Der NFL-Draft 2015 ist Geschichte. Top-Pick Jameis Winston soll die Tampa Bay Buccaneers aus der Versenkung holen, dabei hat der umstrittene Quarterback selbst genug Probleme. Sind die Titans das richtige Team für Mariota? Welche Franchise hat sich am besten geschlagen - und welche den Draft komplett in den Sand gesetzt? Im Panel bewerten die SPOX-Redakteure Stefan Petri, Marcus Blumberg, Adrian Franke und mySPOX-User Maschemist fünf Thesen zum Draft-Wochenende.
These: Tampa Bay erreicht mit Winston die Playoffs
Adrian Franke (SPOX): Hier musste ich lange mit mir ringen - gehe aber mit meinem Bauchgefühl und sage: Nein. Die Bucs haben zwar dank der eigenen Division und der Spielplan-Kreuzung mit der ebenfalls eher schwachen AFC South durchaus die Chance, einige Spiele zu gewinnen. Aber ich denke, letztlich reicht es nicht ganz. Ich mag Winston (als Spieler) sehr und glaube, er wird in Tampa Erfolg haben. Er könnte der erste Starting-QB in der Geschichte der Bucs werden, der tatsächlich einen neuen Vertrag erhält. Allerdings ist er längst nicht auf dem Level von Andrew Luck in dessen Rookie-Saison, er wird das Team nicht tragen können. Die O-Line bleibt, auch wenn Tampa mit dem zweiten und dritten Pick interessante Spieler für die Line geholt hat, eine Baustelle - und damit gilt das gleiche für das Running Game. Winston wird dafür sorgen, dass die Bucs deutlich mehr Spiele gewinnen als im Vorjahr, Tampa verpasst die Playoffs aber (noch). Mein Tipp: 7-9.
Jameis Winston im Porträt: Dr. Jekyll and Mr. Hyde
mySPOX-User Maschemist: Adrian, da bin ich bei dir. Nein, zumindest nicht im ersten Jahr. Winston sollte ein Upgrade gegenüber der "Glennon & McCown Show" aus dem letzten Jahr sein, die Offensive Line ist aber weiterhin ein Renovierungsobjekt. Donovan Smith und Ali Marpet sind sehr talentiert, aber noch technisch sehr unreif beziehungsweise unerfahren. Dazu wurde der Pass Rush nach den Abgängen von Michael Johnson, Da'Quan Bowers und Adrian Clayborn überhaupt nicht verstärkt. Auf den Safety-Positionen hat man das ehemals in Chicago sehr erfolglose Duo Chris Conte und Major Wright wiedervereint. Zusammengefasst können sie ihren Quarterback nur bedingt beschützen, andere Quarterbacks kaum unter Druck setzen und im Abwehren von Pässen gibt es auch deutlich bessere Teams. Die Buccaneers sollten besser sein als im letzten Jahr, für die Playoffs haben sie aber noch zu viele Lücken im Kader.
Stefan Petri (SPOX): Der Sprung von einer 2-14-Bilanz in die Postseason ist ein großer, da habt ihr schon recht. Trotzdem: Ich lehne mich aus dem Fenster und sage: Die Bucs schaffen es. Nicht weil "Famous Jameis" der neue Andrew Luck ist. Aber er wird, sollte er nicht im Training Camp direkt den nächsten Supermarkt ausräumen, ein enormes Upgrade im Vergleich zur QB-Freakshow des letzten Jahres darstellen. Ich glaube, dass sich Winston gerade im ersten Jahr enorm am Riemen reißen wird, was die Aussetzer abseits des Gridiron angeht. Natürlich gibt es noch Lücken im Kader, keine Frage. Aber man darf nicht unterschätzen, wie groß der Effekt sein kann, wenn man von einem bestenfalls kompetenten QB zu einem guten Mann under Center wechselt. Und dann spricht ja noch ein wichtiger Punkt für die Buccaneers, die sich in den letzten Jahren doch sehr unter Wert verkauft haben: Der Schedule und die Division. Kein Witz, schaut euch mal ihren Spielplan an. Da ist nichts! Einmal bei den Colts, ansonsten gibt es keinen einzigen Schedule Loss. Keine Pats, keine Broncos, keine Seahawks, keine Packers, keine Cowboys... Wenn man dann noch bedenkt, dass in der NFC South im letzten Jahr sieben (!) Siege für die Division Crown gereicht haben und Tampa im letzten Jahr gleich acht Spiele mit sechs oder weniger Punkten Unterschied verloren hat, sage ich: Sie packen es!
