Week 4 wird in die Saison-Annalen als das große Kicker-Versagen eingehen. Ganz vorne mit dabei: Kyle Brindza, der prompt von den Tampa Bay Buccaneers entlassen wurde. Rund um die Jaguars-Kabine gab es einen peinlichen Vorfall, während der Star der noch jungen Saison aus Atlanta kommt - und es ist nicht Julio Jones. Außerdem: Agholors Achterbahnfahrt in 60 Sekunden, das One-Hit-Wonder aus Carolina und das Wrestling-Highlight der Woche.
Das Debakel der Woche: Das Kicker-Debakel - und Debakel ist noch geschönigt. 18 (!) Field-Goal-Versuche oder Extra-Punkte gingen am vierten Spieltag insgesamt daneben, und nicht selten mit schwerwiegenden Konsequenzen. Die beiden Fehlschüsse von Josh Scobee kosteten Pittsburgh den Division-Sieg über Baltimore, hätte Bucs-Kicker Kyle Brindza seine beiden Versuche verwandelt, wäre Tampa Bay gegen Carolina zumindest länger im Spiel gewesen.
Für Brindza war es sogar schon des Debakels zweiter Teil: Nimmt man die letzten beiden Spiele zusammen, hat er zwei von sieben Field-Goal- und zwei von vier Extra-Punkt-Versuchen verwandelt. Autsch. Sowohl Scobee, als auch Brindza wurden zum Wochenbeginn folgerichtig entlassen. Ähnlich bitter: Jaguars-Kicker Jason Myers, der, durch ein Timeout gar zwei Versuche (und in Overtime nochmals eine Chance) bekam, um den mutmaßlichen Game-Winner gegen Indianapolis zu verwandeln. Da am Ende der 40-jährige Luck-Vertreter Matt Hasselbeck jubelte wissen wir alle, wie das ausgegangen ist.
Saints-Kicker Zach Hocker hatte Glück im Unglück, trotz seines verpassten Game-Winners aus 30 Yards (...) schlug New Orleans die Dallas Cowboys in der Overtime. Also ja - keine gute Woche für viele Kicker. Zumindest die Liga wird es freuen, durch die weiter entfernten Extra-Punkte sollte mehr Drama erzeugt werden. Bisher gilt: Mission erfüllt. Doch zur Verteidigung der tretenden Zunft: Der Unterschied im Vergleich zum Vorjahr ist minimal. In der mittleren Reichweite (20-49 Yards) ist ein leichter prozentualer Abfall zu erkennen, die Field Goals aus über 50 Yards dagegen waren besser. Insgesamt notieren die Statistiker einen Rückschritt in der Präzision von weniger als einem Prozent.
Der Star der Woche: Devonta Freeman. Wer führt die NFL in Touchdowns an? Jamaal Charles? Rob Gronkowski? Der in den Jungbrunnen gefallene Larry Fitzgerald? Alles falsch - es ist Devonta Freeman! Der Running Back der Atlanta Falcons hat schon sieben Scores auf dem Konto. Nach vier Spielen hatte so viele zuletzt ein gewisser LaDainian Tomlinson 2004 - in seiner MVP-Saison!
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Am Sonntag gelangen ihm zum zweiten Mal in Folge drei Touchdowns, womit er großen Anteil daran hatte, die Houston Texans und deren gefürchtete Defense zu vernichten. Freeman läuft hart, ist explosiv und muss sich derzeit vor niemandem verstecken. Damit gibt er der Falcons-Offense um Matt Ryan und Julio Jones, seit den goldenen Tagen von Michael Turner eine nahezu reine Passing-Offense, die dringend benötigte Balance. Wahrlich MVP-würdig, oder?
Der Flop der Woche: Die Peinlichkeit in der Jaguars-Kabine. Einen Rückfall in graue Vorzeit erlebten gleich drei Reporterinnen nach dem Gastspiel der Jacksonville Jaguars bei den Indianapolis Colts: Ihnen wurde zunächst der Zutritt zur Gästekabine verwehrt, weil sie Frauen seien.
Das berichteten sowohl Graham Watson als auch Joey Chandler, denen von einem älteren Stadion-Betreuer erklärt wurde, er müsse erst die Herren fragen, ob es okay wäre, den Damen Zutritt zu gewähren. Dabei waren alle ordnungsgemäß akkreditiert und nicht nur das - die Frauen waren im Zuge des Diversity Weekend, also um Vielfältigkeit zu fördern, im Stadion. Die Erklärung des PR-Personals der Colts: Der Mitarbeiter war in einem Bereich des Stadions, in dem er nicht genau wusste, wer da nun Zutritt habe.
