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Der Druck des alten Mannes

Die Broncos stellten die beste Defense der Regular Season - und dominierten auch Tom Brady
© getty
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Overload - den Gegner überrennen: Den Broncos gibt die Kadertiefe, gepaart mit dem aggressiven Grundsatz und den flexiblen Spielern in der Front Seven, extrem viele Variationsmöglichkeiten. Um es mit den Worten von Antonio Smith zu sagen: "Es ist die perfekte Mischung. Jeder ist anders, ich kann es gar nicht richtig erklären. Es ist, als hätte man alles mögliche zusammengeworfen und das Ergebnis ist richtig gut."

Etwas taktischer formuliert: Denver ist in der Lage, aus seiner Base-Aufstellung heraus in beliebigen Kombinationen seinen Pass-Rush zu betreiben. Ob mit drei, vier, fünf, sechs oder sieben Spielern - und das in verschiedensten Kombinationen. Eine Waffe, die Phillips dabei gerne nutzt: Der Overload Blitz. Hierbei geht es darum, eine Seite der Offensive Line zu "überladen", also idealerweise mit mehr Pass-Rushern zu attackieren, als die O-Line an Blockern zur Verfügung hat.

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Phillips macht das oftmals aus einer Nickel- (fünf Defensive Backs) oder gar Dime- (sechs Defensive Backs) Aufstellung heraus - und wieder wird hier der Ansatz des Defensive Coordinators ideal mit seinem Spielermaterial kombiniert. Safety T.J. Ward ist ein herausragender Blitzer, unter Phillips wird er wieder dementsprechend eingesetzt. "Diese Art Spieler durfte ich in der vergangenen Saison nicht sein", betonte Ward.

Der Trick dabei: Die Offenses wissen nie, welche Seite Denver überladen will und woher der große Druck kommt. So ist es keine Seltenheit, dass ein Defensive Lineman einen Running Back deckt und stattdessen der Inside Linebacker oder der Safety Jagd auf den Quarterback macht. Auch die Outside Linebacker bekommen mitunter Coverage-Aufgaben. Die Folge: Unter Umständen verschwendet eine Offensive Line kostbare Ressourcen in Form von Blockern, die niemanden zu blocken haben - weil sich ihr vermeintlicher Gegenspieler zurückfallen lässt.

Parallel hat ein anderer O-Liner plötzlich mehrere Gegenspieler. Phillips täuscht Rusher über die Mitte an und zieht sie dann zurück, er schafft es wie kaum ein Zweiter, den Gegner zu verwirren und so eben auch mit weniger Spielern Sacks zu kreieren. Ex-Bills-DE Phil Hansen, der 1995 selbst unter Phillips gespielt hat, erinnert sich: "Ich weiß noch genau wie ich dachte: "Wow, was für verrückte Blitze. Er bringt einen Linebacker UND einen Corner?" Er kam aus allen Richtungen. Es war wirklich leicht zu lernen, weil es funktioniert hat."

Die Secondary - Press Coverage: Der kreative Umgang mit der Front Seven und ein Scheme, das seinen Edge-Rushern möglichst häufig einen freien Run auf den Quarterback ermöglicht, sind seit jeher Phillips Steckenpferd. Was Denvers Defense aber zusätzlich besonders macht ist eine Secondary, die der eigenen Front Seven in Punkto Qualität kaum in etwas nachsteht.

Auch wenn Phillips dank seines Schemes und der Besetzung der eigenen Front Seven oftmals mit nur vier Spielern Druck auf den Gegner machen kann: Blitze in Kombination mit Manndeckung (Denver befindet sich in der Secondary insgesamt häufig in Manndeckung) sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Defense. Denver bringt hier eine ideale Kombination mit, um die ebenfalls aggressive Press Coverage zu spielen und Receiver somit direkt ab dem Snap zu beschäftigen. Das geht Hand in Hand mit der opportunistischen Front.

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Aqib Talib verfügt über große Reichweite und kann es mit größeren, physischeren Receivern aufnehmen. Chris Harris ist ein Meister im Slot und zuständig für schnellere, beweglichere Receiver - und einer von vielen Spielern in der Broncos-Defense, der ein Spiel hervorragend lesen kann.

Dazu kommt Bradley Roby: Denvers nominell dritter Cornerback hilft als Outside Cornerback, wenn Harris im Slot ist und die Broncos mit drei CBs gleichzeitig spielen. "Du bist so viel häufiger in deinen Sub-Aufstellungen, als in der Base. Deshalb ist es essentiell, einen guten dritten Corner zu haben", erklärte Denvers Defensive-Backs-Coach Joe Woods im MMQB. Alle drei Cornerbacks sind in der Lage, ihre Coverage sehr lange aufrecht zu erhalten, was wiederum der Front hilft. Sacks und Interceptions entstehen so in wechselseitiger Abhängigkeit.

Zusammenfassung: Die Defense wurde im Vergleich zu Phillips Vorgänger Del Rio um 180 Grad gedreht: Von "erst denken, dann reagieren" hin zu "schnell spielen und agieren". "Sieh den Ball, hol dir den Ball", bringt es Wolfe auf den Punkt.

Dabei gibt sich Phillips selbst mit einer gehörigen Portion Selbstironie stets nahbar, etwa wenn er erklärt: "Das ist das Gute daran, wenn man alt ist und schon seit einer Weile in dieser Liga arbeitet: Die Leute denken: "Das ist ein guter Coach." Egal, ob es stimmt oder nicht - die Leute denken es. Deshalb glauben die Jungs alles, was ich sage. Und sie wissen, dass ich sie und meinen Job liebe."

Der 68-Jährige hat den Draht zu den Spielern stets gepflegt, glänzt mit lustigen Kommentaren auf Twitter und nimmt sich gleichzeitig selbst nie aus der Verantwortung: "Etwas das mich wirklich stört sind Coaches, die nach dem Spiel sagen: 'Wir haben zu viele Fehler gemacht.' Das fällt direkt auf die Coaches zurück - wir müssen den Spielern die Dinge besser beibringen. Hier erlauben wir nicht, dass Fehler in der Abstimmung passieren."

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Selbiges ist am Sonntag gegen Newton auch absolut tabu - und ausgerechnet von den ansonsten so hoffnungslos enttäuschenden Tennessee Titans gibt es für Denver wertvolles Videomaterial: Keinem Team gelangen in dieser Saison mehr Sacks gegen Newton als den Titans (5). Bei drei dieser fünf Sacks agierte Tennessee aus einer 3-4-Aufstellung heraus, bei allen fünf brachten die Titans mindestens fünf Pass Rusher.

Wie so oft dieser Tage muss Denvers Defense das Geschehen diktieren, um ein Spiel für sich zu entscheiden. Die Edge Rusher müssen über außen Druck machen, während in der Mitte das komplette Blitz-Arsenal über Linebacker und Safeties aufgefahren werden muss - womöglich ergänzt durch einen speziell für Newton abgestellten Quarterback-Spion, um auch improvisierte Runs besser zu kontrollieren. Dann wird Newton schneller werfen müssen, als sein Saison-Durchschnitt: 2,83 Sekunden braucht er dafür nach dem Snap. Der Schnitt von Denvers Gegnern? 2,51 Sekunden.

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