Marcus Blumberg (SPOX): Natürlich ist die Vorstellung, Jameis Winston und Mike Evans in einem Team zu haben, verlockend, Stefan. Aber Winston neigt durchaus zu zahlreichen Fehlern auf dem Feld und die Bucs haben jetzt nicht nur aufgrund des Quarterbacks die Playoffs seit geraumer Zeit regelmäßig verpasst. Das Team ist im Rebuild-Modus und das wird es auch noch ein paar Jährchen bleiben. Sportlich gesehen ist Winston natürlich eine solide Grundlage, um in Zukunft wieder konkurrenzfähig zu sein, aber außerhalb des Platzes ist es nicht zu weit hergeholt, zu erwarten, dass dieser Junge früher oder später gesperrt wird oder sogar im Gefängnis landet. Er ist ein offenbar unbelehrbarer Troublemaker. Die Buccaneers sprachen mit 75 Leuten aus seiner Vergangenheit, um sicherzustellen, dass sie nicht den größten Fehler ihrer jüngeren Geschichte machen... nur die Frau, die er damals angeblich vergewaltigt hat, die hat man nicht befragt. Das lässt die Draft-Entscheidung schon wieder fraglich erscheinen.
These 1: Tampa Bay erreicht mit Winston die Playoffs
These 2: Die Titans hätten ihren zweiten Pick traden sollen
These 3: Gewinner des Drafts war(en)...
These 4: Verlierer des Drafts war(en)...
These 5: Der beste Moment des Draft-Wochenendes war...
These: Die Titans hätten ihren zweiten Pick traden sollen
Marcus Blumberg (SPOX): Die Titans haben ein durch die Bank schlechtes Team mit sehr wenigen Lichtblicken. Für eine solide Zukunft wäre es also durchaus reizvoll gewesen, den zweiten Pick für einen Preis in der Nachbarschaft von Robert Griffin zu versilbern. Die Eagles sollen etwa zwei Erstrundenpicks und einen guten Spieler geboten haben. Nun hat man sich für Marcus Mariota entschieden, der über herausragendes Talent verfügt. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ein Ken Whisenhunt dieses auch wird ausschöpfen können. Whiz ist einer, der normalerweise auf Pocket-Passer mit starkem Arm setzt. Mariota ist ein solcher nicht - wirklich nicht! Da wird man sehen müssen, wie das zusammen passt. Lobend erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang allerdings, dass mit Kendall Wright und nun auch Dorial Green-Beckham zwei Playmaker auf den Wide-Receiver-Positionen vorhanden sind, die es dem jungen QB leichter machen sollten, sich zurechtzufinden.
Adrian Franke (SPOX): Das ist natürlich eine hypothetische Frage, da letztlich niemand genau weiß, welche Angebote Tennessee bekommen hat. Keine Frage, für mich gab es bessere Spieler im Draft als Marcus Mariota und darüber hinaus bin ich genau wie Blumi nach wie vor skeptisch, wie Mariota zu Titans-Coach Ken Whisenhunt passt, der bisher stets einen ganz anderen QB-Typ (Ben Roethlisberger, Kurt Warner, Philip Rivers) hatte und wollte. Allerdings glaube ich trotz alledem, dass Mariota die richtige Entscheidung war. Auch wenn Philadelphia wohl mehrere Spieler bot, die Defensiv-Lücken bei den Titans hätten schließen können. Oregons Spread-Offense macht es ihm schwer, Anerkennung zu finden. Doch meiner Meinung nach geht sein Potenzial weit darüber hinaus und Tennessee brauchte einfach neuen Glanz für die Offense. Mit Mariota und Dorial Green-Beckham ist ihnen das gelungen, weshalb ich zum ersten Mal seit langem wirklich gespannt bin, wie die Titans-Offense aussieht. Der Mariota-Pick bekommt von mir daher eine gute Bewertung.
