NFL

Last Man Standing

Peyton Manning kann in dieser Saison Geschichte schreiben - muss sich aber umstellen
© getty
Cookie-Einstellungen

Elway mit Frühjahrsputz

Beobachtet wird er derweil von einer Broncos-Legende. John Elway, Super-Bowl-Champion 1997 und 1998, hält mittlerweile die Zügel im Front Office der Orangenen in der Hand. Um Peyton den gleichen Abgang zu ermöglichen, wie er ihn vor fast 20 Jahren feiern konnte, hat er die Franchise noch einmal umgekrempelt.

Nach drei Jahren unter Head Coach John Fox, in denen Denver, angeführt von Mannings brillanter Offense und einer spätestens in der letzten Saison mit Stars gespickten Defensive, in der Regular Season oft dominierte, aber in den Playoffs dann teilweise unerklärliche Leistungsabfälle zeigte, zog Elway die Reißleine. Nicht nur Fox musste gehen, auch die Coordinator-Posten wurden neu vergeben. Offensive Coordinator Adam Gase zog mit John Fox nach Chicago und darf sich nun an Jay Cutler versuchen. DC Jack Del Rio steht mittlerweile bei den Raiders am Ruder.

Die Defense der Broncos in der Analyse - Phillips und seine Pferdchen

An seiner Statt liegt es nun an Wade Philipps, aus der guten bis sehr guten Defense eine herausragende Einheit zu formen. Der 68-Jährige ist der Inbegriff eines Altmeisters, der für aggressives Play-Calling steht. Er soll Von Miller, DeMarcus Ware und Co. entfesseln.

Wie einst anno 1998

Viel wichtiger ist jedoch der neue Head Coach, der mit Rick Dennison auch gleich seinen favorisierten OC mitbringen durfte. Gary Kubiak heißt er - und ihn verbindet viel mit John Elway. 1983 waren beide gleichzeitig nach Colorado gekommen. Kubiak verbrachte acht Jahre als Backup-Quarterback in Elways Schatten. Und: Er war der Offensive Coordinator, der später seine Version der West Coast Offense mit seinen Zone-Blocking-Taktiken kombinierte, mit deren Hilfe Elway zum späten Titelträger wurde.

Kubiak weiß also um die Herausforderungen, die ein alternder Field General mit sich bringt - und Elway weiß, dass es Kubiak schon einmal gelungen ist, aus dieser Situation das Beste zu machen. Dafür müssen Coach und Quarterback aber erst einmal zueinander finden.

Es wird für Manning eine Herausforderung, sich im Spätherbst seiner Karriere einer komplett neuen Offense zu verschreiben. Wo er unter Fox vor allem aus der Shotgun, also zu Beginn des Spielzugs mehrere Meter hinter seinem Center, agierte, wird er den Snap nun häufig direkt übernehmen. Für einen Pass ist nun erst einmal ein Dropback von mehreren schnellen Schritten nötig. Das summiert sich im Laufe der Monate.

Unterwegs mit Peyton

Auch nach dem Snap verlangt Kubiaks System neue Elemente von Manning. Nicht mehr nur in der Pocket stehen, sondern Roll-Outs, Scrambles, Bootlegs, neue Formen der Play-Action. Wer mit diesen Begriffen wenig anfangen kann, dem sei gesagt: Peyton wird laufen, Peyton wird sogar rennen. Und erst dann werfen. Das bedeutet völlig neue Abläufe, nicht nur für den QB, sondern für die gesamte Offense. Und Manning war selbst in jungen Jahren kein Springinsfeld.

"Natürlich wird es Anpassungen brauchen", gibt Elway zu. "Aber das sind zwei clevere Football-Strategen, die unbedingt gewinnen wollen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass es funktionieren wird."

