Der Gallier von der Alb

Felix Götz
24. Januar 201511:09
Martin Strobel spielt bisher eine ganz starke WMgetty
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Trotz Topspielern wie Steffen Weinhold oder Uwe Gensheimer: Der Kopf und Schlüssel des DHB-Teams ist Martin Strobel. Dabei steht der Spielmacher bei einem kleinen Klub unter Vertrag, für den nur der Klassenerhalt zählt. Vor dem Spiel gegen Saudi-Arabien (17 Uhr im LIVE-TICKER) sind Oliver Roggisch, Mimi Kraus und Dagur Sigurdsson im Gespräch mit SPOX voll des Lobes.

SPOX

Balingen, ein Städtchen im Süden Baden-Württembergs, rund 70 Kilometer von Stuttgart entfernt. Viele der 33.000 Einwohner sind handballverrückt. Wenn in der 2320 Zuschauer fassenden Sparkassen-Arena das Licht angeknipst wird, sind sie in der Regel da.

Der Alltag des HBW Balingen-Weilstetten heißt Abstiegskampf, der Klub schlägt sich mit einem der kleinsten Etats der Liga durch. Eigentlich ein Ausbildungsverein, der aktuell Rang 14 in der HBL belegt, in der vergangenen Saison sportlich abgestiegen ist und nur wegen des Lizenz-Theaters um den HSV in der Liga bleiben durfte.

Ausgerechnet dieser Provinzklub ist für Deutschland Gold wert, stellt er doch dem DHB-Team einen der Hauptprotagonisten für das derzeitige Wüstenmärchen in Doha zur Verfügung: Martin Strobel.

"Der Kopf unserer Mannschaft"

"Martin zeigt, was in ihm steckt. Ich habe ihn noch bei keinem großen Turnier in so einer Form erlebt. Er übernimmt Verantwortung und macht unglaublich wenig technische Fehler. Er ist momentan mit Steffen Weinhold zusammen der Kopf unserer Mannschaft. Sensationell, was er auf die Platte bringt", schwärmt Teammanager Oliver Roggisch gegenüber SPOX.

Sieg gegen Argentinien: Dagur und die furchtlosen Krieger

Ob gegen Polen, Russland, Dänemark oder Argentinien: Strobel stand bisher in jeder Partie in der Startaufstellung und machte seine Sache immer mindestens ordentlich, meistens sogar sehr gut. 12 Tore stehen für den 28-Jährigen zu Buche - bei gerade einmal 14 Versuchen!

Dabei ist das Torewerfen bei weitem nicht seine Hauptaufgabe. Strobel soll das Spiel in die Hand nehmen, seine Mitspieler mit seiner Übersicht einbinden, in heißen Phasen kühlen Kopf bewahren. All das kann er, findet auch Dagur Sigurdsson.

Strobel denkt an das Team

"Er ist der klassische Spielmacher, wie ich ihn mir vorstelle", sagt der Bundestrainer: "Martin ist ein Schlüssel für unser Angriffsspiel. Gerade in schwierigen Situationen hat er bewiesen, was er kann und dass man sich auf ihn verlassen kann."

Der Kopf, der Schlüssel - so viel Lob auf einmal. Konfrontiert man Strobel damit, wird sofort deutlich: Dieser Mann spricht ungern nur über sich und schon gar nicht über Lobhudeleien, wenn sie seine Person betreffen. Er steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden, will einfach nur Handball spielen.

"Es ist natürlich schön, wenn der Bundestrainer so etwas sagt", meint der in Rottweil geborene Strobel, für den es die dritte WM-Teilnahme ist: "Aber es geht ja hier nicht um mich, sondern um die Mannschaft."

"Glatt" und "grundsolide"

Selbst Sigurdssons Lob, dass Strobel hervorragend mit Weinhold und Paul Drux harmoniere, leitet der HBL-Rookie von 2008 lieber an seine Mitspieler weiter. "Paul und Steffen können mit Einzelaktionen viel bewegen", erklärt Strobel. Darüber, dass er die Szenen des Duos oft einleitet, verliert er kein Wort.

Heiner Brand im SPOX-Interview

Es ist einfach nicht die Art des Rechtshänders, sich in den Mittelpunkt zu stellen. Eine Ausnahme macht er nur bei seiner Position auf dem Spielfeld. Als "glatt" und "grundsolide" beschreibt Mimi Kraus den Menschen Martin Strobel: "Er ist ein sehr ruhiger, sehr besonnener Typ." So ein wenig ein Gegenpol zum Göppinger selbst, dem man anmerkt, dass er seinem Kollegen den Erfolg in vollem Umfang gönnt.

Es stellt sich die Frage, warum ein Spieler, der auf der ganz großen Bühne einer Weltmeisterschaft zu solch großartigen Leistungen fähig ist, bei keinem entsprechend großen Verein unter Vertrag steht?

Ein gefestigtes Umfeld ist alles

Ein Punkt ist sicher die Tatsache, dass Strobel im Nationaltrikot bis zum Turnier in Katar noch nicht in der Form überzeugte. Wobei Roggisch einwirft: "Er zeigt seit Jahren in der Bundesliga, was er drauf hat. Nichts gegen Balingen. Aber dass Strobel ein Spieler ist, der auch in einer besseren Mannschaft spielen könnte, ist klar."

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Den wahrscheinlich entscheidenden Grund nannte Kraus. "Ich kenne Martin ja schon sehr lange", erklärt der Göppinger: "Er legt sehr viel Wert auf Familie und ein gefestigtes Umfeld. Das hat er in Balingen, er fühlt sich wohl."

Vor allem deshalb kehrte Strobel 2013 nach fünf Jahren beim TBV Lemgo, mit dem er 2010 den EHF-Pokal gewann, zurück zu den Galliern von der Alb. Hier wurde er Profi, hier kennt er alle, hier ist sein soziales Umfeld, hier spielt er sogar mit seinem Bruder Wolfgang zusammen in einer Mannschaft.

Dann eben zweite Liga

Wie sehr er das alles zu schätzen weiß, zeigte sich im vergangenen Sommer. Obwohl Balingen - wie erwähnt sportlich abgestiegen - der Gang in die zweite Liga drohte, gab er dem Verein seine Zusage für die anstehende Saison. Egal in welcher Spielklasse.

Bleibt noch Strobels Entdecker zu erwähnen. Dr. Rolf Brack, der mittlerweile die Schweiz trainiert. Vor den Olympischen Spielen 2008 ließ sich der "verrückte Professor" zu dem Satz hinreißen: "Mit Martin Strobel gebe ich der Nationalmannschaft eine Garantie aufs Finale."

Heiner Brand nahm Strobel trotzdem nicht mit nach Peking, Deutschland scheiterte bereits in der Vorrunde. Vielleicht erfüllt sich Bracks Vorhersage von einem großen Endspiel ja mit sieben Jahren Verspätung. Ein bisschen träumen sei erlaubt.

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