Chandler dagegen berichtete: "Der Betreuer wusste offensichtlich nicht, dass auch Frauen über Sport berichten. Ich habe über Sport-Events auf der ganzen Welt berichtet, musste aber erst nach Indianapolis kommen, um wegen meines Geschlechts diskriminiert zu werden." Immerhin: Die PR-Abteilungen beider Teams entschuldigten sich anschließend öffentlich.
One-Hit-Wonder der Woche: Ted Ginn Jr. Dass ein Team im Jahr 2015 Erfolg haben könnte, wenn sein klarer Nummer-1-Wide-Receiver Ted Ginn Jr. heißt, hätte sich noch vor einigen Wochen kaum jemand ernsthaft träumen lassen. Doch die Carolina Panthers strafen derzeit alle Kritiker Lügen: Beim 37:23-Sieg über die Tampa Bay Buccaneers fing der 30-Jährige zwei Touchdown-Pässe von Cam Newton und schraubte seine Season-Ausbeute damit auf drei Scores hoch.
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Und dennoch scheint es unwahrscheinlich, dass der frühe Saisonerfolg anhält. Und das nicht nur, weil als nächstes nach der Bye-Week ein Trip nach Seattle auf dem Programm steht: Gegen eine erneut maßlos enttäuschende Bucs-Defense hatte Ginn in der Red Zone zwei Mal leichtes Spiel, was seine Stat-Line (2 REC, 18 YDS, 2 TDs) erklärt und auch wenn er zumindest, allein aus Mangel an Alternativen, für den weiteren Saisonverlauf ein halbwegs solider Receiver sein wird - sein erstes NFL-Spiel mit zwei TD-Receptions wird, so die SPOX-Prognose, auch sein letztes gewesen sein.
Der Wrestling-Move der Woche: Mario Williams. Buffalos ligaweit gefürchtete Defensive Line erlebte am Sonntag gegen die New York Giants bei Weitem nicht ihren besten Tag und hatte somit zweifellos ihren Anteil an der Pleite gegen die G-Men. Und doch gehörte das Highlight-Play der Partie eben jener Line.
Defensive Tackle Mario Williams kam bei einem Run Play ungehindert durch und Rashad Jennings bekam die vollen Konsequenzen zu spüren - alle 292 Pfund davon: Williams schnappte sich den Giants-Running-Back, drehte ihn einmal im wahrsten Sinne des Wortes auf den Kopf und warf Jennings auf den Boden. Jeder Wrestler wäre stolz gewesen - ein absoluter Wow-Moment!
Genie und Wahnsinn der Woche: Der Agholor-Fumble. So nah liegen Welt- und Kreisklasse normalerweise nicht beieinander, vor allem nicht von einem Play aufs nächste. Doch bei Nelson Agholor, dem Rookie der Philadelphia Eagles, war das Spektrum zumindest am Sonntag immens!
Im zweiten Viertel der Partie bei den Washington Redskins fing der Wide Receiver zunächst überragend mit einer Hand eine 45-Yard-Bombe von Sam Bradford, die Philly in aussichtsreiche Position brachte. Doch direkt danach versuchten die Eagles einen End-Around mit Agholor - und dieser verlor das Ei prompt bei der Ballübergabe. Fumble, Turnover, Washington Football. Alles innerhalb von (spektakulären) 60 Sekunden.
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Das Play der Woche: Ed Dickson. Kein Zweifel hier: Zu Beginn des dritten Viertels waren die Buccaneers tatsächlich noch im Division-Duell mit den Carolina Panthers drin, Tampa Bay lag mit lediglich 10:17 zurück. Carolina versuchte ein Running Play und nach mehreren Hits ließ Running Back Jonathan Stewart das Ei fallen - doch der aus Bucs-Sicht erhoffte Turnover blieb aus.
Stattdessen schnappte sich Tight End Ed Dickson den Ball aus der Luft, ehe der überhaupt auch nur den Boden berührt hatte, und trug ihn ungehindert zurück in die Endzone. Ab da lief das Spiel aus Sicht der Buccaneers aus dem Ruder und so ließ sich für Tampa Bay in bester Oli-Kahn-Manier nur konstatieren: Wenns scheiße läuft, läuft's scheiße.
Der Drive der Woche: Washingtons Game-Winner. Zugegeben: Die Redskins hätten ein erneut enttäuschendes Eagles-Team niemals zurück in das Division-Duell am Sonntag kommen lassen dürfen. Doch Sam Bradford realisierte plötzlich, dass er auch einen weiten Pass werfen darf und Philly schienen zwei Big-Play-TDs tatsächlich zu reichen. Allerdings zeigte Washington jede Menge Herz und zauberte einen Bilderbuch-Game-Winning-TD-Drive aufs Parkett.
