"Die Bayern haben alles richtig gemacht"

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02. September 201312:15
Nihad Djedovic (M.) wechselt zur neuen Saison von Alba Berlin zum FC Bayern Basketballgetty
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Die EuroBasket 2013 in Slowenien (Jeden Tag ein Spiel im LIVE-STREAM FOR FREE bei SPOX) steht vor der Tür. Da darf natürlich eine neue Ausgabe der Triangle Offense nicht fehlen. Philipp Dornhegge, Haruka Gruber und Florian Regelmann diskutieren mit Kultkommentator Frank Buschmann, der bei der Europameisterschaft am Mikro sitzen wird, über die Chancen des DBB-Teams, die großen Favoriten und Bayerns neues Megatalent Nihad Djedovic.

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1. Deutschland in Bestbesetzung wäre ein Medaillenkandidat

Florian Regelmann: Deutschland in Bestbesetzung würde die Zwischenrunde erreichen, aber ein Medaillenkandidat? Niemals. Es macht mir beileibe keinen Spaß, hier alles schwarzzumalen, aber wenn ich wetten müsste, würde ich ja wetten, dass Deutschland in der Vorrunde sofort rausgeht. Das Team ist engagiert ohne Ende, zweifellos, aber es ist nüchtern betrachtet einfach so brutal limitiert in seinen Möglichkeiten. Gerade offensiv wird das Spiel für Spiel eine wahnsinnige Herausforderung. Die Mannschaft hat niemanden, der sich seinen eigenen Schuss kreieren kann, der das Team auf seine Schultern nimmt und trägt. Schaffartzik ist am ehesten am Go-to-Guy-Status dran, aber er ist auch jemand, der als zweite, dritte, vierte Option seine Stärken am besten ausspielen kann. Nicht, wenn jeder weiß, dass außer von ihm von kaum jemand Gefahr ausgeht. Wir müssen ehrlich sein: Wir haben phasenweise Lineup-Kombinationen auf dem Feld, die nicht EM-Zwischenrunden-tauglich sind, das reicht einfach nicht. Und was mir zuletzt überhaupt nicht gefallen hat, war die Neigung zur Schönrednerei. Wir hatten beim Supercup dreimal keine Chance, zugegeben, es waren gute Gegner, aber wir hatten keine Chance und hinterher hörte man nur, wie großartig die Leistung wieder war. Sorry, aber das war sie nicht. Wer 20 Mal den Ball wegschmeißt, der hat keine großartige Leistung gebracht. Ende. Die Gruppe mag abgesehen von Frankreich machbar erscheinen, allein mir fehlt der Glaube. SPOX

Philipp Dornhegge: Ich bin völlig Deiner Meinung, dass man nichts schön reden sollte. Diese Mannschaft ist nicht besonders stark. Fakt ist aber erstens, dass unsere Gruppe mehr als machbar ist. Das ist ganz klar die leichteste Gruppe der EM. Fakt ist zweitens, dass das gar nicht das Thema ist. Hier geht es darum, was Deutschland mit seiner bestmöglichen Mannschaft leisten könnte, und die sähe mit Nowitzki, Harris, Schröder, Ohlbrecht und vielleicht Kaman ganz anders aus. Dann wären Giffey, Staiger und Co. "nur" die Ergänzungen, und diese Rolle können die Jungs allemal spielen. Wäre das Team ein Medaillenkandidat? So lange Nowitzki mitmischt und mit dem Herz bei der Sache ist - was eigentlich immer der Fall war -, dann ist Deutschland immer ein Medaillenkandidat bei einer EM. Und speziell bei dieser, bei der Pau Gasol fehlt, Italien arg geschwächt ist und auch Russland nicht so toll daherkommt. Etliche Mannschaften haben Ausfälle zu verkraften, wären wir also in Bestbesetzung, hätte ganz bestimmt jeder Gegner Respekt. Ich hoffe sehr, dass sich Harris, Ohlbrecht und Schröder in der NBA etablieren können und sich auf entsprechendem Niveau einpendeln. Dann sollten wir in den kommenden Jahren den unvermeidlichen Rücktritt Nowitzkis wenigstens halbwegs sauber abfedern können.