Stefan Petri (SPOX): Von mir nur bedingt, Adrian. Die Titans haben es safe gespielt und den bestmöglichen QB vom Board genommen. Klar, das Team ist nicht dafür verantwortlich, dass es am Draft Day zu genügend Action für die Zuschauer kommt, ich hätte den Trade aber trotzdem gerne gesehen. Wie ihr schon gesagt habt: Mariota und Whisenhunt passen nicht zusammen. Heißt das, dass Whisenhunt schon mehr oder weniger auf dem Abstellgleis parkt? Für mich keine gute Konstellation. "Marcus Merioto", wie ihn Goodell auf dem Podium lustigerweise aussprach, ist mehr als ein System Quarterback. Aber er ist für mich auch kein Franchise-Retter der Marke Luck. Warum also nicht mehrere First-Rounder plus Spieler - die man auch wieder in weitere Picks hätte tauschen können - nehmen, die Lücken im Kader schließen, und Whisenhunt und seinem QB Zach Mettenberger noch eine weitere Chance geben? Die College-QBs sind mittlerweile so gut ausgebildet und NFL-ready, dass man in fast jedem Draft einen guten bis sehr guten QB finden kann. Also: Wenn es mit Whiz und Mettenberger nicht passt, hätte man trotzdem einen besseren Kader und dann mit einem neuen Coach und einem "neuen Mariota" in einem oder zwei Jahren immer noch reagieren können. So befürchte ich leider eine unglückliche Ehe in der Country-Metropole.
mySPOX-User Maschemist: Das sehe ich nicht so, Stefan. Mariota war aus meiner Sicht der beste Quarterback in dieser Draftklasse - und wenn das Team davon überzeugt ist, dass er ein Franchise Quarterback ist, dann hätte schon ein mehr als überzeugendes Angebot kommen müssen. Scheinbar hat das mehrere Teams wie die Bears oder Jets abgeschreckt und auch die Eagles waren am Ende Berichten zufolge nicht dazu bereit, drei Erstrundenpicks plus einen Zuschlag abzugeben. Fletcher Cox und Jurrell Casey in einer Front zusammen hat sicher seinen Charme, es geht aber nichts über einen Franchise Quarterback, wie die Texans zuletzt schmerzhaft feststellen durften. Mit Mariota haben die Titans nun einen Spielmacher, der für Aufregung im ruhig gewordenen Nashville sorgen kann. Das hat ihnen seit Steve McNair gefehlt. Grundsätzlich schien aber die Bereitschaft der Teams nach oben zu traden, nicht so vorhanden gewesen zu sein wie in den letzten Jahren. Das dürfte dazu geführt haben, dass einige Spieler, gerade in der Offensive Line, früher weggingen, als viele erwartet haben.
Adrian Franke (SPOX): Das habe ich auch beobachtet. Insgesamt gab es deutlich weniger Trades als vermutet, was darauf schließen lässt, dass Teams mit ihren Picks vorsichtiger geworden sind - womöglich auch ein Trend für die Zukunft, der mir zumindest für mein Team gefallen würde. Draft-Picks sind einfach sehr wertvoll und die teuren Trades nach oben gehen selten langfristig gut aus.
These 1: Tampa Bay erreicht mit Winston die Playoffs
These 2: Die Titans hätten ihren zweiten Pick traden sollen
These 3: Gewinner des Drafts war(en)...
These 4: Verlierer des Drafts war(en)...
These 5: Der beste Moment des Draft-Wochenendes war...
These: Gewinner des Drafts war(en)...
