Juventus-Star Arturo Vidal steht angeblich kurz vor einem Wechsel zum FC Bayern München. Doch braucht der Rekordmeister den Chilenen überhaupt? Würden Karl-Heinz Rummenigge & Co. nach der brisanten Vorgeschichte nicht ihr Gesicht verlieren? Und wie sieht's mit Mario Götze als Tauschobjekt aus? Drei SPOX-Redakteure und mySPOX-User Bayerntime diskutieren.
Braucht der FC Bayern Vidal?
Andreas Lehner (SPOX): Schweinsteiger hat die Chance auf einen Wechsel ergriffen, weil er im Mittelfeld nicht mehr erste Wahl war. Das Angebot im Zentrum ist jetzt schon gewaltig. Deshalb aus dieser Sicht: Nein, Bayern braucht Vidal nicht. Allerdings ist Vidal so vielseitig einsetzbar, dass er wie gemacht ist für Guardiolas flexiblen Fußball. Er kennt diese Idee ja auch aus der chilenischen Nationalmannschaft, wo Peps Kumpel Marcelo Bielsa als Trainer das organisierte Chaos etablierte. Und 2011 wollte Bayern Vidal als Außenverteidiger verpflichten, da wäre rechts ja auch noch eine Stelle zu besetzen.
David Kreisl (SPOX): Werden die Münchner von einer Verletztenmisere des letztjährigen Ausmaßes verschont, könnte der Klub auch mit dem aktuellen Personal um alle Titel mitspielen. Für den ganz großen Wurf würde Verstärkung in Form von einem der besten Mittelfeldspieler der Welt aber alles andere als schaden. Stimmen die Zahlen aus den Medienberichten - also eine Ablöse zwischen 30 und 40 und ein Gehalt von sechs Millionen Euro - wäre es fahrlässig, Vidal nicht zu holen.
Daniel Reimann (SPOX): Man müsste die Frage andersrum formulieren. Gibt es irgendeinen Verein, der Arturo Vidal nicht gebrauchen könnte? Auf seiner Position ist er einer der Weltbesten und nach einer starken Copa America womöglich am Zenit seines Schaffens angekommen. Dazu hat Bayern mit Schweinsteigers Abschied reichlich an Erfahrung im Mittelfeld eingebüßt. An einem Vidal können sich Talente wie Kimmich oder Höjbjerg orientieren.
mySPOX-User Bayerntime: Ob der FC Bayern München einen Vidal braucht, ist schwer zu beantworten. Im Mittelfeld der Bayern tummeln sich Weltstars und Toptalente. Jedoch muss man auch jeden Spieler einzeln sehen. Alonso hat in der letzten Saison stark abgebaut. Thiago ist sehr verletzungsanfällig. Lahm genügt international nicht den allerhöchsten Ansprüchen. Dazu kommen Kimmich, Höjbjerg und Gaudino, die allesamt Toptalente sind, jedoch behutsam aufgebaut werden sollten. Von daher kann der Transfer Sinn machen.
Passt Vidal als Typ zum Verein?
Verlieren Rummenigge und Co. aufgrund der Vorgeschichte ihr Gesicht?
Sollte Bayern Götze als Tauschobjekt involvieren?
Kann sich Juventus einen Vidal-Abgang leisten?
Passt Vidal als Typ zum Verein?
Andreas Lehner (SPOX): Vidal ist ein Anführer, ein Kämpfer und ein Winnertyp. Damit passt er perfekt zum FC Bayern. Dass er auf dem Platz das eine oder andere Mal völlig überdreht, wie im Champions-League-Finale gegen Barca, muss er mit 28 Jahren aber endlich mal in den Griff bekommen.
David Kreisl (SPOX): Ein genialer und vielseitiger Fußballer, eine Persönlichkeit auf dem Platz, jemand, der den Anspruch hat, Titel zu gewinnen - das passt. Dass Vidal durchaus Schattenseiten hat, was sein Privatleben angeht, ist offensichtlich. Aber das "passt" zu keinem Verein der Welt, das passt generell nicht zum Profidasein. Ich glaube aber, dass sich Vidal durchaus bewusst ist, dass Bayern eine andere Welt wäre als das, was er von Juventus oder aus seiner Heimat kennt. Ein Risiko wäre der Transfer dennoch.