Frank Buschmann: Wenn wir davon ausgehen, dass Deutschland in Bestbesetzung antreten würde bei der diesjährigen EM, dann würde ich sagen: Ja, das DBB-Team wäre ein Medaillenkandidat. Aber Phil, wenn wir Deutschland theoretisch in Bestbesetzung antreten lassen, müssen wir so fair sein, dass es auch für die anderen Teams gilt. Spanien müsste dann nicht auf Pau Gasol, Serge Ibaka und Juan Carlos Navarro verzichten. Russland hätte Andrei Kirilenko und viele andere. Die Litauer und besonders die Italiener wären in voller Ladung dabei. Und in dem Szenario ist Deutschland nicht zwingend ein Medaillenkandidat, das hat uns die Vergangenheit gelehrt. Bei der EM 2011 in Litauen musste man erkennen, dass selbst mit einem zugegeben müden Nowitzki das Viertelfinale nicht drin war. Zumal wir weiter differenzieren müssen: Wer weiß denn, wie sich Dennis, Elias oder Tim auf europäisches Toplevel als Leistungsträger schon helfen könnten? Sie kennen es nicht, auch nicht vom Klub-Basketball. Es wäre eine unglaubliche Bürde für sie und vielleicht ist es sogar besser, dass sie nicht in Slowenien dabei sind, weil sie als Heilsbringer gehypt werden würden. Daher bleibe ich Berufsoptimist, was die EM 2013 anbelangt. Die Leistungen beim Supercup machten mir Sorgen, vor allem wegen den Ballverlusten. Allerdings lassen sich Turnover auch in kurzer Zeit relativ einfach abstellen oder zumindest nach unten schrauben. Daher bin ich nicht bereit, die Mannschaft abzuschreiben, egal wie viele NBA-Profis fehlen. Ich sehe realistische Chancen auf die Zwischenrunde.

Das DBB-Team in der Kaderanalyse: Wer braucht schon einen Power Forward?

Haruka Gruber: Mir kommt hier die deutsche Mannschaft trotz der vielen Absagen zu schlecht weg. Zu den Top-8-Nationen in Europa fehlt einiges, allerdings sollte man die restliche Konkurrenz nicht stärker reden, als sie ist. Großbritannien und Belgien sind eine Klasse schlechter, die Ukrainer sind ebenfalls kein Überteam. Und Israel mag ein Basketball-Traditionsland sein, aber warum sollen sie so viel stärker sein als unsere DBB-Jungs, wenn bei ihnen Yotam Halperin weiterhin zu den Stützen zählt, obwohl er für die Bayern in der BBL nicht weiter auffiel? Daher bin ich mal ganz verwegen: Deutschland gewinnt vom Frankreich-Auftakt abgesehen alle Spiele und zieht mit einer Niederlage in die Zwischenrunde ein. Von der Parallelgruppe werden sich vermutlich Litauen, Serbien sowie Bosnien, Mazedonien oder Montenegro dafür qualifizieren. Okay, Litauen ist zu stark. Aber ansonsten? Gegen Serbien, das ebenfalls nur in der B-Besetzung antritt, sieht Deutschland immer gut aus. Und ein Überraschungssieg gegen Bosnien, Mazedonien oder Montenegro vorausgesetzt, ist selbst das Viertelfinale nicht komplett illusorisch. Ich sage nicht, dass es so kommt. Aber vor lauter Skepsis sollte auch das mal erwähnt werden. Entsprechend würde ich die These unterschreiben: Selbst ohne Dirk und Kaman, dafür mit Schröder, Harris sowie einer tieferen Big-Man-Rotation mit Daniel Theis und Philipp Neumann wäre Deutschland zumindest ein Viertelfinal-Aspirant. Mit Dirk und Kaman hätte das Ziel ganz klar eine Medaille sein müssen.

