"Geht das denn schon wieder so los?"
Das dürften sich die meisten gefragt, die es mit Raptors halten, als die Indiana Pacers gleich das Auftaktspiel im Air Canada Centre entführen konnten. Während die Pacers in der zweiten Hälfte Big Plays in Serie machten, wollte beim zweitbesten Team im Osten rein gar nichts mehr laufen. Es war förmlich zu spüren, wie das sonst fantastische Publikum in Toronto immer nervöser wurde.
Die Spieler ließen sich davon anstecken und trafen schlechte Entscheidungen, leisteten sich unter anderem 18 Ballverluste. Das hoch gelobte Backcourt-Duo um Kyle Lowry und DeMar DeRozan traf zusammen nur 25 Prozent bei 32 Würfen. Erinnerungen an das Debakel im Vorjahr gegen die Washington Wizards waren allgegenwärtig.
Erstickende Pacers-Defense
Obwohl "T-Dot" sich dieses Jahr mit einer starken Saison den Two-Seed erspielt hat, stellen die Pacers ein schwieriges Matchup für die Raptors dar. Mit George Hill und Paul George stehen zwei absolute Edel-Verteidiger im Kader von Indiana, die Lowry und DeRozan das Leben zur Hölle machen können.
Wenn George DeRozan verteidigte, hat der Raptor nur vier von 18 Würfen getroffen und nebenbei noch zwei Turnover produziert. Dass George trotzdem auch im Angriff das Pacers-Team tragen kann, kommt als Bonus hinzu. 33 Punkte ließ es PG13 zum Auftakt regnen, gleich 17 davon im dritten Viertel, als das Spiel den Raptors aus den Händen glitt.
Auch im zweiten Aufeinandertreffen wollte es für die beiden Stars der Raptors nicht rund laufen. Gerade DeRozan ist nach den beiden Spielen noch nicht in der Serie angekommen. In der Regular Season noch ein regelmäßiger Gast an der Freiwurflinie, will es dem Shooting Guard bisweilen nicht gelingen, zum Korb durchzubrechen, um Foulpfiffe (nur sechs Freiwürfe in den ersten beiden Spielen) oder einfache Korbleger zu generieren.
JV als X-Factor
Das liegt allerdings nicht nur an George, sondern auch an der starken Help-Defense, die Indiana spielt. Vor allem Ian Mahinmi und Rookie Myles Turner machen dabei einen guten Job. In den ersten beiden Spielen hat Turner bereits 25 Würfe Raptors-Würfe "attackiert" und somit erschwert - das ist der achtbeste Wert in den Playoffs, obwohl er pro Spiel bloß 21 Minuten auf dem Court stand.
Profitieren tut davon auf Seiten Torontos Jonas Valanciunas. Durch die gezogene Hilfe kann es sich der litauische Center in der Zone gemütlich machen, um Offensiv-Rebounds einzusammeln und zu verwerten. 16 Bretter holte er bereits am gegnerischen Korb, 19 Abpraller allein in Spiel Eins (Playoff-Franchise-Rekord der Raptors). In Spiel 2 war JV mit einem Double-Double (23/15) für Toronto wichtig wie nie zuvor.
Coach Dwane Casey hatte nach dem zweiten Spiel deshalb nur lobende Worte für seinen Big Man übrig: "Er hat sich entwickelt. Ich bin wirklich stolz darauf und sehe, welchen enormen Sprung er gemacht hat". Darauf angesprochen blieb Valanciunas bescheiden: "Ich mache nur meinen Job und kämpfe um jeden Ballbesitz. Aber wir haben erst zwei Partien gespielt. Unser Job ist noch nicht erledigt."
Die Erfahrung liegt bei Indiana
Und damit hat der Litauer Recht. Dämon 1 ist bewältigt, dennoch müssen die Jungs vom Ontariosee nun im Bankers Life Fieldhouse in Indianapolis ein Spiel klauen. Die Pacers werden dies jedoch nicht einfach so zulassen. George, Hill oder auch Mahinmi wissen, wie erfolgreicher Playoff-Basketball funktioniert. Die Miami Heat um LeBron James werden sich an die umkämpften Ost-Finals 2013 und 2014 erinnern, als die Pacers den Heat einen erbitterten Kampf lieferten.