Daniel Reimann (SPOX): Klare Antwort: Jein. Einerseits wirken seine Unberechenbarkeit und Extravaganz ein wenig abschreckend. Die stets akkurat zurechtrasierte Irokesenfrisur, Disco-Pöbeleien und die jüngste Alkoholfahrt zeichnen das Bild eines unvernünftigen Skandalprofis. Andererseits haben auch extrovertierte Hitzköpfe beim FC Bayern Tradition, auch wenn sie in jüngerer Vergangenheit seltener wurden. Doch Vidal und Bayern ist für mich kein prinzipieller Widerspruch.
mySPOX-User Bayerntime: Charakterlich hat sich Vidal ein paar Fehltritte geleistet. Am besten ist wohl allen die Alkoholfahrt bei der Copa in Erinnerung. Dazu kommt die Vorgeschichte rund um den Wechsel von Leverkusen zu Juventus, als er angeblich bei den Bayern im Wort stand. Jedoch muss man das auch in Relation zu Rudi Völlers damaligen Aussagen betrachten. Sollte sich Vidal auf das Sportliche konzentrieren und nicht auffallend werden, kann das Ganze passen. Es ist jedoch eine 50/50-Sache: Es kann auch schief gehen.
Passt Vidal als Typ zum Verein?
Verlieren Rummenigge und Co. aufgrund der Vorgeschichte ihr Gesicht?
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Verlieren Karl-Heinz Rummenigge und Co. aufgrund der Vorgeschichte ihr Gesicht?
Andreas Lehner (SPOX): Im Fußball gilt der alte Adenauer-Spruch: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern." Vidal wäre damals gern zu Heynckes nach München gekommen, Leverkusen wollte ihn nicht innerhalb der Bundesliga verkaufen, also wurde es Juve. Ein Transfer wäre für beide Seiten kein Problem. Außerdem hat Adenauer auch gesagt: "Es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden".
David Kreisl (SPOX): Dass Rummenigge not amused war, einen Last-Minute-Korb von Vidal zu kassieren, ist verständlich. Genauso wie die Tatsache, dass ein möglicher Transfer deshalb einen seltsamen Beigeschmack hätte. Aber das Ganze ist jetzt vier Jahre her und Rummenigge wird seitdem nicht jeden Abend grantig in sein Tagebuch geschrieben haben, wie doof er Vidal findet. Fußball ist und bleibt für alle handelnden Personen zu allererst ein Geschäft. Und bloß weil es vor vier Jahren ein paar unschöne Worte gab, heißt das nicht, dass es jetzt nicht klappen würde.
Daniel Reimann (SPOX): Rummenigge macht sich zumindest angreifbar. Er selbst hatte Vidal einst vorgeworfen, er habe nicht zu seinem Wort gestanden, weil dieser entgegen eigener Versprechen doch nicht zu Bayern ging. Wenn er nun einen Spieler holt, den er einst selbst "nicht beim FC Bayern haben" wollte, wird er mit dem gleichen Vorwurf konfrontiert werden. Ob er deswegen gleich sein Gesicht verliert, bleibt streitbar. Im Tagesgeschäft Fußball wäre es schon sehr naiv zu glauben, man könne Klubverantwortliche regelmäßig an den Aussagen der Vergangenheit messen.
mySPOX-User Bayerntime: Die gesamte Vorgeschichte und die Aussagen von KHR würden den Transfer in ein komisches Licht rücken. Für Rummenigge könnte es sehr schwer werden, den Transfer zu begründen. Die Zitate der Vergangenheit werden ihm um die Ohren fliegen. Jedoch sind mittlerweile Sammer und Reschke ebenfalls an Transfers beteiligt. Damit will ich sagen, dass sich Zeiten ändern und die Fans sich nicht nur auf KHR und Guardiola konzentrieren sollten.
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Sollte Bayern Götze als Tauschobjekt involvieren?
Andreas Lehner (SPOX): Die Bayern haben gesagt, dass sie Götze unterstützen wollen und ihm weiter Zeit geben. Diese Aussagen würde ein Verkauf jetzt konterkarieren. Aber Götze muss deutlich zulegen und sich im harten Konkurrenzkampf durchbeißen. Das hat Rummenigge auch schon deutlich gemacht, als er sagte, der Spieler stehe selbst in der Verantwortung.
