"Ob ich so viel Respekt verdient habe?"

Jochen Tittmar
05. November 201514:44
Nach acht Jahren bei Borussia Dortmund spielt Jakub Blaszczykowski nun für den AC Florenzgetty
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Acht Jahre lang spielte Jakub Blaszczykowski für Borussia Dortmund in der Bundesliga. Kurz vor Ende der Wechselfrist im Sommer ging "Kuba" auf Leihbasis vom BVB zum AC Florenz in die Serie A TIM - und steht mit der Fiorentina aktuell an der Tabellenspitze. Im Interview spricht der polnische Nationalspieler über die Gründe für seinen Wechsel, eine Rückkehr zur Borussia, die Geste der Dortmunder Südtribüne und den typischen Jürgen Klopp.

SPOX: Herr Blaszczykowski, Sie spielen nun seit zwei Monaten für den AC Florenz. Wie verlief denn der Start in persönlicher Hinsicht, haben Sie sich schon eingelebt?

Jakub Blaszczykowski: Anfangs war es etwas hektisch. Ich bin nach Florenz geflogen, habe den Vertrag unterschrieben und danach ging es gleich weiter zur Nationalmannschaft. Es war gut, dass ich lediglich die ersten zehn Tage im Hotel wohnen musste. Mittlerweile habe ich ein Haus gefunden. Wir genießen es hier, das Wetter ist ja auch überragend. (lacht)

SPOX: Sportlich läuft es auch, die Fiorentina hat kürzlich zum ersten Mal seit 1999 wieder die Tabellenspitze der Serie A TIM erklommen.

Blaszczykowski: Das ist natürlich das Wichtigste. Endlich darf ich wieder spielen, ich stehe regelmäßig in der Startelf. Trainer Paulo Sousa schenkt mir auf Anhieb volles Vertrauen und wir spielen als Team erfolgreich. Das ist eine schöne Bestätigung und war für mich bei diesem Transfer sehr wichtig.

SPOX: Wie komisch oder ungewohnt war es denn, nach acht Jahren bei Borussia Dortmund plötzlich auf neue Mitspieler zu treffen oder an einen anderen Ort zum Training zu fahren?

Blaszczykowski: Es hat mich auch überrascht, aber das war ehrlich gesagt gar kein Problem. Ich hatte schnell ein gutes Gefühl bei all diesen Dingen. Die Teamkollegen haben mich toll aufgenommen und unterstützt, die Integration lief eigentlich perfekt. Ich habe auch einen guten Draht zum Coach und hoffe, dass all dies so bleibt.

SPOX: Aufgrund des tollen Saisonstarts ist die Euphorie in Florenz riesig. Glauben Sie, dass der ganz große Wurf drin sein könnte?

Blaszczykowski: Der aktuelle Tabellenstand ist zwar eine schöne Momentaufnahme, zählt aber nicht. Es ist nicht wichtig, wo wir momentan stehen. Am Ende wird abgerechnet. Ich spiele schon so lange Fußball, ich weiß wie der Hase läuft. Wir wollen oben bleiben, aber bis dahin ist es noch ein langer Weg.

SPOX: Der wohl künftig auch steiniger werden wird, schließlich hat man die Viola jetzt auf dem Zettel.

Blaszczykowski: Genau. Unsere Gegner wissen nun, dass wir viel Qualität in der Mannschaft haben und die auf den Platz bringen können. Daher gehe ich davon aus, dass es künftig noch komplizierter für uns wird. Es sollte deshalb die Hauptaufgabe sein, uns gegen diese Widerstände zu wehren und konstant zu bleiben.

SPOX: Wie kam es, dass Sie sich für einen Wechsel nach Italien entschieden haben? Auch aus England, Spanien oder der Türkei bestand Interesse.

Blaszczykowski: Das ging gerade am Ende der Transferperiode alles sehr schnell. Ich war es zuletzt ja nicht unbedingt gewohnt, den Verein zu wechseln. (lacht) Das Interesse von Florenz war letztlich am konkretesten, so dass wir zügig eine Einigung hingekriegt haben. Es gab zwar noch andere Anfragen, aber zum aktuellen Zeitpunkt kann ich sagen, dass ich sehr froh bin, mich so entschieden zu haben.

