams die Erfolge einfahren, die im schlechtesten Fall wie Mercedes für einen direkten Marktkonkurrenten werben? Zieht sich Red Bull aus der Nachwuchsförderung zurück, ist das eine Hiobsbotschaft für große, aber weniger gut betuchte Talente.

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Offiziell beschäftigt Red Bull derzeit nur Pierre Gasly, Callum Ilott und Dean Stoneman in den Nachwuchsklassen. Allein für die GP2-, GP3- und Formel3-Euroseries-Cockpits der drei Fahrer werden bei vorsichtiger Schätzung 3,2 Millionen Euro fällig. SPOX

Im Vergleich zur Formel 1 sind das Peanuts. Wer sich aber vor Augen führt, dass die letzten drei GP2-Champions allesamt aufgrund fehlender Fördergelder kein Einsatzcockpit fanden, erkennt das Problem. Selbst eine Saison mit Manor dürfte mittlerweile nicht weniger als fünf Millionen Euro kosten.

Zudem geht die Unterstützung junger Rennfahrer seitens Red Bull über die Lackierung ganzer Autos hinaus. Den Simulator in Milton Keynes nutzen auch Talente, die ohne Bullen-Aufkleber herumfahren. So jettet etwa das 14-jährige Karttalent Sophia Flörsch aus München schon vor ihrem für 2016 geplanten Aufstieg in die neue Formel 4 regelmäßig ins Werk des Formel-1-Teams.

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Wie kann das Problem gelöst werden?

Red Bull fordert Reglementänderungen, die FIA soll eingreifen. Der öffentlichkeitswirksame Ausraster Markos war nur der letzte Tropfen einer Reihe von Äußerungen, die die Führungsspitze in den letzten Wochen platzierte. Die Forderungen nach der Wiedereinführung des V8-Verbrennungsmotors haben Marko und Mitstreiter mittlerweile eingestellt.

Stattdessen fordert das Team nun ein Eingreifen des Automobilweltverbands. Ex-Technikdirektor Adrian Newey und Teamchef Christian Horner erinnerten unabhängig voneinander in Melbourne einstimmig an die Verbote von Doppeldiffusor, Coanda-Auspuff, flexiblen Flügeln und Motorensoftware. Die Botschaft: Wir waren nie so überlegen, wie Mercedes aktuell ist.

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"Die FIA hat innerhalb der Regeln einen Ausgleichsmechanismus. Ich denke, dass sie sich das angucken sollten", forderte Horner ein Eingreifen zur Angleichung der Leistungsfähigkeit: "Nehmt Mercedes nichts weg, sie haben einen super Job gemacht. Sie haben ein gutes Auto, einen fantastischen Motor und zwei sehr gute Fahrer. Das Problem ist: Die Lücke ist so groß, dass wir dreigeteilte Rennen bekommen. Das ist nicht gesund für die Formel 1." SPOX

Was also ist gesund? Wenn alle Motorenhersteller an der Spitze um Siege kämpfen. So wie es zu Zeiten der V8-Motoren war, als die anfänglichen Leistungsunterschiede über Jahre durch eine Hintertür im Reglement fast vollständig ausgeglichen wurden. In der Formel 1 darf jedes Teil des Antriebs verbessert werden, wenn die Änderung der verbesserten Haltbarkeit dient. Gleichzeitig kann so Leistung gewonnen werden.

Da Red Bull nach der Insolvenz von Caterham und dem Wechsel von Lotus zu Mercedes der einzige verbliebene Kunde von Renault ist, wäre zu erwarten gewesen, dass die Franzosen sich komplett auf ihr Beinahe-Werksteam konzentrieren und jeden Wunsch erfüllen. Das ist aber nicht geschehen.

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Warum attackiert Red Bull weiter Renault?

Red Bull fuhr neben der Ausstiegsdrohung und der Forderung nach einem Balancing of Power deutliche Kritik an Renault, forderte einen Umbau der Organisation. Wer den eigenen Partner, mit dem man vier Jahre lang Weltmeister wurde, derart heftig über einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten öffentlich diffamiert und ihm die alleinige Schuld zuspricht, muss mehr wollen.

Würde Renault zusichern, jeden Wunsch aus Milton Keynes zu realisieren, wäre schnell Ruhe. Doch das machen sie nicht. Die brennende Frage: Wo bleibt Red Bull, wenn Renault wieder ein eigenes Werksteam hat? Die öffentlichen Aussagen von Motorsportdirektor Cyril Abiteboul mögen verhalten klingen - Renault prüfe, ob sie den Etat erhöhen oder verringern.

Die Franzosen zeigen aber sehr eindeutig, dass sie starkes Interesse an einem werksseitigen Comeback haben. Sie besuchten in den letzten Wochen die Werke mehrerer Teams und Force India berichtete offen über die Gespräche betreffend einer Übernahme. Zudem hat Renault Bob Bell verpflichtet, der bis Ende 2014 als technischer Direktor den Aufstieg von Mercedes verantwortete.

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Der Vorteil daran: Das Budget steigt. Das Formel-1-Engagement jedes Automobilkonzerns setzt sich aus den Töpfen für Motorsport und Marketing zusammen. Fährt ein Auto komplett in der Lackierung des eigenen Konzerns, erhöht sich die Geldsumme, die die Controller bereitstellen. Red Bull Racing wäre plötzlich ein ganz normales Kundenteam wie Williams.

Die Franzosen würden komplett für ihren eigenen Rennstall entwickeln, Red Bull müsste das eigene Auto für das Konzept anpassen wie Williams und Force India bei Mercedes oder Sauber und Manor bei Ferrari. Reicht das den erfolgsverwöhnten Österreichern? Wohl kaum.

