Der THW Kiel, der FC Barcelona, MKB-MVM Veszprem und die SG Flensburg-Handewitt - es ist wohl das bestbesetzte Final Four aller Zeiten. Barca ist der ganz klare Favorit, aber der THW kommt auf einer Monster-Welle angeritten. Flensburg will das Maccabi des Handballs werden. Der Check zum Final Four in Köln.
MKB-MVM Veszprem vs. THW Kiel (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER)
Ausgangslage: Veszprem ist wieder ungarischer Meister geworden. Wie immer halt. Der THW ist wieder deutscher Meister geworden. Wie (fast) immer halt. Obwohl beide Vorzeigeklubs ihrer jeweiligen Länder wie gewohnt den nationalen Titel einfuhren, ist die Lage doch sehr verschieden.
Veszprem kommt ausgeruht zum Final Four. Die heimische Meisterschaft stellt keine besonders große Herausforderung dar, selbst die Finalspiele gegen den einzigen wirklichen Konkurrenten Pick Szeged (30:21, 28:24) waren relativ locker zu bewältigen. Veszprem hatte Zeit, sich bestens vorzubereiten und will endlich auch europäisch den ganz großen Coup schaffen. Zwar gewannen die Ungarn in ihrer Geschichte schon zweimal den Europapokal der Pokalsieger, aber in der Champions League setzte es bei der einzigen Finalteilnahme 2002 eine Niederlage gegen den SC Magdeburg. Der SCM wurde damals gecoacht von wem? Richtig, Alfred Gislason.
Veszprem hat eine Mannschaft zusammen, die ohne Zweifel den Titel holen kann. Der Weg ins Final Four, 8-1-1 in der Gruppenphase, dann souveräne Siege gegen Wisla Plock und PSG, hat gezeigt, was das Team drauf hat.
Bestens ausgeruht ist der THW auf der anderen Seite nicht. Was hat Kiel da nur für eine Saison gespielt? Wir rekapitulieren: Zunächst gab es nach den Abgängen vieler Hochkaräter (Omeyer, Narcisse, Ahlm) Fragezeichen. Das Motto: Dieses Jahr ist der THW zu packen! Aber dann zog Kiel erstmal auf beeindruckende Art und Weise seine Kreise, manche Leute (wie der SPOX-Kolumnist) wollten die Meisterschaft schon abhaken, bis der THW aus dem Nichts unerwartet Punkte liegen ließ.
Es kam zu einer Art Endspiel in Mannheim, das Kiel nach einer total THW-untypischen, ja erschreckenden Leistung (die Torhüter waren an diesem Tag komplett daheim geblieben) bei den Rhein-Neckar Löwen verlor. Damit schien die Meisterschaft verspielt. Doch was dann kommen sollte, haben alle Handball-Fans ja miterlebt: Das unfassbarste HBL-Saisonfinish aller Zeiten mit dem unfassbaren Höhepunkt am vergangenen Samstag.
Kiel schlug die Füchse gefühlt mit 40 und zog in letzter Sekunde an den bemitleidenswerten Löwen vorbei. 2 Tore machten am Ende den Unterschied. Kiel feierte. Mal wieder. Was der Titel und die Art und Weise des Triumphs für das Team von Gislason bedeutet, das wie Veszprem auf dem Weg nach Köln (8-1-1 in der Gruppenphase, Zaporozhye und Metalurg Skopje ausgeschaltet) keinerlei Probleme hatte, ist völlig klar: Momentum. Krasses Momentum. Müdigkeit? Alles Quatsch. Der THW wird völlig aufgepumpt in der Lanxess Arena erscheinen.
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Players to watch: Momir Ilic vs. Filip Jicha. Veszprems Superstar heißt Laszlo Nagy. Der mittlerweile 33-jährige Linkshänder, der nach zwölf Jahren Barcelona 2012 in die Heimat zurückkehrte, ist der Schlüsselspieler, fast alles läuft im Angriff über ihn. Nagy ist aber nicht Veszprems einzige Waffe. Mit Spielmacher Chema Rodriguez und Ilic bildet Nagy einen Hammer-Rückraum, dazu kommt mit Renato Sulic die perfekte Ergänzung am Kreis. Unsicherheiten gibt es nur auf den Außen (beginnt Ugalde auf Linksaußen oder G. Ivancsik? T. Ivancsik oder Gulyas auf Rechtsaußen?). Aber zurück zu Nagy: Er ist der Weltstar, aber zum entscheidenden Mann könnte gegen Kiel ein Ex-Kieler werden: Ilic.
Der Serbe holte in seinen vier Jahren beim THW zweimal die Champions League, ehe er vor der Saison nach Ungarn wechselte, auch aufgrund der Nähe zur Heimat. Die Luftveränderung hat dem Halblinken auf jeden Fall gut getan. Ilic hat eine überragende CL-Saison gespielt. Keiner der verbliebenen Akteure hat mehr Tore als Ilic (91) geworfen.
Im Halbfinale könnte es nun zu einem interessanten Duell mit seinem ehemaligen Zimmerkollegen kommen. Denn auch wenn der THW als Mannschaft die Meisterschaft gewonnen hat, muss ein Mann hervorgehoben werden: Jicha. Wie der Tscheche den THW teilweise mit purem Willen und gegen alle Widerstände, auch des eigenen Körpers, in den vergangenen Wochen angeführt hat, war Wahnsinn. Im Eins-gegen-Eins ist der Welthandballer von 2010 nicht zu verteidigen. Wenn Kiel erneut CL-Sieger wird, dann kann es nur über Jicha gehen.