Stefan Petri (SPOX): ... die Oakland Raiders. Man muss sich die Situation der einstigen Bad Boys aus der Bay Area bewusst machen. Bei den Broncos wird Peyton Manning in Kürze in den Sonnenuntergang reiten. Die Chargers haben Ärger mit Philip Rivers, ziehen eventuell bald um, und Rivers ist auch nicht mehr der Jüngste. Und die Chiefs? Die könnte man umbenennen in die "Kein Touchdown-eines-Wide-Receivers-Chiefs". Heißt: Die Division ist im Aufruhr. Umso wichtiger, dass man möglichst schnell klärt, ob man mit Derek Carr einen zukünftigen Franchise-Quarterback under Center hat. Und das lässt sich eben nicht so gut erkennen, wenn man den Pigskin zu Andre Holmes und James Jones wirft. Mit Wideout Amari Cooper hat man Carr nun einen potenziellen Superstar an die Seite gestellt, dazu kam mit Tight End Clive Walford der vielleicht kompletteste TE der Draft Class. Außerdem ein paar Mann für die O-Line, um ihm den Rücken freizuhalten. Ob der Rest des Drafts, in dem in den späteren Runden vor allem Linebacker gezogen wurden, funktioniert, sei mal dahingestellt. Aber: Die Raiders könnten in Kürze den besten QB der AFC West stellen - und jetzt hat der endlich richtig gute Receiver.
KOLUMNE Björn Werner: "Draft ist wie Geschenke auspacken"
Marcus Blumberg (SPOX): Als Patriots-Fan ist es zwar schwer zu akzeptieren, aber die New York Jets dürften ein großer Gewinner dieses Drafts sein. Zunächst kamen sie wie die Jungfrau zum Kinde an Leonard Williams, den wohl besten Spieler insgesamt in diesem Pool. Dass der an Position sechs noch zu haben war, hätte wohl niemand erwartet. Danach holten sie noch eine weitere Receiver-Waffe in Devin Smith sowie einen vielversprechenden Linebacker namens Lorenzo Mauldin. Bryce Petty ist zudem ein Quarterback, den man im Auge behalten sollte. Überhaupt machte GM Mike Maccagnan keinen dummen Pick im gesamten Draft, was bei den Jets nach all den Jahren unter Tannenbaum und Idzik durchaus bemerkenswert ist! Mit Williams verstärken sie nicht nur ihre unglaubliche Front Seven weiter, sie versichern sich auch gegen einen möglichen Abgang von Muhammad Wilkerson, dessen Vertrag bald ausläuft. Als Sahnehäubchen bekam Gang Green dann auch noch via Trade Running Back Zac Stacy, der in St. Louis durch Gurleys Ankunft obsolet wurde. Auf den Punkt gebracht: Den Jets fehlt zur absoluten Konkurrenzfähigkeit eigentlich nur noch ein Quarterback - Geno und Fitzpatrick bleiben die größte Schwachstelle.
Adrian Franke (SPOX): ... die Falcons und die Bears. Vic Beasley in der ersten Runde war für Atlanta ein No-Brainer. Der neue Head Coach Dan Quinn kann Beasley zu einem dominanten Pass-Rusher machen - etwas, das Atlanta seit langem fehlt. Jalen Collins hat extrem viel Upside und gefällt mir persönlich sehr gut. Tevin Coleman in der dritten Runde gibt den Falcons einen unglaublich explosiven Back, der ebenfalls sofort starten kann. Noch besser hat mir aber der Bears-Draft gefallen: Kevin White kann der beste Receiver der Draft-Klasse werden, Eddie Goldman erfüllt einen dringenden Need in der Mitte der D-Line, den Chicago für seine neue 3-4-Defense einfach abdecken musste. Dass Goldman zu ihnen in die 2. Runde fällt war hierfür wohl das Wunsch-Szenario. Auch Hroniss Grasu und Jeremy Langford können ab Week One helfen. Knapp dahinter für mich: Die Jaguars, die den besten Pass-Rusher (Fowler Jr.), einen absolut soliden Running Back (Yeldon) und einen guten O-Liner (Cann) mit ihren ersten drei Picks bekommen haben und damit drei dringende Baustellen direkt angehen konnten. Michael Bennett in Runde sechs könnte einer der absoluten Steals des Draft werden.
