Ganz England reibt sich nach dem irren 8. Spieltag die Augen und verarbeitet langsam, was so passiert ist. In Italien feiert man die Auferstehung eines Cartoon-Charakters und Messi zeigt seinem Trainer, wo der Hammer hängt.
Serie A
Von Oliver Birkner
Japanischer Nigerianer des Spieltags: Heiß ging es im San Siro her, wo sich Inter und Napoli mit vier Treffern in den letzten zwölf Minuten zu einem 2:2 duellierten. Lange rätselte man allerdings, wo Yuto Nagatomo sich bei dem Kick herumtrieb. Bei der Ankündigung der Aufstellungen wurde jeder Inter-Spieler mit einem überdimensionalen Foto auf dem Rasen präsentiert, darunter auch Nagatomo, der gar nicht im Kader stand. Eigentlich spielte Joel Obi.
Doch der kommt so spärlich zum Einsatz, dass man sicher kein Foto von ihm anfertigen ließ und dachte, Japaner oder Nigerianer, das fällt in dem internationalen Konglomerat (ein Italiener bei 14 eingesetzten Interisti) eh keinem auf. Während der rassigen Partie fielen bloß die Inter-Tifosi der Nordkurve wieder mal aus dem Rahmen, als sie gegen Neapel anstimmten: "Oh Vesuv, wasch sie mit dem Feuer" oder "Erdbebengeschädigte, Cholerakranke, ihr, die euch noch nie mit Seife gewaschen habt!" Dafür wird die Kurve künftig erneut für zwei Heimspiele gesperrt werden. Ihnen war's scheinbar schnuppe, und so skandierten sie am Ende: "Egal, wir singen bis zum Tod." Buonanotte.
Japanischer Doppelgänger des Spieltags: Niemand weiß genau, was der AC Milan oder Filippo Inzaghi mit Keisuke Honda im Sommer angestellt haben. Zwischen Januar und März glich der ablösefreie Japaner eher einem nebulösen Cartoon-Charakter. Seit Saisonbeginn demonstriert Honda, dass er auch sprinten und treffen kann. Nach den zwei Toren bei Hellas bilanziert er sechs Treffer in sieben Einsätzen und Manager Adriano Galliani mutmaßte: "Im ersten Halbjahr hatte man uns seinen Bruder untergejubelt." Also Fußball-Klubs der Welt aufgepasst - irgendwo muss sich die Gurke von Honda-Bruder ja noch rumtreiben.
Und sonst? Diese ganze Splitterung der gähnenden EM-Qualifikation kann einem schon den Nerv oder auch den geographischen Verstand rauben. In der letzten Woche jedenfalls bemitleidete der Moderator der Rai das arme Andorra wegen einer erneuten Klatsche, hatte aber flugs aufmunternde Worte parat. "Immerhin können sich die Einwohner dort an ihren phantastischen Stränden erfreuen." Hach, die Traumstrände Andorras, wer braucht da schon Fußball?
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Premier League
Von Frank Oschwald
Spieltag des Spieltags: Wäre die Premier League ein Mensch, hätte man sie nach dem Wochenende mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer weißen Zwangsjacke abgeholt, in eine Gummizelle gesteckt und ihr mal klar vor Augen geführt, dass sie jetzt mal einen Fencheltee trinken und aufhören soll, so zu spinnen. Der Versuch, den ganzen Irrsinn des Wochenendes nur annähernd in die Blitzlichter zu packen, ist kläglich gescheitert. Selbst bei einer 12-teiligen Büchersaga hätte man gegen Ende vermutlich leichte Platzprobleme.
Dennoch ist es aus journalistischer Sicht nicht vertretbar, alles unter den Teppich zu kehren. Deshalb in ticker-ähnlicher Kurzform die Geschehnisse des Wochenendes: Southampton schießt Sunderland mit 8:0 (acht!) aus dem Stadion, Arsenal erzielte in der ersten Minute der Nachspielzeit gegen Hull den 2:2-Ausgleich, Sergio Agüero machte gegen Tottenham vier Hütten (und soll nun von Sunderland-Scouts unter Beobachtung stehen) und bei QPR gegen Liverpool hagelt es in den letzten Minuten Tore. So sah das dann von der Torreihenfolge aus: siebenundachtzigste Minute, neunzigste Minute, zweiundneunzigste Minute, fünfundneunzigste Minute. Dass es dabei zwei Eigentore und bei City gegen Tottenham vier Elfmeter gab, nimmt man da eigentlich schon mit einem Achselzucken hin. Jetzt komm' aber mal wieder runter, PL!