David Kreisl (SPOX): Nein! Um seinen ehemaligen Jugend-Coach zu zitieren: "Der Kerle isch erscht 23!" Ich kann mit dem ganzen Götze-Bashing ohnehin wenig anfangen. Er hat gezeigt, was er für einen positiven Einfluss auf das Spiel der Bayern haben kann. Klar muss er endlich aus dem Arsch kommen, klar muss er lieber früher als später Konstanz in sein Spiel bringen - aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass man ihn als Tauschobjekt verscherbelt.
Daniel Reimann (SPOX): Ein Götze-Abschied wäre gleich auf mehreren Ebenen fahrlässig und dämlich. Trotz zweier durchwachsener Jahre bleibt Götze einer der besten Fußballer des Landes. Dass er in dieser Form nicht unumstrittener Stammspieler ist, versteht sich von selbst. Trotzdem ist es ein Luxus, einen solchen Spieler als Rotationsmasse im Kader zu haben. Vor allem, wenn Bayern erneut ein solches Verletzungspech wie letzte Saison ereilen sollte. Außerdem ließe sich mit Götze nach den letzten zwei Jahren bestimmt kein finanzieller Gewinn erwirtschaften. Weshalb also abgeben?
mySPOX-User Bayerntime: Ganz klar Nein. Götze hat zwar in der letzten Saison nur selten überzeugt. Jedoch sollte man ihm noch diese Saison geben und seine Entwicklung abwarten. Götze ist ein Riesentalent und man sollte nicht den Fehler machen ihn zu schnell als gescheitert ansehen. Denn ein Wechsel weg von Bayern wäre wohl für viele ein Scheitern.
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Kann sich Juventus einen Vidal-Abgang leisten?
Kann sich Juventus einen Vidal-Abgang leisten?
Andreas Lehner (SPOX): Pirlo ist weg, Tevez ist weg. Wenn jetzt auch noch Vidal geht, würden drei Stützen der Erfolgsmannschaft aus der vergangenen Saison fehlen. Dazu lässt Barca bei Pogba überhaupt nicht locker. Beide Mittelfeldspieler kann Juve auf keinen Fall ziehen lassen.
David Kreisl (SPOX): Nein. Zwar hat Juve mit Khedira erst einen recht namhaften Neuzugang fürs Zentrum präsentiert, doch würde die Alte Dame mit dem schon feststehenden Pirlo-Abgang sowie den möglichen Wechseln von Pogba und Vidal ihr komplettes Herzstück verlieren. Das macht den Transfer zu Bayern aus meiner Sicht am unwahrscheinlichsten. Andererseits hätte man in Turin dann ein irres Transfervolumen jenseits der 120 Millionen generiert, mit dem man sich auf dem Markt austoben könnte.
Daniel Reimann (SPOX): Auf keinen Fall. Zumindest nicht zu einer kolportierten Ablösesumme von 35 Millionen. Im Vergleich zu Sterling und Co. wäre dieser Preis ein absoluter Witz. Zumal der Aderlass der Alten Dame mit Pirlo und Pogba, der wohl kaum zu halten ist, ohnehin schon gewaltig ist. Sami Khedira muss erst wieder beweisen, dass er auf Weltklasse-Niveau liefern kann. Pirlo, Pogba und Vidal waren das Herzstück von Juventus' Erfolg der vergangenen Saison. Zerbricht es komplett, steht Turin vor einem schweren Umbruch.
mySPOX-User Bayerntime: Schwierig. Juventus hat mit Khedira einen neuen 6er / 8er verpflichtet und soll auch noch an anderen Mittelfeldspielern (z.B. Oscar) dran sein. Dadurch könnten sie den Vidal-Abgang verkraften. Dazu haben sie Pogba und Marchisio im Zentrum. Alles in allem denke ich, dass Juventus den Abgang kompensieren kann.
Passt Vidal als Typ zum Verein?
Verlieren Rummenigge und Co. aufgrund der Vorgeschichte ihr Gesicht?