mySPOX-User Maschemist: ... die Jacksonville Jaguars. Sie benötigen nun schon seit einigen Jahren einen Pass Rusher, in Dante Fowler Jr. wählten sie den vielversprechendsten der Draftklasse. Toby Gerhart hat als Featured Back versagt, nun haben sie in T.J. Yeldon einen vielseitigen Runner. Mit A.J. Cann könnte der wackelige Draft Pick aus dem letzten Jahr, Center Luke Bowanko, aus der Starting Line-Up rutschen. Dazu haben sie in Rashad Greene, Michael Bennett und Ben Koyack vielversprechende Talente in den späteren Runden abgegriffen. Ihre Defense hat im letzten Jahr schon gut ausgesehen und sollte mit Fowler noch besser sein. Die Offense wurde bereits im letzten Draft und der Free Agency gestärkt und sieht nun sehr komplett aus. Jetzt hängt der Erfolg von Quarterback Blake Bortles ab.
Marcus Blumberg (SPOX): Halt, einen hab ich noch: Der größte Gewinner des Drafts insgesamt ist Jimbo Fisher: Der Coach der Florida State University brachte in diesem Jahr das Kunststück fertig, dass auf jeder offensiven Position mindestens ein Spieler seiner Seminoles gedraftet wurde - allen voran Winston als Erster überhaupt. Das hat zuvor noch kein Footballprogramm vollbracht!
These 1: Tampa Bay erreicht mit Winston die Playoffs
These 2: Die Titans hätten ihren zweiten Pick traden sollen
These 3: Gewinner des Drafts war(en)...
These 4: Verlierer des Drafts war(en)...
These 5: Der beste Moment des Draft-Wochenendes war...
These: Verlierer des Drafts war(en)...
mySPOX-User Maschemist: ... die Carolina Panthers. Ich hasse es, direkt nach dem Draft von Verlierern zu sprechen, da man eine Draftklasse immer erst beurteilen kann, wenn man die Spieler in der NFL gesehen hat. Da ich mich aber dazu bereit erklärt habe, die Thesen hier zu beurteilen, muss ich mich entscheiden. Da war für mich der Draft der Panthers am fragwürdigsten. Dabei will ich nicht die Qualität der Spieler anzweifeln, sondern vielmehr die Positionen, die gewählt wurden. Shaq Thompson wird vermutlich der mittelfristige Nachfolger von Thomas Davis, aktuell wird er das Team aber eher wenig nach vorne bringen. Devin Funchess in der zweiten Runde auszuwählen ist auch vollkommen in Ordnung. Allerdings ignoriert man in Charlotte seit zwei Jahren konsequent die Left-Tackle-Position. Vor dem Devin-Funchess-Pick gaben sie Zweit-, Dritt- und Sechstrundenpick ab, um den Pick der Rams zu bekommen. Wenn man ein solches Investment tätigt, dann doch für einen Spieler, der einen großen Need abdeckt. So wird Cam Newton weiter um sein Leben rennen müssen.
Stefan Petri (SPOX): Einen Verlierer gibt es definitiv, Maschemist: die Philadelphia Eagles. Komische Kiste, die Chip Kelly da am Laufen hat. Zuerst wird mit Sam Bradford ein QB per Trade verpflichtet, der aufgrund von Verletzungen quasi seit Jahren nicht mehr gespielt hat und dafür Nick Foles abgegeben. Dann holt man sich auch noch Tim Tebow ins Haus, was direkt zu Spannungen mit Backup Mark Sanchez führt. Mit Matt Barkley hat man also vier QBs im Team - und dann bietet er offenbar mehrere First-Rounder und das halbe Roster für Marcus Mariota? Ich halte Kelly für einen ausgezeichneten Coach - aber so kann man es sich mit seinem Roster auch verscherzen. Wer weiß, ob Fletcher Cox, Mychal Kendricks und Co. immer noch so gut auf ihren Coach zu sprechen sind? Ganz abgesehen davon: Die Eagles haben Mariota nicht gekriegt. Zuerst Quarterbacks ohne Ende holen, dann Mariota öffentlich absagen, dann doch ein Godfather Offer an die Titans schicken - und dann noch leer ausgehen? Irgendjemand müsste sich mal genauer anschauen, was in der City of brotherly Love wirklich gespielt wird. Adriano, du bist gefragt!
