Bei der U-20-WM in Ägypten ist für Horst Hrubesch "der Tag X gekommen". Trotz 27 fehlender Spieler will der Trainer heute um 16 Uhr gegen die USA erfolgreich in das Turnier starten.
Matthias Sammer schämt sich gegenüber Mannschaft und Trainer, kritisiert den Weltverband FIFA und denkt laut über einen Boykott nach: Die Diskussionen um die U-20-WM hält seit Wochen Fußball-Deutschland auf Trab, doch der DFB-Sportdirektor bringt unmittelbar vor dem Turnierstart eine neue Schärfe in die Diskussion.
Als Trainer Horst Hrubesch nach einem noch nie erlebten Abstellungs-Theater am Dienstag mit nur 15 Spielern nach Ägypten aufbrechen musste, kochte bei Sammer, Europameister von 1996, die Wut verständlicherweise über. Insgesamt 27 Spielern hatten die Vereine die Freigabe verweigert, zwei weitere sind verletzt, zwei bleiben auf Abruf in der Heimat. Hrubesch startet mit Handicap 27.
Sammer: "Die FIFA lacht sich über uns kaputt"
Der Trainer kämpft in der ihm gegebenen Art darum, das Selbstwertgefühl der Spieler zu steigern und sie als Einheit zusammenzuschweißen. Ganz nach der Methode "good guy, bad guy" übernimmt Sammer dafür die Rolle des Anklägers und richtet sie an den Verursacher des Chaos: Die FIFA.
"Für uns ist der Super-Gau eingetreten. Das, was jetzt passiert, ist nur noch peinlich. Ich habe keine Lust mehr, mich veralbern zu lassen", sagte Sammer dem "Kicker": "Ich glaube, bei der FIFA lachen sie sich kaputt über uns."
Der Weltverband hatte die am Freitag beginnende WM, in die Deutschland heute in Suez gegen die USA einsteigt, mitten in die Saison statt wie sonst in die Sommerpause gelegt. Daraufhin hatte Sammer bereits am Mittwoch in der "Bild" erklärt, er "schäme sich gegenüber unserem Trainer und den Spielern. Die ganze Angelegenheit ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten."
Boykott war für den DFB kein Thema
Den Boykott hat der DFB offensichtlich nie erwogen, denn die Situation war spätestens seit dem Gipfeltreffen mit der Deutschen Fußball Liga und den Vereinen Anfang August absehbar. Sollte sich diese Konstellation wiederholen, müsse man einen Streik laut Sammer für die Zukunft aber zumindest erwägen.
"Was wäre denn gewesen, wenn kein Verein irgendeinen Spieler abgestellt hätte", meinte er: "Das hätte mich interessiert, was dann passiert. Kann uns die FIFA wirklich bestrafen, zumal ihre inkonsequenten Vorgaben die Situation erst ermöglicht haben?"
"Der Tag X ist gekommen"
Hrubesch will sich dazu nicht äußern, er hat genug damit zu tun, nach abgesagtem Lehrgang und ständigem Personalwechsel eine Mannschaft zu formen. "Es wurde in den letzten Wochen genug gejammert. Jetzt ist der Tag X gekommen", sagte er dem "SID".
"Richtig gute Jungs mit großer Qualität" habe er, versichert der Europameister von 1980, der im Vorjahr diesen Jahrgang und vor drei Monaten die U 21 zu Europameistern formte.
Lars Bender und Lewis Holtby sind die bekanntesten Gesichter
Aus dem Titel-Hattrick wird aller Voraussicht nach aber nichts werden. Während andere Nationen, außer mit Abstrichen England, auf fast alle Wunschspieler zurückgreifen können, fehlen der DFB-Auswahl Talente wie Holger Badstuber, Thomas Müller (beide Bayern München), Toni Kroos (Bayer Leverkusen), Timo Gebhart (VfB Stuttgart), Savio Nsereko (AC Florenz), Christoph Moritz (Schalke 04) oder Sven Bender (Borussia Dortmund).
Dessen Zwillingsbruder Lars (Leverkusen) ist neben dem Schalker Lewis Holtby der namhafteste der am Ende 18 Verbliebenen, spielte mit Bayer aber noch im DFB-Pokal und reiste erst am Donnerstagabend an.
"Wenn wir alle beisammen hätten, wären wir sicher als Favorit nach Ägypten geflogen", meinte Hrubesch, der sich nun auf andere Ziele konzentrieren muss: "Wir wollen uns durch die Vorrunde kämpfen. Und ab dem Achtelfinale muss man sehen, was möglich ist."
Keine eingespielte Mannschaft
Eine eingespielte Mannschaft wird am Samstag nicht auf dem Platz stehen können, aus dem EM-Kader von 2008 sind nur noch sechs Spieler dabei. Doch Hrubesch vertraut auf den Zusammenhalt. Und den hat er offenbar bereits gefördert.
"Wir haben eine gute Mannschaft und eine super Atmosphäre im Team", sagt Stürmer Richard Sukuta-Pasu von Bayer Leverkusen: "Unser Verständnis füreinander wird mit jeder Trainingseinheit besser, und wir wollen hier für eine Überraschung sorgen."