SPOX: Die Europameisterschaft im kommenden Jahr mit der polnischen Nationalelf ist Ihr großes Ziel. In Florenz kommen Sie derzeit regelmäßig zum Einsatz - wieso war dies in Dortmund nicht mehr möglich?

Blaszczykowski: Das will ich nicht kommentieren, weil es jetzt einfach Vergangenheit ist. Ich hatte beim BVB acht wunderschöne und unvergessliche Jahre, für die ich immer extrem dankbar sein werde. Es war die beste Zeit meines Lebens. Doch das liegt jetzt hinter mir. Ich muss meinen Fokus als Fußballer auf die Gegenwart richten, um meinen eigenen Ansprüchen gerecht werden zu können.

SPOX: Viele Dortmunder Fans weinen Ihnen bis heute hinterher.

Blaszczykowski: Solche Entscheidungen gibt es im Fußball einfach, das kann immer passieren. Mich hat es jetzt getroffen, aber ich werde nicht der letzte Spieler sein, der einen Verein nach langer Zeit verlässt. Ich würde niemals gegen den BVB nachtreten. Ich stehe immer noch regelmäßig in Kontakt mit den Jungs, habe großen Respekt vor ihnen und dem Klub. Isso, würde Kevin Großkreutz jetzt sagen. (lacht)

SPOX: 2014 war für Sie aufgrund eines Kreuzband- und Muskelfaserrisses quasi komplett futsch. Danach kamen Sie in Dortmund nie mehr so richtig auf die Beine. War dies das schwierigste Jahr Ihrer Karriere?

Blaszczykowski: Ja, eindeutig. Ich habe gemerkt, dass in solch einer Zeit die Beziehung zum Trainer besonders wichtig ist. Jürgen Klopp hat sich permanent bei mir erkundigt und mich nicht alleine gelassen. Er gab mir auch während der Verletzung das Gefühl, weiterhin auf mich zu setzen. Das hat die Monotonie der Reha zumindest subjektiv irgendwie beschleunigt - und dafür bin ich ihm sehr dankbar.

SPOX: Als Thomas Tuchel die Borussia übernahm, verpassten Sie den Trainingsstart mit muskulären Problemen. Glauben Sie, Ihre Situation wäre eine andere gewesen, wenn Sie gleich zu Beginn hätten Gas geben können?

Blaszczykowski: Das kann ich nicht vernünftig beantworten. Es war natürlich alles andere als ideal, den Start verpasst zu haben. Dadurch hatte ich einen gewissen Rückstand. Doch ich bin zwei Wochen später wieder richtig eingestiegen und habe mich an das Niveau der anderen heran gekämpft. Dass ich längst wieder voll im Saft stand, hat man ja nach meinem Wechsel gesehen. In Florenz ließ mich der Trainer ohne größeren Anlauf sofort von Anfang an spielen.

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SPOX: Wann wurde Ihnen bewusst, dass es womöglich am besten wäre, sich nach einer Alternative zum BVB umzuschauen?

Blaszczykowski: Das kam erst mit der Zeit. Ich bin nicht der Typ, der den Konkurrenzkampf scheut. Ich kämpfe gerne um meinen Platz. Ich war immer bereit und habe auf meine Chance gewartet, aber kam in der Vorbereitung nur selten zum Einsatz. Mir wurde klar, dass ich eine grundsätzliche Entscheidung treffen muss - und das habe ich getan.

SPOX: Dortmund hat Sie für eine Saison ausgeliehen. Stand ein Kauf nicht zur Debatte?

Blaszczykowski: Darauf haben sich die Klubs fürs Erste eben verständigt, um zu einer Einigkeit zu kommen. Florenz besitzt eine Kaufoption für mich und ich gehe derzeit davon aus, dass sie diese auch ziehen werden.

SPOX: Also ist eine Rückkehr zum BVB unwahrscheinlich?

Blaszczykowski: Das ist nicht meine Entscheidung. Es wird davon abhängen, wie Florenz und Dortmund mit mir planen. Wenn mich Florenz behalten möchte, müssen sie die Option ziehen.

SPOX: Während des ersten BVB-Heimspiels nach Ihrem Wechsel hielten die Fans auf der Südtribüne zahlreiche Plakate mit der Aufschrift "Danke Kuba" hoch. Was bedeutet Ihnen das?

