Kawhi und der Leap
Bei aller Qualität, die die Spurs mitbringen - die neuen Komponenten Aldridge und West, die wiedererstarkten Veteranen Ginobili und Parker, der extraterrestrische Duncan - sie wären kein in historischer Sicht herausragendes Team, wenn ihr bester Spieler nicht einen weiteren Sprung gemacht hätte. Leonard ist mittlerweile nicht mehr nur der beste Verteidiger, sondern auch einer der besten Offensivspieler überhaupt - Charles Barkley nannte ihn kürzlich gar den "besten Spieler der Liga".
Ob das nun stimmt oder nicht, Kawhi ist derzeit wohl tatsächlich Stephen Currys ärgster (und vielleicht einziger) Verfolger, was den MVP-Award angeht. Bei den Win Shares pro 48 Minuten ist nur Curry besser als Kawhi (9,5 zu 8,1), der sich vor allem offensiv unglaublich weiterentwickelt hat.
Zur Erinnerung: Kawhi galt, als er 2011 von der San Diego State University in die Liga kam, als absoluter Non-Shooter. In dieser Saison ist er bisher der zweitbeste Dreierschütze (48 Prozent), einer der besten Spot-Up-Shooter (1,33 Punkte pro Possession) und legt ein True Shooting von 61,5 Prozent auf.
Kawhis traditionelle Shooting Splits? Unglaubliche 50,6 Prozent aus dem Feld, 48 Prozent von der Dreierlinie, 87,4 Prozent vom Charity Stripe. Non-Shooter? "Er hat sich wirklich einen wunderschönen Wurf angeeignet", staunte Bonner kürzlich, "die Form ist perfekt, der Ball rotiert perfekt, der Follow-Through ist perfekt."
Leonards Wurf ist ein klassisches Beispiel dafür, wie die Spurs Schwachstellen einfach konsequent ausmerzen - und wie im Mikrokosmos San Antonio einfach alles möglich ist. Noch eins gefällig? Marjanovic ist momentan ligaweit der Spieler mit dem drittbesten Player Efficiency Rating (31,8)... Wenn's läuft, dann läuft's eben.
Natürlich profitiert Kawhi bei seinen Wahnsinnsquoten vom System in San Antonio, das ihm viele freie Würfe verschafft, er wird aber auch beständig besser darin, selbst für sich und andere Offense zu kreieren. Als Ballhandler im Pick-and-Roll etwa sorgt er für sehr ordentliche 0,9 Punkte pro Possession, wenn er isoliert wird, ist es genau 1 PPP - damit ist er effektiver als beispielsweise Carmelo Anthony, LeBron James oder Chris Paul.
San Antonio kann ihm, wenn es mal brenzlig wird (passiert selten genug!), ohne große Sorgen den Ball geben. Insgesamt legt Kawhi pro Wurf 1,38 Punkte auf, das ist der elftbeste Wert insgesamt und Nummer sieben unter Spielern, die keine Center sind. Und dabei vergisst er auch nicht seine Paradedisziplin.
Und das ist immer noch die Defense. Die besten Scorer der Liga haben regelrecht die Hose voll, wenn sie gegen die Klaue ranmüssen - gute Ballhandler geben den Ball aus Angst schneller ab, Kawhi könnte sie albern aussehen lassen und per Steal einen Fastbreak einleiten, den er für gewöhnlich gern selbst per Dunk abschließt. 3,5 Punkte pro Spiel macht Kawhi nach Ballverlusten, die er zumeist selbst provoziert.
Beim Duell gegen Paul George im Dezember, der zu diesem Zeitpunkt zu den heißesten Spielern der Liga gehörte, wurde Leonards defensiver Impact wieder einmal deutlich: Er hielt PG-13 bei 1/14 FG. "George ist einer der besten Scorer der Liga, und Kawhi hat ihn einfach abgemeldet", staunte Ginobili. George war bei weitem nicht das einzige Opfer. Seine Gegner schießen gegen ihn durchschnittlich 6,2 Prozent schlechter als gewohnt.
Kawhi ist wohl der einzige Spieler, der einen Kevin Durant nach einer Recovery noch blocken kann und der gleichzeitig schnell, lang und clever genug ist, um Point-Guard-Koryphäen wie Russell Westbrook, Paul und natürlich auch Curry das Leben schwer zu machen. Er steht derzeit dem einzigen Team vor, das man sich realistisch als Kryptonit für die galaktischen Warriors vorstellen kann.
Die Statistiken in diesem Artikel stammen von nba.com/stats, ESPN und basketball-reference.com und sind auf dem Stand vom 19. Januar.