These 1: Deutschland in Bestbesetzung wäre ein Medaillenkandidat

These 2: Mit Tibor Pleiß steht und fällt das deutsche Spiel

These 3: Der Geheimfavorit auf den Titel heißt Slowenien

These 4: In Nihad Djedovic steckt ein europäischer Superstar

These 5: Griechenland wird die Negativüberraschung

Der Spielplan der EuroBasket 2013

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2. Mit Tibor Pleiß steht und fällt das deutsche Spiel

Frank Buschmann: Ich sehe es komplett anders, weil ich die These vertrete, auch wenn sie abgedroschen ist: Der wichtigste Spieler ist das Team. Die deutsche Mannschaft hat nicht DEN einen Spieler, der pro Spiel 20 Punkte abliefert. Viele andere Nationen besitzen sogar zwei von dem Kaliber, selbst Schweden mit Jonas Jerebko und Jeffrey Taylor. Wenn ich einen Spieler rauspicken müsste, dann Tibor. Für ihn ist es das Turnier, bei dem er sich als Führungspersönlichkeit etablieren muss. Ich bete, dass er einen guten Start ins Turnier findet. Und er muss lernen, dass er neben seinem Touch aus der Mitteldistanz mit seiner physischen Präsenz am Brett dominiert. Dennoch wird er nicht der alleinentscheidende Spieler sein. Entscheidend wird das gesamte Team. SPOX

Haruka Gruber: Ein Team, aus dem Tibor dennoch heraussticht. Alleine schon, weil er sich sehr mutig zum Wechsel in die spanische Liga entschieden und sich deutlich besser geschlagen hat, als es die meisten vermutet haben. Er war nicht der Superstar von Caja Laboral, aber er gehörte zur engen Rotation bei einem europäischen Topklub, was an sich schon einiges aussagt. Und was mich besonders beeindruckte: Obwohl es durch die Trainerwechsel viele Unruhen im Klub gab und sich Tibor immer wieder anpassen musste, spieltaktisch wie auch menschlich, blieb er klar im Kopf und zeigte konstant seine Leistungen. Nächstes Jahr wird er in Vitoria vermutlich sogar Starter, nachdem Maciej Lampe zum FC Barcelona wechselt. Das sagt einiges darüber aus, wie gut sich Tibor entwickelt hat. Wenn er es bei der EM schafft, sein starkes Midrange-Spiel mit Post-Moves zu kombinieren, wird er die wichtigste Offensiv-Option sein. Er muss beständig scoren, damit sich Heiko Schaffartzik auf die großen Momente konzentrieren kann. Defensiv ist Tibor schon jetzt einer der besten Center in Europa. Und weil es bei ihm immer angesprochen wird: Ja, er hat sich Muskeln antrainiert. Er wird nie ein Popeye, aber im Vergleich zur EM 2011 ist er ein anderer Spieler, viel kräftiger und ausdefinierter.

Philipp Dornhegge: Logisch ist Tibor Pleiß mit seiner Größe und inzwischen gewonnenen Erfahrung ein Schlüsselspieler - auch und insbesondere in der Defense. Noch wichtiger - und das habe ich bereits nach dem Vierländerturnier in Straßburg geschrieben, ist aber Robin Benzing. Und das auf vielen Ebenen: Er ist der eindeutig beste Small Forward, den wir haben, er könnte Niels Giffey einiges zeigen. Benzing ist einer der wenigen, die sich einen eigenen Wurf kreieren können, besonders durch sein immer besser werdendes Low-Post-Spiel gegen kleinere Verteidiger. Auf der anderen Seite ist er auch der beste Power Forward, den wir haben. Das ist nicht seine natürliche Position, aber er wird sie wohl spielen müssen, weil wir außer Alex King einfach niemanden für die Vier haben. Und da bin ich wiederum gespannt, wie er damit klarkommt. Der Low Post ist dann nicht mehr die beste Option, das Perimeter-Spiel als Ballträger ist aber nicht seine größte Stärke. Oder gegen größere und langsamere Verteidiger vielleicht doch? Und wie schlägt er sich in der Defense gegen die Brecher der Konkurrenz, besonders beim Rebound? Benzing muss dem Turnier aus deutscher Sicht seinen Stempel aufdrücken, Schaffartzik allein kann das Team nicht tragen.