50 LIVESTREAMS in der Regular Season: Das NFL-Programm bei SPOX

Kubiak betonte in der Vorbereitung, es sei "dumm", wenn er seine Offense nicht um die Stärken Mannings herum aufbauen würde. Sein neuer Quarterback erklärte seinerseits: "Für jemanden, der nicht wirklich gut rennen kann, werfe ich dabei eigentlich ganz gut - vielleicht sogar besser als andere Running Quarterbacks."

Die Chemie muss stimmen

Die zweite vermeintliche Änderung betrifft die neue, größere Rolle des Running Games - ein Mantra, welches von etwa 90 Prozent aller Teams vor dem Saisonstart gebetsmühlenartig betont wird. Mehr Laufspiel, effektiveres Laufspiel. Dabei ist die NFL längst eine Passing League.

Die Broncos könnten das Team sein, bei dem sich das Running Game aber tatsächlich eine größere Scheibe vom Kuchen abschneiden kann als bisher. Seit Jahren will Elway seinen Mann under Center entlasten - mit mittelmäßigem Erfolg. Um Manning zu schonen und Kubiaks neues System zum Erfolg zu verhelfen, müssen C.J. Anderson und Ronnie Hillman ihre Chancen nutzen.

So extrem wie in den letzten Wochen von 2014 soll die Umstellung aber nicht ausfallen. "Da sind wir auf der anderen Seite vom Pferd gefallen", gab Elway im Nachhinein zu. "Es war eine schwere Umstellung für Peyton."

Auf der Suche nach der eigenen Identität

Nun also das Beste aus beiden Welten: Mehr und besseres Running Game, neues Passing Game. Es wird Zeit brauchen, bis sich QB und System eingespielt haben. Das wissen beide. Wenn es überhaupt funktioniert - und ein Spielzug, in dem Manning aus der Pocket sprintet, birgt eben auch die Gefahr, dass es zu einer höchst unangenehmen Kollision mit einem heranstürmenden Linebacker kommt. Dazu kommt die neu zusammengewürfelte Offensive Line, die an Talent und Erfahrung verloren hat und sich erst einmal finden muss.

"Wären wir schon vor Week 1 gerne eine gut geölte Maschine? Klar", gab Manning Ende August zu. Am 13. September sind die Baltimore Ravens zu Gast in Denver. "Wir sind immer noch dabei herauszufinden, wer wir sind und was wir sein werden. Aber ich glaube, dass wir Spiele gewinnen können, während wir diese Identität entwickeln." Der Champion aus New England ist dafür das beste Beispiel.

Also gilt es bei den Wildpferden aus den Rocky Mountains, darauf hinzuarbeiten, dass diese Identität möglichst schnell gefunden wird. Wer dafür letzten Endes mehr Zugeständnisse machen muss - Coach oder Quarterback - wird sich auf dem Gridiron zeigen.

Nur noch ein Teil der Maschinerie

Elway will derweil dafür sorgen, dass sein wichtigster Mann fit und ausgeruht bleibt. Schon im Training Camp wurden Manning deshalb regelmäßige Pausen verordnet. "Je älter man wird, desto mehr wird von der Maschine zu einem Teil der Maschinerie. Auch wenn dir dein Kopf etwas ganz anderes sagt. Daran muss man sich gewöhnen."

Geht die neue Marschroute fehl, könnte es gegen ein aufsteigendes Chiefs-Team eng werden mit dem Division-Titel. Hat das Trio Kubiak-Elway-Manning aber Erfolg, dürfte in Week 12 ein Spitzenspiel im Mile High Stadium steigen, für welches Peyton eine Extra-Portion Motivation mitbringt. "Zwei Jahre" hatte Tom Brady seinem ewigen Konkurrenten in einer veröffentlichten Mail schließlich noch gegeben und das "letzte Kapitel" eingeläutet.

Um es mit seinen Worten zu sagen: Game on!

Seite 1: Williger Geist und Favres Rekord

Seite 2: Das Elway-Schema und Manning rennt

Die NFL im Überblick

Artikel und Videos zum Thema