Doch bei den Raptors herrscht wieder Optimismus. Gerade DeRozan ist zuversichtlich, dass seine persönliche Durststrecke zu Ende gehen wird: "Ich mache mir nicht allzu viele Gedanken. Ich werde Dinge in meinem Spiel anpassen, viel Film schauen, und Wege finden, um leichtere Punkte und Foul-Calls zu bekommen."
Casey sieht das ähnlich und unterstreicht noch einmal die Wichtigkeit seines Stars: "Ich denke, wir könnten die Serie gewinnen, wenn DeRozan weiter Probleme hat, aber es wäre deutlich schwieriger für uns. Er muss ein Initiator für uns sein".
Hoffnung auf Carroll
Aufgrund der Probleme der Stars sind vor allem die Rollenspieler gefragt. DeMarre Carroll wirkt nach seiner Verletzung noch rostig, kann aber mit seiner Verteidigung gegen George eminent wichtig werden. Auch Patrick Patterson und Backup-Spielmacher Cory Joseph (6/8 FG in 24 Minuten) sorgten für die so dringend benötigte Entlastung in Spiel 2. Die Tiefe ist ein Faustpfand, mit dem die kanadische Franchise in früheren Jahren nicht wuchern konnte.
Der Kader ist viel breiter und variabler aufgestellt. Neuzugänge wie Luis Scola oder Bismack Biyombo sind solide Arbeiter, die sich in den Dienst der Mannschaft stellen und für zehn bis 15 Minuten den Schlüsselspielern wohlverdiente Pausen ermöglichen. Carroll zählt in Bestform zu den Top-3-and-D-Spielern der Liga.
Lowry findet Mittel und Wege
So fällt auch weniger ins Gewicht, dass Lowry noch nicht zu 100 Prozent in den Playoffs angekommen ist. Sechs Turnover in der ersten Begegnung und insgesamt nur ein Field Goal von Downtown sind für den erschlankten Spielmacher zu wenig.
Dennoch hielt er die Offense der Raptors in Spiel 2 am Laufen und verteilte den Ball besser an seine Mitstreiter (9 Assists) und konnte nebenbei noch zehn Freiwürfe herausholen, wodurch seine erneut schwache Wurfnacht (4/13 FG, 0/5 3er) in den Hintergrund trat.
Lowry im Interview: "Habe alles J.J. Redick zu verdanken"
Grade das Zusammenspiel mit Valanciunas funktioniert besser denn je. Dies ist auch Casey bewusst: "Lowry hat Valanciunas immer wieder gefunden. Im Pick-n-Roll, im Post. Wenn Kyle gedoppelt wurde, hat er Jonas stets bedient."
Wird der Stempel endlich abgelegt?
Diese Erkenntnis sorgt für Selbstvertrauen bei den Kanadiern für die kommenden Auswärtsspiele. "Sie müssen sich entscheiden. Entweder schalten sie JV aus oder bringen Lowry aus dem Rhythmus", so der ehemalige Defensiv-Koordinator der Dallas Mavericks, der seine Erfahrungen mit einer 'Loser-Truppe' in den Playoffs bereits gemacht hat.
Die Mavs konnten den Stempel trotz mehrerer tiefer Playoff-Runs zuvor erst so richtig ablegen, als sie 2011 den Titel nach Dallas holten. Soweit werden es die Raptors heuer kaum schaffen können, doch ein Lernprozess ist definitiv zu erkennen.
Wie weit dieser die Raptors führt? Zunächst einmal gilt es, die hohe Hürde Indiana zu meistern. Wenn das gelingt, ist dieser Mannschaft einiges zuzutrauen. Denn der Druck wird nicht mehr größer sein als jetzt. Toronto muss nur endlich diese eine erste Playoff-Serie gewinnen.