Der FC Schalke 04 muss sich auf den dritten Cheftrainer in sechs Monaten einstellen. Aber was hat sich unter Huub Stevens schon verändert? Aus dem Ex-Fußball-Fundamentalisten wird ein Mann der Räson - und es gibt erste Gewinner wie Jermaine Jones und Jose Jurado. Die Analyse.
Die taktische Ausrichtung: Bekenntnis zur Kontinuität
Es war ein Bekenntnis zur Kontinuität: "Ich möchte fortsetzen, was Ralf Rangnick begonnen hat", sagte Huub Stevens und behielt in seinen ersten beiden Partien die 4-2-3-1-Grundformation seines Vorgängers bei.
Die Spielweise hingegen wird leicht modifiziert: Zwar beeilte sich Stevens zu betonen, dass er entgegen seines Rufs durchaus offensiven Fußball bevorzugt ("Die Schalke-Fans sollen glücklich sein"), doch entscheidend sei die "Balance".
"Grundsätzlich ist der Offensivgeist eine Stärke dieser Mannschaft, die wir beibehalten wollen, aber die Spieler denken oft noch einen Tick zu offensiv, obwohl es besser wäre, in diesem Moment defensiv zu denken", sagt Stevens. 13 Gegentore sind unter den ersten elf Mannschaften in der Bundesliga der Minuswert.
Stevens im SPOX-Interview: "Ich habe mein Leben verflucht"
Kapitän Benedikt Höwedes unterstützt eine etwas vorsichtigere Herangehensweise: "Die Offensive werden wir sicher nicht vernachlässigen. Dennoch würde es nicht schaden, wenn wir in der Defensive besser stehen."
Bei diesem Unterfangen machte die sportliche Führung in der Besetzung der Doppel-Sechs die entscheidende Variable aus. Mit Lewis Holtby, Kyriakos Papadopoulos, Joel Matip, Peer Kluge und Jermaine Jones wurden die verschiedensten Pärchen gebildet, eine Lösung fand sich aber nicht.
"Die Ausrichtung jedes Einzelnen ist bisweilen noch zu offensiv", sagt Sportvorstand Horst Heldt. "Man merkt, dass wir gerade in der Zentrale noch sehr, sehr jung besetzt sind."
Die Gewinner im Team: Plötzlich ist Jones wieder da
Das Verhältnis zur Klubführung: Allmachtsphantasien verboten
Der Trainerstab: Stevens als Klebstoff
Die Gewinner im Team: Plötzlich ist Jones wieder da
Dem sonst so wortstarken Jermaine Jones dürfte es nicht leicht gefallen sein, aber nun wird er für die Zurückhaltung in all den Wochen und Monaten belohnt. Felix Magath hatte ihn aussortiert, Ralf Rangnick fand bei aller Wertschätzung ebenfalls keine Verwendung, doch unter Stevens könnte sein Comeback als Stammspieler bevorstehen.
Stevens wechselte Jones gegen Haifa für die letzten 13 Minuten und in Hamburg bereits für die letzten 35 Minuten ein und sagt: "Jones hat Qualitäten, die uns gut tun können."
Auch Peer Kluge sollte mit seiner unspektakulären, aber taktisch vorbildlichen Art mehr Spielzeiten unter Stevens erhalten, sofern er seine muskulären Probleme überwindet. Kein Spieler im Schalker Kader verkörpert die Balance zwischen Offensive und Defensive wie Kluge.
Ein Ausrufezeichen setzte der Coach bereits beim 2:1 in Hamburg, als er Jose Jurado in die Startelf berief und sich daraufhin auffallend wohlwollend über den Spanier äußerte. "Jose ist ein super Spieler, der uns viel Freude machen wird, wenn er seine Möglichkeiten ausschöpft", sagte Stevens. Ein Kontrast zu den letzten Äußerungen des Vorgängers, als Rangnick wegen fehlenden Defensivqualitäten Jurado sogar die Bundesliga-Tauglichkeit absprach.
Ebenfalls zurück in der Anfangsformation ist Christoph Metzelder: Wegen kleinerer Verletzungen und wegen Rangnicks Präferenz für junge Spieler stand der 30-Jährige in den ersten sieben Saisonspielen nur einmal in der Startelf. In Hamburg aber vertrat er den angeschlagenen Joel Matip.
Die Leistung war ausbaufähig, dennoch schätzt Stevens seine Führungsfähigkeiten und nimmt ihn wie auch Innenverteidiger-Partner Höwedes in die Pflicht: "Ich erwarte von den beiden, dass sie die entsprechende Kommunikation hinbekommen", sagt Stevens. Eine Forderung, die ein Trainer nur an Stammspieler formulieren würde.