Schwalbe des Spieltags: Schiedsrichter sein kann manchmal ziemlich doof sein. Einmal sieht man ein Trikotzupfer im Strafraum nicht oder übersieht ein verstecktes Handspiel eines Verteidigers, ist das Geschrei groß. Dabei passiert es halt mal, dass man so eine verzwickte Szene nicht genau gesehen hat und eventuell missinterpretiert. So geschehen auch am Wochenende beim Spiel Bradford City gegen Sheffield United in der dritten englischen Liga. Dort kam es im Strafraum zu einem schwer zu interpretierenden Zweikampf mit Rory McArdle (als Verteidiger) und Stefan Scougall (als Angreifer) in den Hauptrollen.
Da Scougall den Ball im Strafraum abschirmte und den hinter ihm stehenden McArdle so den Weg versperrte, griff dieser um den Bauch des Angreifers, um ihn dann über das Knie auf den Boden zu wrestlen. Während bei dieser Szene beim Wrestling, Kickboxen und UFC wegen übertriebener Härte direkt der Schiedsrichter dazwischen gehen würde, blieb hier die Pfeife stumm. Nur ein lässiges Kopfschütteln hatte der Referee noch für den völlig verdutzten Scougall übrig. Aber: völlig zu recht. McArdle hatte nach seinem Special-Move ja schließlich vergessen, sich auf Scougall zu legen und ihn anzuzählen. Und die Schulterblätter waren auch nicht auf dem Boden.
Anything else? Was drei Pünktchen doch für wunderbare Dinge mit der Laune anstellen können. Ein Praxisbeispiel dafür lieferten am Wochenende die beiden Streithähne der letzten Wochen, Arsene Wenger und Jose Mourinho. Beide standen nach den jeweiligen Spielen den Journalisten Rede und Antwort. Im Emirates Stadium bekam BBC-Reporterin Jacqui Oatley die volle Breitseite des vor wenigen Wochen entdeckten Wenger-Rampage-Modus ab. Auf eine taktische Frage antwortete der Gute-Laune-Onkel a.D.: "Das habe ich nicht gesagt. Hören sie mir überhaupt zu?" Die Journalistin machte unbeeindruckt weiter und bohrte weiter in der wengerschen Remis-Wunde. Die Defensive sei ja nicht so dolle gewesen heute. "Sie waren doch heute beim Spiel, oder? Warum stellen Sie mir dann solche Fragen?", schnaubte Wenger zurück. Ganz anders Chelsea-Coach Jose Mourinho. Dieser enthüllte auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Crystal Palace sein neues Erfolgsrezept. Ein Journalist fragte den Portugiesen. "Sie haben letztes Jahr gegen Crystal Palace verloren und im Anschluss auf einen Zettel geschrieben, dass es ihrem Team an Eiern fehlte. Warum gab es diesmal einen Sieg?" Mourinho grinste und forderte in Mou-Englisch Block und Stift. Dort kritzelte der Portugiese dann die Lösung der Chelsea-Serie drauf und grinste wie ein Kind, dessen Pupskissen-Streich gerade voll aufgegangen ist: "Big Balls".
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Primera Division
Von Frank Oschwald
Chef I des Spieltags: Wenn man die Zehn Gebote des Fußballs niederschreiben würde, wäre die folgende Regel sicherlich prominent vertreten: Der Trainer ist der Boss und hat das Sagen. Punkt. Ausrufezeichen. Und in den meisten Vereinen wird dieser Grundsatz sicherlich auch noch praktiziert. Sollte dies dann irgendwann nicht mehr der Fall sein, bekommt der Trainer meist zwingende Probleme. Leo Messi kann über die These nur müde schmunzeln.