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Adrian Franke (SPOX): Ich habe mich schon als QB/RB-Hybrid verkleidet und bin dran! Ansonsten sehe ich das so wie Maschemist: Erster Verlierer ist Carolina. Die Panthers haben es schon wieder nicht geschafft, sich einen Left Tackle zu holen und steckten insgesamt nur einen Pick in die wacklige O-Line. Cam Newton darf also weiter Bekanntschaft mit den Pass-Rushern der Liga machen. LB Shaq Thompson erfüllt keinen direkten Need und für WR Devin Funchess musste Carolina einen Drittrunden-Pick aufgeben, allerdings wird Funchess noch einiges an Entwicklungszeit brauchen. Der Bills-Draft hat mir ebenfalls nicht gefallen. Buffalo hatte keinen Erstrunden-Pick, in der zweiten Runde gab es dann einen Cornerback - nicht gerade die dringendste Baustelle. Anschließend hatten die Bills einige solide Picks aber dass sie durch den Draft wirklich besser geworden sind, darf man in Frage stellen. Nummer drei im Bunde sind die Texans, bei denen mir nur Jaelen Strong in der dritten Runde wirklich gut gefallen hat. Als Houston McKinney zog, waren schlicht klar bessere ILB zu haben - zumal die Texans drei Picks für den Trade nach oben abgeben mussten.
Marcus Blumberg (SPOX): Wie schon gesagt: Bei diesen Draft-Analysen ist es immer sehr schwer, direkt danach zu beurteilen, wer gewonnen oder verloren hat. Auf den ersten Blick aber stehen die Buffalo Bills nicht direkt als Gewinner da, da gebe ich Adrian recht. Sie hatten aufgrund des Trades im Vorjahr für die Rechte an Sammy Watkins keinen Erstrundenpick. Die weiteren Picks wiederum haben mich nicht umgehauen. Es wurden eigentlich nur Leute auf Positionen geholt, die ohnehin schon gut besetzt sind. Das mag natürlich die Kadertiefe verbessern, aber Rex Ryans Hauptbaustelle - und das hat sich trotz Farbwechsels von grün zu blau nicht wirklich geändert - ist die Quarterback-Position. E.J. Manuel hat noch nicht nachgewiesen, ein Topspieler in der NFL sein zu können. Und über Matt Cassel müssen wir nicht reden. Unter dem Strich ist das Team nicht besser geworden. Auch die St. Louis Rams müssen hinterfragt werden. Sie haben einen potenziellen Star in Running Back Todd Gurley gezogen. Doch dieser hatte erst kürzlich einen Kreuzbandriss und wird die Offseason-Trainings verpassen, steht noch nicht fest als aktiver Teilnehmer am Trainingscamp. Hinter ihm steht somit ein medizinisches Fragezeichen. Zudem haben nicht zuletzt die Patriots bewiesen, dass große Namen auf der Tailback-Position nicht mehr so wahnsinnig wichtig sind. Vielmehr kommt es auf die Offensive Line an, wie gut ein Laufspiel funktioniert. Die Picks ab Runde zwei wirken auf dem Papier auch nicht beeindruckend und darunter sind wohl einige Spieler, die zu früh gezogen wurden.
These 1: Tampa Bay erreicht mit Winston die Playoffs
These 2: Die Titans hätten ihren zweiten Pick traden sollen
These 3: Gewinner des Drafts war(en)...
These 4: Verlierer des Drafts war(en)...
These 5: Der beste Moment des Draft-Wochenendes war...
These: Der beste Moment des Draft-Wochenendes war...