Florian Regelmann: Pleiß ist 2,15 Meter groß und hat eine unfassbare Spannweite - es ist völlig klar, dass Pleiß ein ganz zentraler Spieler ist, der in der Offensive immer wieder gesucht werden muss. Zumal er in der Vorbereitung sich ja auch richtig gut in Form gezeigt hat. Aber die These würde ich insofern nicht unterschreiben, weil für mich das deutsche Spiel mit Per Günther steht und fällt. Das mit Abstand größte Problem der Mannschaft ist meiner Meinung nach, dass Günther (noch) nicht zu 100 Prozent fit und in Form ist. Günther hat in Ulm eine großartige, teils sensationelle (das 35-Punkte-Spiel gegen Artland) Saison absolviert, auch und vor allem auf europäischer Ebene - bis diese blöde Verletzung in den Playoffs kam. Der Junge hat fast 50 Prozent Dreier getroffen, er war so gut drauf. Jetzt kommt sein erstes richtiges großes Turnier und Günther wäre für mich eigentlich einer der entscheidenden Schlüsselspieler im DBB-Team, die Klasse hat er. Natürlich haben die vielen Absagen zu einem Notstand auf der Vier geführt, aber für mich ist unser Backcourt-Problem noch schlimmer. Mit dem Günther aus der letzten BBL-Saison würde das auf einen Schlag ganz anders aussehen - Combo-Guard Schaffartzik könnte mehr auf die Zwei rücken, was auch nicht so schlecht wäre. Ich kann es nur noch mal wiederholen: Von allen Personalien ist Günther für mich die entscheidende.

Frank Buschmann: Es tut mir weh, Flo zuzustimmen, aber mit Abstrichen wird auch die Entwicklung von Per Günther wichtig sein. Er ist nicht der Größte und unterliegt Limitationen, aber es gab in der Vergangenheit immer Spieler, die trotz athletischer Grenzen Sachen geschafft haben, die gar nicht gehen. Ich gehe mal ganz weit zurück: Nikos Galis. Ein 1,83 Meter großer Basketballer, der regelmäßig zum Korb zog und an der Freiwurflinie abstoppte. Für mich ist Per ein ähnlicher Typus. Mit Selbstvertrauen, Fitness und internationaler Erfahrung kann er der Kopf der Mannschaft sein und Heiko entlasten, der der Mann für die wichtigen Punkte sein wird. Heiko weiß mittlerweile, wann er am Rad drehen muss. Außerdem, wie von Phil angesprochen, wird es spannend sein, was Robin macht. Es wird mit seinen 24 Jahren Zeit zu liefern - und ich traue ihm das auf der ungewohnten Power-Forward-Position zu. Israels Lior Eliyahu oder Belgiens Axel Hervelle von Bilbao sind genau seine Kragenweite.

These 1: Deutschland in Bestbesetzung wäre ein Medaillenkandidat

These 2: Mit Tibor Pleiß steht und fällt das deutsche Spiel

These 3: Der Geheimfavorit auf den Titel heißt Slowenien

These 4: In Nihad Djedovic steckt ein europäischer Superstar

These 5: Griechenland wird die Negativüberraschung

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3. Der Geheimfavorit auf den Titel heißt Slowenien

Haruka Gruber: Irgendwann muss man mal aufhören, Slowenien als Geheimfavoriten zu bezeichnen. Vor jedem Turnier denkt man sich: nicht schlecht. Aber dann scheiden die in der Zwischenrunde aus, obwohl der Kader ausschließlich aus NBA-Profis und Euroleague-Stars besteht. Vielleicht ist Goran Dragic nach seinem NBA-Durchbruch endlich mal der Leader, der die Mannschaft anführt und vermittelt, dass nur Talent nicht reicht. Nur mir fehlt der Glaube daran, weil die Vergangenheit immer das Gegenteil bewiesen hat. Angesichts der notorischen Nervenschwäche will ich auch nicht ausschließen, dass die Slowenen vom heimischen Publikum eher eingeschüchtert als beflügelt werden und eine ähnliche Enttäuschung erleben wie Litauen 2011. Zumal Slowenien in eine Hammergruppe gelost wurde mit Spanien, Kroatien und Polen, auf die ich besonders gespannt bin. Mit Marcin Gortat und Maciej Lampe verfügt Dirk Bauermann über das beste Frontcourt-Duo der EM, dazu superstarke Talente wie Matthew Ponitka und Przemyslaw Karnowski. Wenn es Polens Spielmacher Lukasz Koszarek, der besser sein soll als der nicht vorhandene Ruf, gelingt, den Ball immer wieder unter den Korb zu bringen und die Großen einzusetzen, könnte Polen die Überraschung des Turniers sein und vielleicht sogar Slowenien schlagen. Dann würde Slowenien womöglich mit 0 Punkten in die Zwischenrunde einziehen.

