Schleck vs. Contador: Duell um den Tour-Sieg
Man muss in den Annalen schon arg weit zurückgehen, bis man eine Tour findet, bei der bereits nach der neunten Etappe nur noch zwei Fahrer eine Sieg-Chance hatten. 1999 gewann Lance Armstrong den Tagesabschnitt nach Sestriere und lag nach dem neunten Tag bereits 6:03 Minuten vor dem Zweiten Abraham Olano.
Bei der diesjährigen Tour heißen die Protagonisten Andy Schleck und Alberto Contador. Die beiden Alpenetappen nach Avoriaz und Sain-Jean-de-Maurienne haben aber eines ganz klar gezeigt: So leicht, wie es viele Experten vor der Tour prophezeit haben, wird es Contador bei seiner möglichen Titelverteidigung nicht haben.
Schleck hat an allen steilen Rampen eindrucksvoll bewiesen, dass er am Berg der einzige Fahrer ist, der dem Spanier Paroli bieten und ihn sogar in Schwierigkeiten bringen kann. Am Col de la Madeleine sorgten die Angriffe des Luxemburgers dafür, dass bis auf Contador alle Favoriten abreißen lassen mussten.
Schleck-Allianz auseinandergerissen
Die beiden großen Nachteile des 25-Jährigen: die Zeitfahr-Schwäche und die verletzungsbedingte Aufgabe von Fränk Schleck. Der ältere der Brüde ist mit einem dreifachen Schlüsselbein- und Schulterbruch aus dem Rennen.
Fränk ist für Andy Zimmerkollege, bester Freund, Edelhelfer, Vertrauensperson und Taktikberater in Personalunion. Kurzum: die wichtigste Person an Andys Seite.
Entscheidet Fränks Ausfall über den Tour-Sieg?
Fränks Fehlen wird vor allem in den hammerharten Pyrenäen-Etappen deutlich ins Gewicht fallen und vielleicht sogar das Zünglein an der Waage um den Toursieg sein. Zudem ist davon auszugehen, dass Contador der bessere Zeitfahrer ist. Beim letztjährigen abschließenden Zeitfahren von Annecy verlor Schleck 1:45 Minuten auf den Spanier, der die Etappe gewann.
Der Saxo-Bank-Kapitän muss also mit deutlich mehr als einer Minute Vorsprung auf Contador aus den Pyrenäen-Etappen kommen, um genug Polster für das Zeitfahren am vorletzten Tag von Bordeaux nach Pauillac zu haben.
Bärenstarkes Astana-Team
Für Contador läuft bisher alles nach Plan. Nur 41 Sekunden trennen ihn von Schleck und Platz eins. Bis auf einen Steuerfehler in der Abfahrt wirkte der "Pistolero" durchweg souverän.
Der Madrilene muss sich nur noch auf den Luxemburger konzentrieren. Das macht vieles leichter. Sein ohnehin schon bärenstarkes Team mit Tiralongo und Navarro als Berg-Adjutanten und Winokurow als Allzweckwaffe kann Angriffe von Armstrong, Sastre und Co. in aller Seelenruhe zulassen und noch schöne Grüße hinterherschicken. Zu weit sind die einstigen Favoriten im Klassement schon abgeschlagen.
Nichtangriffspakt am Madeleine
Taktisch clever war auch der von Contador initiierte Nichtangriffspakt mit Schleck am Madeleine. Nach der kurzen Unterredung der beiden war klar, dass sie ab nun zusammenarbeiten statt sich gegenseitig anzugreifen und dadurch den Konkurrenten Sekunde um Sekunde aufbrummten.
Läuft alles ohne unvorhergesehene Stürze oder Einbrüche, dann wird Contador wohl auch in diesem Jahr ganz oben auf dem Treppchen in Paris stehen.
Und eines ist ob der Dominanz der beiden Protagonisten auch klar: Platz eins und zwei scheinen in den nächsten Jahren wohl sicher vergeben zu sein, sollten ihnen keine Fuentes-Affären oder anderweitige Verdächtigungen einen Strich durch die Rechnung machen.
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