Marcus Blumberg (SPOX): Der beste Moment im Draft war am Samstag, als Jim Kelly unter großem Jubel und stehenden Ovationen auf der Bühne des Auditorium Theatres in Chicago begrüßt wurde, um den Zweitrundendraftpick seiner Buffalo Bills zu verkünden. Dass das Cornerback Ronald Darby war, ist dabei komplett zweitrangig. Vielmehr ist es einfach schön zu sehen, dass es dem Hall-of-Fame-Quarterback nach seiner Krebserkrankung im Vorjahr wieder so gut geht, dass er an einer solchen Geschichte mit Freude teilnehmen kann. Er war sichtlich gerührt, hatte wie immer Frau und Tochter dabei und bekam nochmal aus erster Hand zu spüren, wie groß das Mitgefühl der gesamten NFL-Familie ihm gegenüber war und ist. Es ist zwar schwer zu glauben, aber auch in Sachen NFL gibt es manchmal Dinge, die wichtiger sind als Football.
Adrian Franke (SPOX): Auch wenn der Draft längst nicht so packend war, wie im Vorfeld erhofft - er hatte doch seine Momente. Richtig, Blumi: Der Feel-Good-Moment war zweifellos Jim Kelly und die langen Standing Ovations. Neben Roger Goodells Versprecher beim zweiten Pick ("Marcus Marioto") und Danny Sheltons Monster-Umarmung für den Commissioner kommt man hier aber auch um Jameis Winston nicht herum: Winston, bei dem eine der Character-Stories vor dem Draft war, dass er Krabbenbeine in einem Restaurant nicht bezahlt hatte, posierte nach seinem Draft mit einem Krabbenbein-Menü vor sich. Dämlich, kindisch und unnötig, keine Frage - aber die Selbstironie ist nicht von der Hand zu weisen.
Björn Werner im Exklusiv-Interview: "Die Patriots sind unser Kryptonit"
Stefan Petri (SPOX): Die Buhrufe für Goodell? Richtig klasse fand ich, dass die Seattle Seahawks dem 34 Jahre alten Nate Boyer eine Chance geben. Der Mann gehörte früher zu den Green Berets (Special Forces), war in Afghanistan und im Irak im Einsatz - und arbeitete sich dann bei den Texas Longhorns bis zum Long Snapper hoch. Nach dem Draft gab es dann einen Anruf von Pete Carroll - und jetzt spielt er bei einem Super-Bowl-Contender. Man mag ja von Militäreinsätzen halten, was man will, und vielleicht ist es auch nur ein PR-Gag. Ich finde es trotzdem super, wenn auch mal Spieler mit ungewöhnlicher Vita eine Chance bekommen. Zitat Carroll: "Ich glaube, er wird jemanden umhauen." Abgesehen davon fand ich Danny Sheltons Bear Hug mit Commissioner Roger Goodell extrem amüsant. Diese pure, kindliche Freude! Und Millionen Zuschauer am Bildschirm unisono: "Jaaa, jetzt! Body Slam! Mach ihn platt!" Twitter wäre spontan implodiert...
mySPOX-User Maschemist: Es war kein Moment, der mir am Draft-Wochenende am meisten Gefallen hat, es war die Live-Coverage auf YouTube, die Christian Schimmel, Adrian, Hendrik Höger, Thomas Psaier und ich über die drei Tage (oder eher Nächte) bei YouTube geleistet haben. Es war lang, es war anstrengend und sehr ermüdend, hat aber immer Spaß gemacht. Die Interaktion mit unseren Zuschauern, von denen viele auch hier bei SPOX aktiv sind, war großartig. Ich freue mich schon auf die nächste Saison, wenn wir wieder live auf Sendung gehen werden.
These 1: Tampa Bay erreicht mit Winston die Playoffs
These 2: Die Titans hätten ihren zweiten Pick traden sollen
These 3: Gewinner des Drafts war(en)...
These 4: Verlierer des Drafts war(en)...
These 5: Der beste Moment des Draft-Wochenendes war...
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