8. September um 14.30 Uhr: Polen vs. Spanien im LIVE-STREAM!

Florian Regelmann: Ich bin ganz anderer Meinung als Haruka: Slowenien ist bärenstark und wird um den Titel mitspielen, aber das ist denke ich nicht so wahnsinnig geheim. Die Slowenen haben in der Vorbereitung so gut wie nichts verloren, es fehlen eigentlich nur Beno Udrih und Erazem Lorbek, aber das fällt nicht so sehr ins Gewicht. Die Slowenen sollte man auf der Rechnung haben, aber wem man kaum mehr etwas zutraut, sind die Italiener. Kein Gallinari, kein Bargnani, kein Hackett, kein Mancinelli - bitter, wie viel Pech Italien schon wieder mit Verletzungen hatte. Der Ausfall von Hackett ist für mich noch viel schlimmer als der von Bargnani, Hackett hat für Siena eine überragende Saison gespielt und sich zum großen Star entwickelt. So schade, dass er fehlt. Aber: Ich glaube immer noch, dass Italien überraschen kann. Marco Belinelli ist dabei und sehr gut drauf - und dann gibt es ja noch Luigi Datome. Belinelli und Datome - das sind zwei Schützen vor dem Herrn. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass Datome nächste Saison in der NBA bei den Pistons eine gute Rolle spielen kann. Dann gibt es mit Alessandro Gentile noch einen 21-Jährigen, dem eine große Zukunft bevorsteht. Pietro Aradori ist auch ein guter Mann. Ich mag dieses italienische Team trotz allen Ausfällen, da geht was. Der Titel wäre natürlich übertrieben, aber Italien wird positiv auf sich aufmerksam machen.

Frank Buschmann: Italien? Doch nicht in der Besetzung, Flo! Datome kommt von einer Verletzung wieder und Gentile, na ja... Jetzt bekommt Flo eine ähnliche Wette angeboten wie Haruka mit Dennis Schröder: Wenn Italien ins Halbfinale einzieht, darf Flo ein Jahr lang umsonst Thüringer Bratwürste auf meine Kosten essen. Dann eher die russische Mannschaft, obwohl sie genauso extrem geschwächt sind. Bei denen habe ich das irgendwie im Gefühl mit dem jungen Karasev, Vitaliy Fridzon und Aleksey Shved, einer meiner Lieblinge. Aber mein Dark Horse ist, wenn man es überhaupt sagen kann, Slowenien. Ich bin sicher, dass wir uns umgucken werden, wie zum Beispiel ein Bostjan Nachbar aufspielen wird. Man darf den Heimfaktor nicht unterschätzen, die Mannschaft wird von den Fans getragen werden. Und ich mag Sauhunde wie Jaka Lakovic, auch wenn er in die Jahre gekommen ist. Das sind Spieler, die wissen, wann es um den Grill geht und nicht nur im die Wurst. Lorbeks Ausfallt tut weh, bei Udrih bin ich mir hingegen nicht so sicher. Es könnte die Cinderella-Geschichte werden. Aber, wie Haruka richtig anmerkt: Die Vergangenheit hat gezeigt, wie schief das alles laufen kann. Von Litauen haben wir 2011 auch die Cinderella-Geschichte erwartet und sie verlieren im Viertelfinale gegen Mazedonien. So gefestigt ist Slowenien nicht. Dennoch traue ich ihnen das Halbfinale zu.

