Geile Party mit fiesen Aussetzern

Von Adrian Franke
28. Juni 201409:01
Messi führte die Albiceleste ins Viertelfinale - Casillas musste die Heimreise antretengetty
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Die WM in Brasilien macht nach der Gruppenphase ihre erste kleine Verschnaufpause. Schon jetzt begeistert das Turnier mit Toren en masse, einem grandios aufspielenden Underdog und der mexikanischen Laus. Doch es gibt auch allerhand ungebetene Partygäste.

Die Tops der WM-Gruppenphase

Schiedsrichter-Hilfen: Das Spray, um die Abstände der Mauer beim Freistoß visuell zu fixieren, ist sinnvoll und erleichtert die Arbeit des Schiedsrichters erheblich. Da eine für alle sichtbare Markierung auf dem Platz ist, können die Referees auf andere Dinge schauen, ohne dass die Mauer, wie sonst fast üblich, nachdem der Ball liegt im Rücken des Schiedsrichters noch mehrere Schritte nach vorne macht.

Auch die Torlinientechnik hatte bereits ihren Auftritt. Beim Spiel Frankreich gegen Honduras erzielte Karim Benzema kurz nach der Pause das 2:0, als der Ball vom Pfosten abprallte und von Torhüter Noel Valladares abgefälscht knapp hinter die Linie rollte. Mit dem Auge selbst anhand der TV-Bilder kaum zu erkennen, signalisierte die Technologie, dass der Ball im Tor war. Weiterer Einsatz nach der WM unbedingt empfohlen.

Costa Rica: Als absoluter Außenseiter in die Gruppe mit Uruguay, Italien und England gestartet, ist Costa Rica bislang die größte Überraschung der WM. Gegen die Urus machten die Mittelamerikaner aus einem 0:1 ein 3:1 und Italien besiegte der krasse Außenseiter mit 1:0. Dabei kamen die Siege Costa Ricas nicht zufällig zustande: Das Team beeindruckt vielmehr mit großem Herz und großer Leidenschaft, gleichzeitig aber, trotz seiner begrenzten individuellen Möglichkeiten, mit hohem taktischen Aufwand und starker Defensiv-Disziplin. SPOX

Dazu hat Costa Rica in Joel Campbell einen der WM-Shootingstars in seinen Reihen. Getreu ihres Lebensmottos "Pura Vida" genießt das Team seine Zeit in Brasilien, während die Fans zuhause ihr eigenes Sommermärchen feiern. "Die Liebe, die wir von den Fans bekommen, ist so gewaltig", strahlte Campbell: "Wir nehmen diese Leidenschaft und Freude mit aufs Spielfeld. Das gibt uns einen zusätzlichen Kick."

Die Torflut: Wenn man die WM, neben dem Favoritensterben der Hochkaräter aus Europa, unter ein Motto stellen will, wäre das zweifellos die Torflut. Seit 1998 (185 Tore) war der Trend konstant rückläufig, bis hin zu 157 Treffern vor vier Jahren in Südafrika. Im laufenden Turnier fielen in den ersten 48 Spielen schon 136 Tore.

Zwar gab es bereits fünf torlose Remis, doch mehrere Teams stehen buchstäblich für Tore. In den Spielen mit der Schweiz sowie den Niederlanden fielen insgesamt 13 Treffer - WM-Höchstwert! Frankreich hatte zuvor nur 1958 acht Tore in seinen ersten beiden WM-Partien erzielt. Halten die Teams den aktuellen Schnitt, wäre es seit 1930 immer noch in der Top-12 der torreichsten Weltmeisterschaften, was durchschnittliche Treffer pro Spiel angeht.

Die Stars als Stars: Mehrere Stars konnten bislang den hohen Erwartungen gerecht werden. Lionel Messi schoss Argentinien mit vier Treffern fast im Alleingang ins Achtelfinale, gleiches gilt für Neymar und Brasilien - beide Teams sind jeweils stark abhängig von ihren Superstars, beide lieferten bisher aber ab. Auch Frankreichs Karim Benzema spielte eine herausragende Gruppenphase, erzielte drei Treffer und bereitete drei weitere vor.

Dabei vergab der Stürmer von Real Madrid sogar noch einen Strafstoß und erzielte gegen die Schweiz den sehenswerten Post-Schlusspfiff-Treffer. Kolumbiens James Rodriguez ist nach dem Ausfall von Radamel Falcao ins Rampenlicht getreten. Der 22-Jährige traf in jedem Vorrunden-Spiel der Südamerikaner und bereitete zwei weitere Treffer vor.

Mexiko-Trainer Hector Herrera: "El Piojo" ("Die Laus") hält es selten mal auf seiner Bank, meistens flippt der mexikanische Nationaltrainer wegen irgendetwas komplett aus - egal ob Jubel oder Verärgerung. Vor allem der Torjubel gegen Kroatien, als sich Herrera auf Jose Vazquez warf und seinen Mittelfeldmann zu Boden drückte, machte im Internet natürlich sofort die Runde. SPOX

Doch Herrera kann auch anders. Der Trainer, der als aktiver Spieler mit Vokuhila-Frisur glänzte, ist außerhalb des Platzes auch ein lockerer Spaßvogel und liefert hinter seinen Spielern schon mal die ein oder andere Photobomb ab. "Das ist einer der glücklichsten Tage meines Lebens", strahlte er nach dem Achtelfinal-Einzug. Als nächstes geht es gegen die Niederlande, doch der Seitenlinien-Vulkan kündigte bereits an: "Es kommt noch mehr."

