Platz 6, Jenson Button: McLaren-Honda nutzte Sotschi als Experimentierfeld. Mit unterlegener Antriebseinheit rechnete sich in Woking ohnehin niemand Chancen auf Punkte aus. Doch Button staubte zwei Zähler ab, obwohl er im Gegensatz zu Teamkollege Fernando Alonso keinen überarbeiteten Honda-Motor bekommen hatte.
Den Geschwindigkeitsunterschied zur Konkurrenz an einigen Teilen der Strecke bezifferte Button selbst auf über 40 km/h. Verteidigungschancen auf den Geraden? Fehlanzeige. Er bezeichntete sich selbst als "lahme Ente" und traf es damit ziemlich gut. Respektabel war, dass Button trotzdem einen Lotus und einen Williams im Qualifying hinter sich ließ. Und: Er hängte Alonso ab. Der Spanier war 0,404 Sekunden langsamer.
Platz 7, Carlos Sainz jr.: 46 G wirkten auf den Rallye-Weltmeister-Sohn bei seinem Unfall im 3. Freien Training. Wer kann sich darunter wirklich etwas vorstellen? Sainz wiegt offiziell 66 Kilogramm. Mit anderen Worten: 2970 Kilogramm, fast drei Tonnen, drückten beim Einschlag unter den TecPro-Barrieren auf ihn ein.
Der Spanier zeigte Skispringer-Qualitäten und ließ sich nicht davon abbringen, am Sonntag zu starten. Er gab zu, dass ihm in den ersten zehn Runden schwindelig war. Aber nachdem er das Visier geöffnet hatte, sei alles wieder gut gewesen. Sainz fuhr stark, fuhr auf sicherem Punktekurs vor Teamkollege Max Verstappen, bis seine Bremsscheibe explodierte und er abermals in Turn 13 abflog.
"Wenn wir heute ins Ziel gekommen wären", sagte er nach dem Rennen, "wären wir Helden geworden." Etwas viel Pathos, aber ich widerspreche hier nicht. Sich nach diesem Abflug wieder ins Auto zu setzen und von Beginn an so ein Tempo aufzulegen, nötigt Respekt ab. Da dürfte selbst Niki Lauda seine Kappe ziehen.
Platz 8, Daniel Ricciardo: Für Ricciardo gilt ähnliches wie für Perez. Er setzte gut die Strategie um, die Reifen schon während der ersten Safety-Car-Phase zu wechseln. Zudem war er es, der dem Mexikaner den Kampf um Platz 3 ermöglichte. Der Australier hielt Bottas 15 Runden lang auf, wodurch Perez weiter vorn zumindest etwas Tempo rausnehmen konnte. Erst ein Defekt stoppte seinen Kampf um einen Platz unter den ersten Sechs.
Platz 9, Lewis Hamilton: Ein mehr als nur durchschnittliches Wochenende für den Weltmeister. Für seine Verhältnisse sogar ein richtig schlechtes. Hamilton konnte Rosberg im Qualifying nicht das Wasser reichen. 0,320 Sekunden fehlten ihm in Q3 auf Rosberg. Für Silberpfeil-Verhältnisse ist das ein riesiger Unterschied. Durchschnittlich liegt Hamilton seit seinem Wechsel zu Mercedes weniger als eine Zehntelsekunde vor seinem Teamkollegen.
Auch wenn Hamilton das Rennen gewann, ist seine Leistung beim Russland-GP für mich keiner Spitzenplatzierung würdig. Sicher, er machte keine Fehler und brachte den angeschlagenen Mercedes halbwegs intakt ins Ziel. Allein die Tatsache, dass beide Silberpfeile in Q1 auf einen Run mit den superweichen Reifen verzichten konnten und trotzdem das Klassement anführten, ist aber ein ziemlich eindeutiges Indiz für ihre Überlegenheit.
Immerhin: Beim nächsten Grand Prix im US-amerikanischen Austin kann Hamilton seine dritte Fahrer-WM bereits ziemlich locker eintüten. Er muss gleichzeitig zwei Punkte mehr als Rosberg und neun mehr als Vettel holen. Mit anderen Worten: Gewinnt Hamilton und wird Vettel gleichzeitig nicht Zweiter, ist Weltmeisterschaft selbst rechnerisch entschieden.
Platz 10, Felipe Massa: Der Brasilianer fuhr in seinem Williams von Platz 15 bis auf Rang 4 vor. Beeindruckend. Doch die Grundlage für seine starke Performance legte Massa am Samstag selbst, weil er das Qualifying verpatzte. Bei zwei Versuchen in Q2 hätte er sich im ersten Run keinen Fehler leisten dürfen und danach eine Lücke zum Vordermann verschaffen müssen.
Mit dem Williams in Sotschi so früh die Segel zu streichen, ist ein dicker Minuspunkt. Am Sonntag hielt sich Massa aus Schwierigkeiten heraus, ohne Räikkönens Brechstangen-Angriff, wäre er allerdings auch nur Sechster geworden.
Härtefall, Kimi Räikkönen: Der Iceman sprach nach dem Rennen von einem Rennunfall. Bottas habe ihm eine Lücke gelassen. Ich konnte beim besten Willen keine erkennen. Der Williams-Pilot bremste Turn 2 normal an, sein Landsmann war deutlich hinter ihm. Ob Räikkönen die Kurve überhaupt bekommen hätte, ohne Bottas von der Straße zu schieben, sei dahingestellt.
Sicher ist, dass Räikkönen keinesfalls neben Bottas war. Er war weit dahinter und hätte zurückziehen müssen. Nicht umsonst traf das linke Vorderrad des Ferrari den rechten Hinterreifen des Williams. Der Iceman brachte sich mit seiner Aktion nicht nur um den verdienten Lohn für ein eigentlich grundsolides Wochenende und machte Mercedes vorzeitig zum Weltmeister, er beendete auch Bottas' Rennen. Das war sportlich unfair und hatte mit Racing nichts zu tun.
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