Philipp Dornhegge: Ich sehe es wie Flo: Ein Europameister Slowenien wäre - vor allem dank der heimischen Fans - keine Sensation. Slowenien gehört mit Spanien, Frankreich, Griechenland und Litauen zu den Teams, die man auf der Rechnung haben MUSS. Dahinter hatte ich eine Weile Kroatien auf dem Zettel, aber die Pleiten gegen Serbien und die Türkei zuletzt waren schon deutlich. Die Türken selbst wiederum haben mal wieder überhaupt kein Guard-Spiel auf Spitzenniveau. Bis Sonntag blieben für mich eigentlich nur die Serben, die eine sehr, sehr gute Vorbereitung gespielt haben gegen teils starke Gegner. Und die vor allem mit Teodosic einen Weltklasse-Spielmacher haben - oder besser gehabt hätten. Nach seinem Ausfall ist es auch völlig egal, dass mit Nedovic ein kommender NBA-Spieler als Shooting Guard zur Stelle ist oder dass Trainer Ivkovic ein Fuchs ist. Nach der Trennung von Montenegro gab es für die Serben bei großen Turnieren bisher nur eine Medaille (Silber bei der EM 2009), viel zu wenig für eine so stolze Basketballnation. Ohne Teodosic wird das wieder nichts. Lange Rede, kurzer Sinn: Es gibt bei dieser EM keinen Geheimfavoriten.

These 1: Deutschland in Bestbesetzung wäre ein Medaillenkandidat

These 2: Mit Tibor Pleiß steht und fällt das deutsche Spiel

These 3: Der Geheimfavorit auf den Titel heißt Slowenien

These 4: In Nihad Djedovic steckt ein europäischer Superstar

These 5: Griechenland wird die Negativüberraschung

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4. In Nihad Djedovic steckt ein europäischer Superstar

Florian Regelmann: Ein klares Ja, die Bayern haben mit seiner Verpflichtung alles richtig gemacht. Ich habe mich spätestens beim Supercup in Ulm ein bisschen in Djedovic verliebt. Man muss sich schnellstens von der Denke verabschieden, dass Mirza Teletovic bei den Bosniern der Star wäre, nur weil er in der NBA sein Geld verdient. Teletovic kann ohne Zweifel heiß laufen, aber er ist auch vogelwild und ballert größtenteils einfach ohne Sinn und Verstand drauf, wir denken kurz an seine 3 Airballs in Serie gegen Detroit... unfassbar, der Typ! Nein, der bosnische Star ist Djedovic. Der Junge ist ein absoluter Instinktbasketballer, er kann ziehen, er kann schießen, er kann als Flügelspieler den Einser geben - er hat das komplette Paket. Und er wirkt von der Persönlichkeit extrem reif, was auch kein Wunder ist, wenn man bedenkt, wie viele Stationen er schon hinter sich hat im europäischen Ausland. Bei Alba waren seine Leistungen noch viel zu schwankend, aber ich bin sicher, dass Svetislav Pesic, der ja so auf Djedovic steht, ihn zu einem großen europäischen Spieler formen kann und wird. Sein großes Vorbild ist ja passenderweise Manu Ginobili. Ob er so eine Karriere starten und sich auch in der NBA einmal so überragend durchsetzen kann, ist schwer zu sagen. Die Voraussetzungen hat er aber allemal. Es gibt für mich auch kaum einen Spieler, der so elegant ist und bei dem es so Spaß macht zuzuschauen.

Philipp Dornhegge: Sorry Flo, aber diese Begeisterung kann ich überhaupt nicht teilen. Klar ist Djedovic ein Instinktbasketballer, der Spaß macht. Oder besser machen kann. Er hat nämlich auch großes Frustpotenzial. Insbesondere sein Wurf ist für mich ein rotes Tuch, seine Technik extrem ausbaufähig. Die Bewegung ist zu langsam, die Beinstellung inkonstant. Nicht umsonst wirft er unter 25 Prozent von der Dreierlinie und nur 70 Prozent von der Freiwurflinie. Bei einem Flügelspieler würde ich da nicht von "er kann schießen" sprechen. Mit 23 Jahren ist er natürlich noch jung. Aber auch nicht mehr so jung, dass sich sein Wurf eklatant verbessern wird innerhalb einer Saison. Auf der anderen Seite gefällt mir seine Spielübersicht und die Reboundarbeit, die für einen Spieler seiner Größe wirklich ordentlich ist. Aber wenn er ein potenzieller Superstar wäre, würde Djedovic dann nicht eher in Spanien oder Griechenland spielen statt bei Alba und den Bayern? Für einen Spieler, der bereits mit 16 als kommender Star galt, hat er sich einfach zu wenig entwickelt und ich habe Zweifel, dass er den entscheidenden Schritt noch machen wird. Vielleicht tut ihm Pesic tatsächlich gut, es wäre ihm zu wünschen. Aber das möchte ich erst sehen. Zur EM: Da trifft Bosnien auf Lettland, Montenegro, Mazedonien, Serbien, und Litauen. Da sehe ich nicht, dass er sein Land - egal, wie gut er spielt - irgendwie in die Zwischenrunde hieven kann.