Bei den Torhütern hingegen weiß man nicht recht einzuschätzen, welche Lösung Stevens präferiert. Schalkes angebliches Interesse an Leverkusens Rene Adler veranlasste Ralf Fährmann zu einer Kampfansage und Stevens zu Lob für seinen Stammkeeper - was jedoch auch damit zusammenhängen könnte, dass es an Alternativen mangelt.
Dass der Vertrag für die neue Nummer zwei Lars Unnerstall nur um eine Saison bis 2013 verlängert wurde, obwohl dieser erst 21 Jahre alt ist, zeugt zumindest in der Außenwirkung nicht von Urvertrauen in dessen Fähigkeiten. Mathias Schober wurde bereits unter Rangnick zur dritten Kraft degradiert.
Die taktische Ausrichtung: Bekenntnis zur Kontinuität
Das Verhältnis zur Klubführung: Allmachtsphantasien verboten
Der Trainerstab: Stevens als Klebstoff
Das Verhältnis zur Klubführung: Allmachtsphantasien verboten
In all dem Trubel der letzten Tage und den Gerüchten um Rene Adler ging eine Facette des Trainerwechsels weitgehend unter: das Verhältnis zwischen Chefcoach und Klubführung.
Rangnick auf der einen sowie Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies und Sportvorstand Heldt auf der anderen Seite wurden nicht müde zu sagen, wie kollegial und verständnisvoll das Miteinander war - doch Fakt ist: Es gab massive Unstimmigkeiten darüber, ob und wie viel Geld für Transfers bereitstehen und wie der Kader zusammengestellt werden soll.
Dass davon nur wenig an die Öffentlichkeit drang, ist ehrenwert, dennoch änderte es nichts an der Tatsache, dass Rangnick unzufrieden war mit der aus seiner Sicht allzu sparsamen Strategie der Oberen. Die Weiterverwendung der Neuer-Ablöse, die taktische Rolle und die generelle Zukunft von Raul, die Verpflichtung eines neuen Stürmers - bei allen Themen setzten sich Tönnies und Heldt durch. Spätestens zur Winter-Transferperiode drohte ein Konfliktfeld aufzubrechen.
Ähnliche Befürchtungen hatte auch Heldt, weswegen bei den Verhandlungen mit Stevens die Kompetenzen klarer festgelegt wurden: die Klubführung bestimmt die Strategie, der Trainer versteht sich vorwiegend als Übungsleiter. Oder wie es der "Kicker" formuliert: "Stevens definiert sich eher als Diener des Vereins denn als neuer Herrscher."
Dazu passt auch folgende Stevens-Äußerung, die nahelegt, dass er sich besser als Rangnick mit den Entscheidungen der Bosse arrangiert und erst recht keine Allmachtsansprüche verfolgt wie Magath.
"Die Kaderplanung muss in meinen Augen immer Vereinssache sein. Trainer bleiben in der Regel höchstens zwei, drei Jahre. Es kann daher nicht sein, dass nur die Trainer neue Spieler holen. Irgendwann sind die Trainer weg und die Spieler da", sagt Stevens.
"Ich sage ganz klar: Der Klub muss seine Vorstellungen und seine Linie haben, ein Trainer muss sich darin einordnen können. Kann er das nicht, sollte er nicht anfangen."
Die taktische Ausrichtung: Bekenntnis zur Kontinuität
Die Gewinner im Team: Plötzlich ist Jones wieder da
Der Trainerstab: Stevens als Klebstoff
Der Trainerstab: Stevens als Klebstoff
Früher war Stevens ein Fußball-Fundamentalist, dem nichts heiliger war als Disziplin und Hierarchie. Doch er hat sich in den Jahren gewandelt: Auf Schalke will er ein Vermittler sein. Ein Mann der Räson, der mit seiner ruhigen und einnehmenden Art die verschiedenen Strömungen innerhalb des Vereins und der Mannschaft eint.
Am besten wird dies dadurch illustriert, dass er für die Branche unüblich auf einen eigenen Co-Trainer verzichtete und stattdessen mit dem Stab weiterarbeitet, den Rangnick und zuvor Magath aufgebaut hatte.
"Erstens: Was können die Jungs dafür, dass hier der Cheftrainer krank geworden ist? Zweitens ist es von Vorteil, dass sie die Mannschaft besser kennen als ich. Und drittens: Ich will immer im Team wirken. Seppo Eichkorn hat lange mit Felix Magath gearbeitet, Markus Gisdol mit Ralf Rangnick", sagt Stevens.
Sein Fazit: "Ich finde, das ist eine gute Mischung."
Die taktische Ausrichtung: Bekenntnis zur Kontinuität
Die Gewinner im Team: Plötzlich ist Jones wieder da
Das Verhältnis zur Klubführung: Allmachtsphantasien verboten