Prognose: Es spricht eigentlich nicht wenig für Veszprem. Die Truppe von Carlos Ortega hat das Potenzial, eine knallharte Abwehr hinzustellen (keines der Final-Four-Teams kassierte weniger Tore), dahinter ein starker Mirko Alilovic im Kasten - das könnte für Kiel extrem problematisch werden. Kiel-Keeper Johan Sjöstrand muss einen guten Tag erwischen, eine gute Torhüterleistung ist aber im Handball auf diesem Niveau ohnehin Grundvoraussetzung für jeden Sieg. Es wird eine enge Kiste, aber der THW macht's, weil er nach dem irren Meisterschaftsfinish kaum mehr zu stoppen ist.
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FC Barcelona vs. SG Flensburg-Handewitt (Sa. 18 Uhr im LIVE-TICKER)
Ausgangslage: Was soll zum FC Barcelona noch großartig erzählt werden? Die Katalanen sind der Rekordtitelträger in der CL (7) und gehen dieses Mal nach Meinung aller als großer Favorit ins Final Four. Die heimische Liga Asobal hat Barca im Vorbeigehen absolviert. Nachdem man sich drei Jahre lang in Folge dummerweise immer eine Niederlage erlaubte, klappte es nun endlich mit der Perfect Season. 30 Spiele, 30 Siege, Torverhältnis +437. Im Vergleich zur HBL ist die spanische Liga zu einer Witznummer verkommen. Dass Barca auch die Copa del Rey gewann, muss kaum erwähnt werden, eh logisch.
Barca dominierte, dominierte und dominierte. Und dennoch ist es fast ein Wunder, dass es fürs Final Four reichte. Wir erinnern uns, wie die Löwen Barca im Viertelfinal-Hinspiel so was von granatenmäßig an die Wand spielten. Uwe Gensheimer spielte wie ein Handball-Gott (14 Tore), es war eines der sensationellsten Handball-Spiele der jüngeren Vergangenheit, zwischenzeitlich lag Barca mit 11 hinten! Mit 11! 19:30! Unfassbar!
Am Ende reisten die Löwen mit einem 7-Tore-Polster nach Spanien, verloren mit 7 (24:31) und schieden wegen der wenigeren Auswärtstore aus. Und wegen der Herren Schiedsrichter aus Rumänien, aber darüber sich aufzuregen, bringt jetzt nichts mehr. Das Team von Xavi Pascual rettete sich irgendwie ins Final Four.
Und genau das Gleiche gilt für Flensburg. Der Weg ins erste CL-Final-Four der Vereinsgeschichte war dramatisch. Nach einem 24:22-Hinspielsieg schien es in der Hölle von Skopje schon schiefzugehen (20:24-Rückstand), ehe sich die SG noch zurückfightete. Ein 7-Meter von Anders Eggert 11 Sekunden vor Schluss brachte Flensburg gegen den HSV-Bezwinger Vardar Skopje letztlich ins Final Four.
Das Team von Ljubomir Vranjes hat mit dem Erreichen des Halbfinals und Platz drei in der HBL wieder eine gute Saison hingelegt, aber Flensburg sehnt sich eben auch nach einem Titel (zuletzt Meister 2004, Pokalsieger 2005). Im DHB-Pokal verliert die SG seit einigen Jahren per Gesetz das Finale, gegen den THW ist das irgendwo okay, aber die 21:22-Pleite in diesem Jahr gegen Berlin war eine ganz bittere Nummer.
Players to watch: Arpad Sterbik vs. Mattias Andersson. Was Barca so besonders macht: Das Team ist auf jeder Position doppelt besetzt - und zwar auf Weltklasse-Niveau. Aber wenn man ehrlich ist, muss auch gesagt werden: Wenn es eng wird, wie im Viertefinale gegen die Löwen, wer hat das Ruder dann an sich gerissen? Zum einen Nikola Karabatic, der Go-to-Guy im Angriff. Und zum anderen Sterbik im Tor. Flensburg hat mit Andersson aber auch einen Torhüter, der die Kiste vernageln und damit das Flensburger Gegenstoßspiel über Eggert einleiten kann. Es könnte ein überragendes Keeper-Duell werden.
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Prognose: Flensburg ist der Newcomer und die einzige Mannschaft im Final Four, der eigentlich niemand so wirklich den Titel zutraut, schon gar nicht einen Sieg gegen Barca. Auch mit der deutschen Brille muss leider gesagt werden, dass das schon seine Berechtigung hat. Flensburg hat zwar einen genialen Taktikfuchs als Coach, der ein Trumpf sein kann, aber Barca ist individuell einfach besser, mit Karabatic, Lazarov, Rutenka (könnte seinen sechsten CL-Titel holen) und Co. offensiv eine Macht und kommt so auch ins Finale der Arrivierten gegen den THW. Auch dort wird Barca Favorit sein. Eigentlich muss der Titel nach Spanien gehen, wenn es normal läuft. Aber was läuft schon normal? Fragen wir doch mal die Basketballer von Real Madrid, wie das Euroleague-Finale gegen Maccabi Tel Aviv so gelaufen ist... Vielleicht wird Flensburg ja das Maccabi des Handballs, wer weiß.
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