Frank Buschmann: Ich halte sehr viel von Djedovic, das habe ich immer wieder gesagt. Und er bekommt von Aco Petrovic nahezu alle Freiheiten. Dennoch darf man sich nicht blenden lassen. Im Supercup beim Sieg gegen Deutschland resultierten die meisten Punkte nach einem Fastbreak per Layup. Das wird gegen starke Transition-Defense-Teams nicht so einfach sein - und dann muss er im Setplay funktionieren. Es wird interessant zu beobachten, ob er den Schritt macht, den auch Svetislav Pesic bei den Bayern von ihm erwartet. Daher: Gleich von europäischem Superstar zu sprechen, geht mir zu schnell. Vom wen ich viel erwarte, ist Russlands Shved. Die NBA-Freaks kennen ihn natürlich, aber jetzt könnte er den Sprung nach ganz oben schaffen. Schon bei der WM 2010 fand ich ihn fantastisch. Ich schaue ihm gerne zu, Basketball-IQ, Geschmeidigkeit, alles dabei. Extrem gespannt bin ich auch auf Jonas Valanciunas. Er ist kein Geheimtipp, aber er könnte auf dem höchsten Level das Coming Out feiern.

Haruka Gruber: Was Djedovic anbelangt, bin ich ganz bei Phil. Djedovic ist ein Player to watch - allerdings müssen wir bei aller Aufruhr nach dem Bayern-Wechsel und dem guten Supercup nüchtern bleiben und uns die Frage stellen: Seine Vita und sein Talent machen neugierig - aber was hat er bisher de facto geleistet? Mit 23 Jahren zählt er nicht mehr zu den Talenten, dennoch gelang es ihm nicht, die BBL zu dominieren. Bei ALBA war er nur ein Rollenspieler, kein Go-to-Guy. Von daher: Für ihn kann es nur darum gehen, mit Bosnien so zu überzeugen, dass ihm bei den Bayern nächstes Jahr eine wichtige Rolle sicher ist. Alles andere ist viel zu früh. Viel gespannter bin ich auf Italiens Alessandro Gentile. Er wird wegen den vielen Ausfällen bei Italien massig Minuten auf den Flügeln bekommen. Anfang der letzten Saison war er leider verletzt, hat aber in den italienischen Playoffs im 7-Spiele-Epos gegen Montepaschi gezeigt, dass er neben Karasev und Schröder der vielleicht talentierteste U-21-Spieler Europas ist.

These 1: Deutschland in Bestbesetzung wäre ein Medaillenkandidat

These 2: Mit Tibor Pleiß steht und fällt das deutsche Spiel

These 3: Der Geheimfavorit auf den Titel heißt Slowenien

These 4: In Nihad Djedovic steckt ein europäischer Superstar

These 5: Griechenland wird die Negativüberraschung

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5. Griechenland wird die Negativüberraschung