Der einzige Ausweg aus der Abhängigkeit? Einen eigenen Motor bei Red Bull Engineering entwickeln. Dann würde der Markenclaim "Red Bull verleiht Flügel" wirklich zutreffen. Das will das Team aber nicht. Logisch: Es fehlt das technische Fachwissen. Das könnte sich das Team zwar teuer zukaufen. Aber Erfolg ist nicht garantiert.

Da der eigene Vertrag mit Renault Ende der Saison 2016 ausläuft, ist interessant, wie Red Bull sich weiter verhält. Das Tischtuch zu Renault scheint mittlerweile kurz vor dem Reißen. Abiteboul forderte in Melbourne mehr Respekt. Hofft das Team aus Milton Keynes, dass Honda, Mercedes oder Ferrari es beliefern?

Bis eine Entscheidung getroffen werden kann, ist Druck auf die Regelhüter nur logisch. Bekommen die Verfolger mehr Freiheiten bei der Weiterentwicklung der Powerunits, wird die Aerodynamik wieder wichtiger, bis sie bei gleicher Leistung aller Motoren wieder allein über den Sieger entscheidet. Dann schlägt Red Bulls Stunde.

Weitere Alternativen könnten nur der Aufbau einer eigenen Rennserie oder das Sponsoring der Formel 1 als Namensgeber sein. Dabei würde aber die Mateschitz-Vorstellung der Eigenverantwortung mit einem teilnehmenden Team nicht erfüllt werden. Ein Einstieg in die WEC und damit die Teilnahme an den 24 Stunden von Le Mans würde ebenfalls die Entwicklung eines eigenen Hybridmotors bedingen, ist also ebenfalls sehr unwahrscheinlich.

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Steckt hinter der Drohung ein Masterplan?

Red Bull braucht zunächst einen Abnehmer für sein Team. Die investierten Unsummen wird selbst Dietrich Mateschitz nicht vernichten wollen, ohne eine Ablöse mitzunehmen. Wer allerdings sollte das hochgezüchtete Team übernehmen? Volkswagen will nicht, weshalb Audi nicht darf.

Ist ein Ausstieg deshalb ausgeschlossen? Mitnichten. Mateschitz stieß 2001 auch seine Zwei-Drittel-Beteiligung an Sauber ab, weil das Team nur hinterherfuhr. Die Königslösung für Red Bull Racing wäre trotzdem ein Einstieg der Ingolstädter - eventuell als Motorenlieferant nach Vorbild von McLaren-Honda.

Die Voraussetzungen dafür sind nicht schlecht. Das derzeitige Engagement von Audi in der WEC sollte kein Hindernis darstellen, Volkswagen hat mit Porsche schließlich eine weitere Marke an den Start gebracht. Der Zeitplan passt perfekt: Aufbau in den Jahren 2014 und 2015, spätestens in der Saison 2016 muss der Titel das Ziel sein.

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Dann wäre Audi für die Markenpräsenz in Le Mans nicht mehr nötig. Zufälligerweise läuft Red Bulls Vertrag mit Renault zeitgleich aus. Und: Das derzeitige Motorenreglement ist in der Saison 2017 nicht mehr gültig. Ein Einstieg wäre bei grundlegenden Änderungen oder mehr Entwicklungsfreiheit der Hersteller attraktiv, weil jeder Neuling mit der aktuellen Regelung Schwierigkeiten hat, den Vorsprung von Mercedes, Ferrari und Renault aufzuholen. McLaren-Honda drängte nicht umsonst darauf, sein Aggregat während der Saison weiterentwickeln zu dürfen.

Den Finanzkontrolleuren von VW dürften die derzeitigen Ausgaben für zwei Langstreckenprojekte ohnehin ein Dorn im Auge sein. Dass Ex-Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali nach seiner Einstellung bei Audi lange in der Abteilung für Dienstleistungen und Mobilität arbeitet, glaubt niemand. Zumal der frühere Rennleiter seit Dezember 2014 Chef der FIA-Single-Seater-Kommission ist. Offiziell in seiner Freizeit, doch Gerhard Berger gab das Amt ab, weil es zu zeitintensiv war.

Laut BBC und Auto, Motor und Sport führte Domenicali in den vergangenen Monaten eine Machbarkeitsstudie durch, die dem Vorstand im Dezember vorgestellt wurde. Das Fazit soll positiv ausgefallen sein.

Es gibt aber ein Hindernis: Bernie Ecclestone. Der VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piech legte bei jedem geplanten Formel-1-Einstieg sein Veto ein. Er arbeitet seit 1993 bei Volkswagen. Schon 2008 waren Red Bull und der niedersächsische Automobilkonzern in weit fortgeschrittenen Gesprächen. Angeblich traut Piech dem Chefpromoter nicht über den Weg, seit der Mitte der 70er mit Porsche über einen Motorenlieferung für sein Brabham-Team verhandelte.

Solange Ecclestone nicht seinen Hut nimmt, wird der mächtige Piech kaum einem Einstieg zustimmen. Der Engländer wirtschaftet allerdings nicht mehr in die eigene Tasche, ist Angestellter des Finanzinvestors CVC, der die Rechte an der Formel 1 im Jahr 2005 übernommen hat. Das Unternehmen ist dafür bekannt, Anteile weiterzuverkaufen, sobald sich eine lukrative Möglichkeit ergibt. Und: Ecclestone ist mittlerweile 84 Jahre alt.

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Der Formel-1-Kalender 2015 im Überblick