Spannung, Spektakel, gedrehte Spiele: Es ist bisher auch die WM der gedrehten Spiele, die viel Spannung bereit hielten. Gleich zum Auftakt drehte Brasilien ein 0:1 gegen Kroatien in ein 3:1, gefolgt von Hollands spektakulärem 5:1 gegen Spanien - ebenfalls nach Rückstand. Auch gegen Australien gewann die van-Gaal-Truppe nach zwischenzeitlichem 1:2.

Insgesamt acht Spiele wurden bereits gedreht, und das trotz der klimatisch oft schwierigen Bedingungen. Auch Mannschaften wie Belgien oder Costa Rica bewiesen große Moral. Setzt sich das im weiteren Turnier fort, steht uns eine spannende und unvorhersehbare K.o.-Phase bevor.

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Die Flops der WM-Gruppenphase

Luis Suarez: Luis Suarez kann es nicht lassen. Zwar bewahrte er Uruguay mit zwei Treffern gegen England vor dem vorzeitigen Ausscheiden, nur um dann wieder seine hässliche Seite zu zeigen. Gegen Italien biss er Innenverteidiger Giorgio Chiellini in die Schulter, es war bereits das dritte Mal, dass der Ausnahmestürmer in seiner Karriere einen Gegenspieler biss.

Entsprechend drakonisch war die Strafe der FIFA. Die WM ist für Suarez gelaufen, er wurde für neun Länderspiele sowie insgesamt vier Monate gesperrt. Damit fehlt er dem FC Liverpool erneut zum Saisonstart, es bleibt abzuwarten, wie die Reds darauf reagieren. Dass es der 27-Jährige in diesem Leben noch lernt, darf zumindest bezweifelt werden.

Schwache Schiedsrichter: Leider fallen die Schiedsrichter einmal mehr bei einer WM mit zahlreichen Fehlern auf. Gleich im Auftaktspiel erhielt Brasilien vom japanischen Referee Youichi Nishimura einen absurden Strafstoß, der die Gastgeber mit dem 2:1 auf die Siegerstraße brachte. Im zweiten Spiel wurden Mexiko zwei reguläre Tore aberkannt, das gleiche Schicksal ereilte die Schweiz gegen Ecuador. Während Mexiko und die Schweiz dennoch gewannen, verlief es für Bosnien-Herzegowina bitterer.

Edin Dzeko wurde gegen Nigeria ein regulärer Treffer zum vermeintlichen 1:0 nicht gegeben, Bosnien verlor mit 0:1 und schied aus. Der Platzverweis von Italiens Claudio Marchisio gegen Uruguay war zudem mindestens eine extrem harte Entscheidung. Zu den Fehlern der Unparteiischen kommt die harte Zweikampfführung, vor allem der Südamerikaner inklusive der Brasilianer. Viele klar taktische Fouls werden nicht mit Gelb geahndet.

Enttäuschende Europäer: Traditionell tun sich europäische Mannschaften bei Weltmeisterschaften in Südamerika schwer, mit einem derartigen (Mit-)Favoritensterben aus europäischer Sicht war aber dennoch nicht zu rechnen. Spanien und England schieden sang- und klanglos aus, Italien patzte vor allem gegen Costa Rica.

Während Spanien noch mit unglücklichen Spielverläufen zu kämpfen hatte, wirkten Italien und England phasenweise komplett ideenlos und schieden, wenn auch mit etwas Pech im Fall Italien, zu Recht aus. Auch Kroatien und Portugal blieben hinter den eigenen Erwartungen zurück. SPOX

Desolates Kamerun: In der Gastgeber-Gruppe A hatte Kamerun von Beginn an ohnehin nur Außenseiterchancen, dennoch enttäuschten die Afrikaner maßlos. Abgesehen von der ersten Halbzeit gegen Brasilien bot Kamerun unkonzentrierte, taktisch kopflose und offensiv zumeist harmlose Auftritte, auch Superstar Samuel Eto'o wirkte komplett lustlos.

Doch nicht genug damit, dass es spielerisch nicht passte. Alexandre Song, eigentlich einer der Köpfe des Teams, brannten gegen Kroatien die Sicherungen durch, nach seinem Ellbogenschlag gegen Mario Mandzukic flog er vom Platz. Im gleichen Spiel geriet Benoit Assou-Ekotto mit Mitspieler Benjamin Moukandjo aneinander und gab ihm eine Kopfnuss.

Der Rasen in Manaus: Schon vor Turnierstart war klar, dass der Platz im Stadion von Manaus nicht in WM-Form sein würde. Mehrere Löcher klafften im Rasen, so dass einige Arbeiter die braunen Flecken schlicht mit grüner Farbe übersprühten. Folgerichtig schimpfte die englische Klatschpresse vor dem Duell mit Italien: "Pfusch im Dschungel".

SPOX

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