Beim Spiel zwischen Barca und Eibar lief die 73. Minute. Messis Coach Luis Enrique ordnete Ersatzmann Munir an, sich seinen Trainingsklamotten zu entledigen und informierte Messi lautstark, dass dieser jetzt ausgewechselt werde. Doch der Argentinier, in der schönen Gewissheit der Chefrolle, dachte gar nicht an Feierabend, ignorierte sämtliche Gesten der Bank und antwortete mit der internationalen Geste für "LMAA": Daumen hoch, gezwungen lächeln und winken. Enrique sah den Argentinier und war sichtlich not amused ob der Reaktion Messis. Frei übersetzt sagte sein Körper etwas wie: "Bitte, bitte, bitte, bitte komm raus, lieber Leo." Messi drehte Enrique aber den Rücken zu und dribbelte munter weiter. Munir wurde eine Minute später eingewechselt - für Neymar. Messis wissen eben wer der Babo ist.
Chef II des Spieltags: Auch wenn Cristiano Ronaldo ein bunter Vogel ist, wahnsinnig viele Auftritte auf Pressekonferenzen, geschweige denn in der Mixed Zone, hat der Portugiese nicht. Meist schleicht sich der 29-Jährige durch den Hinterausgang des Bernabeu heraus. Bei seinen Auftritten kommt er dann allerdings zugegeben...meist...irgendwie...leicht...arrogant rüber. Im Zuge der EM-Quali hatte CR7 mal wieder eine seiner lässigen Darbietungen. Eine Journalistin begrüßte den Portugiesen recht freundlich und erklärte direkt im ersten Satz, dass sie vom TV-Sender "CMTV" sei.
Als sie zu ihrer Frage ausholen wollte, grätschte Ronaldo dazwischen. "Von welchem Sender?? Was ist denn bitte CMTV?" Fragend blickte er zum Pressesprecher, der ihm kurz und knackig erklärte, dass es sich um einen recht populären portugiesischen Nachrichtensender handle. "Das können Sie vergessen. Ich beantworte ihre Frage nicht", schnaubte der Portugiese im Anschluss. Sie hätte nur eine kurze Frage zum Dänemark-Spiel, schlichtete die Journalistin. "Vergessen Sie es!", so die Antwort des Superstars. Ob Ronaldo mit seinem stillen Protest gegen die Programmstruktur des Senders demonstrierte oder nur einen schlechten Tag hatte, ist noch nicht bekannt.
Algo mas? Nach so viel Glamour tauchen wir noch kurz ab in die Untiefen des spanischen Fußballs zu einer doch etwas wilden Geschichte. Noch 2001 spiele Real Ovideo in der Primera Division. Am letzten Spieltag hätte damals ein Sieg auf Malle gereicht, um den Klassenerhalt einzutüten. Das Spiel ging jedoch verloren und die Augen wanderten zum Konkurrenten Osasuna. Die gewannen etwas überraschend mit 1:0 bei Real Sociedad. Eine - wie sich im Nachhinein herausstellte - offenbaaaar geschobene Partie. Oviedo stieg ab, rutschte 2003 sogar in die Dritte Liga ab und entkam nur ganz knapp dem finanziellen Bankrott. Nach der scheinbaren Enthüllung des geschobenen Spiels hat man den Schuldigen in Oviedo schnell gefunden. Doch Fußball wäre nicht Fußball, wenn man das nicht irgendwie wieder gerade biegen könnte. Die Copa-Auslosung unter der Woche ergab: Real Oviedo trifft auf Real Sociedad. Messerschmiede und Zahnärzte haben Hochkonjunktur in Oviedo.
Ach komm, wenn wir hier schon mal über Oviedo sprechen, können wir den Spieler des Wochenendes auch noch mitnehmen. Miguel Linares erzielte beim 5:1-Sieg gegen Celta Vigo II zunächst zwei Hütten und krönte seine Leistung dann mit einem stoppelkampschen Tor aus der eigenen Hälfte. Keine schlechte Bude, um den Hattrick abzurunden.
Serie A: Japanische Doppelgänger und Traumstrände Andorras