Philipp Dornhegge: Eine absurde These. Völlig absurd. Für mich zählt Griechenland, das hab ich vorher bereits gesagt, ebenfalls zu den ganz heißen Titelanwärtern - auch wenn ich letztlich auf Frankreich tippe. Bei Tony Parker und Co. habe ich irgendwie das Gefühl, dass es dieses Jahr endlich so weit ist mit dem großen Wurf. Enttäuschen werden aus meiner Sicht andere Teams. Vielleicht die Türken aufgrund ihrer erwähnten Backcourt-Probleme. Vielleicht die Russen, die ohne Kirilenko, Khryapa, Kaun und Mozgov antreten und bei denen generell gerade viel Unruhe herrscht. Von den Spitzenteams kann ich mir am ehesten noch die Slowenen als Negativüberraschung vorstellen, die knifflige Auftaktgegner haben. Schaut man sich die Auslosung an, wird in Gruppe B sicherlich ein Team schwer enttäuscht werden. Mit Litauen, Serbien, Montenegro und Mazedonien haben vier Teams klare Ansprüche auf drei Zwischenrundenplätze.

Florian Regelmann: Es ist mir völlig unerklärlich, wie man das überhaupt nur ansatzweise denken kann. Wir sollten ja hier auch alle unseren EM-Tipp abgeben - meiner heißt Griechenland. Und bevor einer blöd nachfragt: Ja, ich glaube sogar daran, dass die Griechen Spanien schlagen können. Mit Vasilis Spanoulis hat Griechenland den besten Guard in seinen Reihen, der bei der EM herumläuft. Und sie haben mit Spanoulis nicht nur den amtierenden Euroleague Final Four MVP, sie haben vor allem eine brutale Tiefe im Kader. Der Backcourt mit Spanoulis und Zisis ist überragend, aber jeder Spieler im Kader trägt seinen Teil bei und strahlt Gefahr aus. Printezis, vor allem der zu Barca wechselnde Papanikolaou mit seinen gefürchteten Fastbreaks und seinem guten Händchen, Kaimakoglou, Captain Fotsis ist immer noch dabei, die Liste ist so lang. Und dazu kommt, dass sie mit Andrea Trinchieri so mit den angesagtesten Trainer in Europa seit diesem Jahr an der Seitenlinie haben. Die Griechen werden auf gar keinen Fall negativ überraschen. Auf gar keinen Fall.

Haruka Gruber: Bei allem Lob: Wir sollten Griechenland nicht zur Übermannschaft hochjazzen. Wenn man sich die vergangenen Jahre anschaut, geht die Richtung ganz klar nach unten seit 2009: 11. Bei der WM 2010, 6. bei der EM 2011, gar nicht qualifiziert für die Olympischen Spiele 2012. Und beim Supercup machte Griechenland auch nicht den allerbesten Eindruck. Sie sind tough und der doppelte Euroleague-Sieg von Olympiakos sollte Warnung sein, die Griechen nie zu unterschätzen. Dennoch ist das Ende eines Zyklus langsam erreicht. Diamantidis ist weg, Baby Shaq fehlt, dazu die Überalterung im Kader - ich weiß nicht, woher Flo und Phil so viel Optimismus hernehmen. SPOX

Frank Buschmann: Wenn es nicht die Griechen wären, hättest du Recht Haruka mit deiner Skepsis. Aber es sind nun mal die Griechen. Ich habe auch gedacht, ohne Diamantidis. Aber dann ist Spanoulis da. Einer, bei dem es egal ist, ob er 25 oder 35 Jahre alt ist, er ist einfach gut. Dazu ein Printezis, ein Perperoglou, ein Papanikolaou, ein Bramos, ich kenne den Kader in und auswendig. Selbst mit Dirk im Koffer haben wir uns immer gedacht: Lasst Deutschland bloß nicht gegen die Griechen spielen, sie vermöbeln uns schon wieder. Es ist bescheuert, gegen sie zu spielen. Abgezocktheit, Physis und gnadenloses Selbstvertrauen in einen Topf schmeißen, kommt immer ein Grieche aus dem Topf herausgekrochen. Von daher habe ich Griechenland natürlich auf dem Zettel. Ganz weit oben auf der Liste sind für mich aber Spanien, Litauen und Frankreich.

These 1: Deutschland in Bestbesetzung wäre ein Medaillenkandidat

These 2: Mit Tibor Pleiß steht und fällt das deutsche Spiel

These 3: Der Geheimfavorit auf den Titel heißt Slowenien

These 4: In Nihad Djedovic steckt ein europäischer Superstar

These 5: Griechenland wird die Negativüberraschung