Blaszczykowski: Ich war zunächst vollkommen überrascht davon und bin es eigentlich heute noch. Das hatte ich wirklich nicht erwartet. Ob ich so viel Respekt verdient habe? Ich weiß nicht. Ich möchte hier auch die Gelegenheit nutzen, um mich dafür noch einmal explizit bei den Fans zu bedanken. Das war eine überragende Geste. Wir sind zusammen durch viele schöne, aber auch weniger schöne Momente gegangen, die mich jedoch allesamt als Menschen sehr geprägt haben.

SPOX: Was war Ihr persönliches Highlight in diesen acht Jahren bei der Borussia?

Blaszczykowski: Neben den Titelgewinnen hat mich am meisten beeindruckt, was während der schlechten letzten Saison passiert ist. Wir waren am Anfang der Rückrunde Tabellenletzter - und haben von den Fans eine riesige Unterstützung erfahren. Das war alles andere als selbstverständlich und hat sich wirklich in mein Herz eingebrannt. Das war für mich die beste emotionale Erfahrung, die ich beim BVB gemacht habe. SPOX

SPOX: Was Ihnen nach Ihrem Wechsel noch einmal viele Sympathien in Dortmund eingebracht hat, war ein Zitat auf Ihrer Homepage. Sie sagten, Schalke 04 habe großes Interesse an Ihrer Verpflichtung gezeigt, doch Sie sagten aus Respekt vor den BVB-Fans ab. S04 hat ein angebliches Interesse jedoch dementiert. Was stimmt denn nun?

Blaszczykowski: Dazu möchte ich nichts Neues sagen. Das, was ich dazu sagen wollte, habe ich bereits getan.

SPOX: Kann man denn in Florenz die Spiele des BVB verfolgen?

Blaszczykowski: Ich habe Mittel und Wege gefunden. (lacht) Wenn ich nicht selbst spiele, gucke ich natürlich. Ich weiß über alles Bescheid und bin jetzt richtiger BVB-Fan. Die Niederlage gegen die Bayern war zwar brutal bitter, doch der Rest der Saison verläuft in meinen Augen wunderbar.

SPOX: Nur Ihr guter Kumpel Lukasz Piszczek kommt derzeit selten zum Einsatz.

Blaszczykowski: Es ist schon ein komisches Gefühl, ihn im Alltag nicht mehr an der Seite zu haben. Jetzt sehen wir uns nur noch bei der Nationalmannschaft. Seine aktuelle Situation ist nicht leicht. Er hat in den letzten Jahren immer gespielt und sitzt jetzt häufiger draußen. Allerdings spielt Matthias Ginter auf seiner Position auch sehr gut. Lukasz muss jetzt kämpfen, jederzeit bereit sein und auf seine Chance warten. Dass er ein toller Fußballer ist, hat er ja schon mehrfach unter Beweis gestellt.

SPOX: Piszczek war Stammspieler unter Jürgen Klopp, der wie Sie nun andere Vereinsfarben trägt. Waren Sie überrascht, dass er seine Pause schon so früh wieder beendete?

Blaszczykowski: Nein. Wenn ein Verein wie Liverpool anklopft, muss man seine eigenen Vorsätze schon mal überdenken. Das wird Jürgen getan haben. Er ist ein sehr guter Trainer und ein noch besserer Mensch. Seine Art und sein emotionaler Fußball passen sehr gut zu den Reds. Es wird etwas Zeit brauchen, bis sich die ersten Erfolge einstellen. Ich musste so lachen: der "Normal One" war so typisch Jürgen. Dank ihm muss ich jetzt auch noch die Premier League schauen. (lacht)

SPOX: Ist es richtig, dass Sie zu Klopp eine richtig innige Beziehung hatten?

Blaszczykowski: Ja, aber das galt auch für seine beiden Co-Trainer Zeljko Buvac und Peter Krawietz. Dank ihnen hatten wir in Dortmund eine sensationelle Atmosphäre in der Mannschaft. Es war wie in einer Familie. 'So etwas kann man nicht kaufen', hat Zeljko immer gesagt. Hoffentlich liest er diesen Satz, dann wird er sich freuen.

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