Der neue Point Guard
Im Sommer standen die Bayern vor einer durchaus interessanten Aufgabe. Malcolm Delaney, eine der prägenden Figuren der Meistersaison, der MVP der BBL, jener Point Guard, dessen Scoring im Laufe der Spielzeit unglaublich wichtig gewesen war, hatte sich entschieden, den Verein zu verlassen. Ausgerechnet auf einer der zentralsten Positionen im Basketball mussten sich die Münchner also neu orientieren. Völlig neu. Denn anstatt erneut einen Einser zu verpflichten, der mit Vorliebe den eigenen Wurf sucht, entschied man sich für einen, der den Assist dem eigenen Abschluss vorzieht. Für einen klassischen Pass-First Point Guard. Für Vasilije "Vasa" Micic.
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"Wir hätten Malcolm gern gehalten, aber er hat sich anders entschieden", erklärt Svetislav Pesic' Assistant Coach Emir Mutapcic im Gespräch mit SPOX. "Da haben wir beschlossen, mit drei Playmakern, die sich ergänzen, in die neue Saison zu gehen. Heiko (Schaffartzik, Anm. d. Red.) war bereits da, Anton (Gavel, Anm. d. Red.) kam, dann haben wir den Markt nach Spielern durchsucht, die für uns interessant sind. Coach Pesic kennt Micic von früher noch sehr gut und hat ihn bei der U16 und U18 häufig gesehen. Deshalb haben wir uns dann entschieden, den beiden erfahrenen einen jungen Point Guard zur Seite zu stellen, der Potential besitzt."
Potential besitzt Micic tatsächlich eine Menge. Sogar so viel, dass ihn die Philadelphia 76ers beim vergangenen Draft an 52. Stelle zogen. Und auch die Jugend dürfte im Verlauf der Saison kein allzu großes Problem darstellen. "Micic besitzt bereits eine gewisse Erfahrung. Immerhin hat er schon für die serbische Nationalmannschaft gespielt und ein gutes Jahr in der Adria Liga hingelegt ", sagt Mutapcic.
Dass Micic in München einen Zweijahresvertrag mit Option auf eine weitere Saison unterschrieb, sei ebenfalls ein wichtiger Faktor gewesen, denn "wir wollen mit Vasa Kontinuität haben." Da hilft es natürlich, dass Micic selbst die Bayern keinesfalls als Übergangsstation betrachtet, sich und den Verein weiterentwickeln möchte, wie er im SPOX-Interview verriet.
Doch wie würde die Transformation verlaufen? Wie würde sich das Spiel der Bayern angesichts eines derart radikalen Wechsels auf der Eins verändern? Grundsätzlich einmal gar nicht. Denn "jeder Spieler muss sich erst unserem System, dem Trainer, der Mannschaft anpassen", erklärt Mutapcic. "Auch Micic."
Dass er dazu mehr als bereit ist, unterstrich der Serbe noch einmal, indem er auf die WM verzichtete, um so früh wie möglich beim Verein zu sein und sich an die neuen Teamkollegen zu gewöhnen, deren Spiel verstehen zu lernen. Und es funktioniert. Bereits beim BBL-Auftakt gegen den Mitteldeutschen BC bewies Micic, welch spezieller Playmaker er ist. Immer hatte er den Kopf oben, suchte ständig den Mitspieler, wollte kreieren. So auch, als er nach dem Zug zum Korb in eigentlich aussichtsloser Position den offenen Lucca Staiger an der Dreierlinie fand.
Micic' Spielansatz, ein Ansatz, der durchaus konträr zu jenem Delaneys daherkommt, dürfte den Bayern im Laufe der Saison gut tun. Perfekt ist alles selbstverständlich dennoch nicht. Kann es auch nicht. "Vasa hat sein Talent gezeigt", sagt auch Mutapcic. "Allerdings muss er noch ein wenig Konstanz in sein Spiel bringen - speziell in den für uns wichtigsten Aspekten Rebounding und Defense. Leider war er zuletzt etwas krank, konnte nicht spielen, was ihn ein wenig aus dem Rhythmus gebracht hat. Aber er ist auf einem guten Weg."
Bislang kommt Micic ausschließlich von der Bank. Er soll, er muss noch lernen. Gut also, dass Anton Gavel seine Schulterverletzung mittlerweile überstanden hat und in Hagen sein BBL-Debüt für die Bayern gab. Schließlich soll der ehemalige Bamberger Micic noch mehr Anschauungsunterricht geben, als einige vielleicht vermutet hatten. Laut Emir Mutapcic wird Gavel diese Saison nämlich "häufiger die Playmaker-Rolle einnehmen, als er es vergangene Saison in Bamberg tat."
Statt Delaney, Schaffartzik und Hamann bilden nun also Micic, Schaffartzik und Gavel Bayerns Point-Guard-Trio. Ein Schritt in die richtige Richtung. "Dank der drei sind wir auf der Eins für mich nun besser aufgestellt als vergangene Saison", glaubt Mutapcic.