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Trotz mehrerer Timeouts und der 2-Minute-Warning nahm der Drive über fünfeinhalb Minuten von der Uhr, eine ordentliche Dosis Alfred Morris gepaart mit präzisen und fehlerfreien Pässen von Kirk Cousins ebneten den Weg. Am Ende fand Cousins, der damit eine gute Leistung krönte, Pierre Garcon aus vier Yards zum Touchdown, dessen spektakulärer Catch der Dramatik mehr als gerecht wurde. Nur eine Frage bleibt am Ende bestehen: Wer war noch gleich Robert Griffin III?
Der Flop der Woche II: Jameis Winston. Dass Winston hinter der womöglich schlechtesten O-Line der Liga und mit einer maximal durchschnittlichen (bislang aber ebenfalls enttäuschenden) Defense zumindest statistisch keine Rookie-Saison für die Geschichtsbücher hinlegen würde, kommt wenig überraschend. Vielmehr war schon vor der Saison zu vermuten, dass der Nummer-1-Draftpick seinen College-Trend fortsetzen und, bedingt durch die Umstände in Tampa Bay, einige Picks sammeln könnte.
Doch auch vor diesem Hintergrund war Winstons Auftritt gegen die Carolina Panthers am Sonntag mehr als enttäuschend. Der 21-Jährige leistete sich vier Picks und auch wenn zumindest einer davon nicht auf seine Kappe ging: Winstons Turnover entwickeln sich zunehmend zu einem Problem und kurz gesagt, der Rookie sah am Sonntag wie ein Rookie aus. "Wir haben Anzeichen dafür gesehen, dass er ein toller Spieler sein kann. Aber an dem Punkt sind wir noch längst nicht", gab Coach Lovie Smith zu.
Smith selbst ist dabei in einer schwierigen Situation: Es obliegt ihm und seinem Trainerstab, Winston zunehmend an die NFL zu gewöhnen und Ergebnisse einzufahren. Andernfalls droht, sollte sich die desolate Vorsaison wiederholen, eine böse Überraschung zum Saisonende. Zumindest aber bleibt Winston selbst zuversichtlich: "Ich werde niemals mein Selbstvertrauen verlieren. Ich muss schlicht härter arbeiten." Na wenn es so einfach ist...
Das Zitat der Woche... kommt in Week 4 von Clay Matthews. Es lief das Schlussviertel in Santa Clara, die Offense der San Francisco 49ers sah gegen Green Bay überhaupt keinen Stich und die Niners lagen mit 3:17 zurück. Bei First Down versuchte Quarterback Colin Kaepernick, der vor einer gefühlten Ewigkeit (tatsächlich vor rund zweieinhalb Jahren) gegen die Packers mit 181 Yards noch einen Playoff-Rekord für Rushing-Yards eines Quarterbacks aufgestellt hatte, einen Read-Option-Run - und scheiterte kläglich.
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Grund genug für Packers-Linebacker Matthews, eine klar vernehmbare Spitze gegen Kaep loszufeuern: Nach dem Spielzug rief Matthews: "Du bist nicht Russell Wilson, Bro!" Der Vergleich mit dem Seahawks-Quarterback ist aus Kaepernicks Sicht ein bitterer, die Karrieren der beiden mobilen QBs hätten sich nach furiosem Start über die letzten beiden Jahre nicht unterschiedlicher entwickeln können. Von den eigenen Fans wurde Kaepernick übrigens lautstark ausgebuht. Ja, die Playoff-Jahre der 49ers scheinen lange zurück zu liegen.
Kurz vor dem Karriereende steht... Ryan Mallett. Nach gerade einmal drei Spielen ist Ryan Mallett seinen Starting-Platz in Houston womöglich schon wieder los. Bei der Blamage in Atlanta lieferte der Texans-QB, der erst am zweiten Spieltag überraschend Brian Hoyer abgelöst hatte, eine desaströse Vorstellung ab und beim Stand von 0:42 wurde er schließlich erlöst. Hoyer sammelte Garbage-Time-Argumente mit drei Touchdown-Drives und das berühmt-berüchtigte Momentum könnte aus Malletts Sicht nicht schlechter sein.
Ja, Mallett hat eine Kanone von einem Arm und kann das Ei problemlos das Feld runter schleudern. Davon abgesehen spricht aber schlicht wenig für ihn - Antizipation, Spielverständnis und Präzision sind einfach nicht da. Die Texans müssen schon am Donnerstag wieder ran, ein womöglich bereits vorentscheidendes Division-Duell mit Indianapolis. Viel Zeit zum Nachdenken ist also nicht.
Coach Bill O'Brien bestätigte daher schon zum Wochenbeginn etwas überraschend, dass Mallett auch gegen die Colts starten darf, nachdem er zunächst im Houston Chronicle mit Blick auf mögliche Umstellungen noch geknurrt hatte: "Ich muss mir den Film vom Spiel anschauen." Die (wenig gewagte) SPOX-Prognose hinsichtlich der zehntägigen Pause nach jenem Thursday-Night-Game: It's Hoyer-Time (again)!
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