Borussia Dortmund hat mit der Verpflichtung von Kevin Kampl auf die Bundesliga-Krise reagiert. Aber wer ist dieser 24-Jährige Slowene überhaupt, wie passt er ins System von Jürgen Klopp und warum vollzieht der Klub den Wechsel gerade jetzt? SPOX beantwortet die dringlichsten Fragen zum spektakulären Wintertransfer.
Das Foto zeigt einen Jungen im Alter von sechs Jahren bei der Einschulung. Kevin Kampl lacht verlegen, er trägt ein BVB-T-Shirt am Leib und eine schwarz-gelbe Schultüte auf dem Arm. Borussia Dortmund hat das Erinnerungsstück am Montagnachmittag veröffentlicht.
Kurze Zeit davor hatte der BVB bekanntgegeben, dass Kevin Kampl, 24, vom österreichischen Meister Red Bull Salzburg mit sofortiger Wirkung zur Borussia wechseln wird. Der slowenische Nationalspieler hat einen Vertrag bis 2019 unterschrieben, über die Ablösesumme wollten beide Klubs keine Angaben machen.
"Ich war früher wirklich BVB-Fanatiker, für mich geht ein Riesentraum in Erfüllung, bei so einem Verein zu spielen", sagte Kampl bei "Sky Sport News HD".
Rund zwölf Millionen Euro Ablösesumme werden kolportiert, Kampl hatte in Salzburg noch einen Vertrag bis 2019. Erst im Sommer hatte der in Solingen geborene Kampl den Kontrakt bei Red Bull verlängert, sich aber eine entsprechende Ausstiegsklausel zusichern lassen.
"Wir holen nicht einfach was dazu"
Keine 48 Stunden nach der letzten großen Enttäuschung des Jahres bei der Niederlage in Bremen reagiert der BVB also auf seine katastrophale Hinrunde. Dabei hatte Trainer Jürgen Klopp am Samstagabend noch ziemlich zurückhaltend geklungen.
"Wir holen nicht einfach was dazu, das ist nicht wahnsinnig wahrscheinlich! Wir müssen schon schauen, was wir darstellen können. Und bei aller Ernsthaftigkeit des Ganzen macht Aktionismus jetzt keinen Sinn", sagte er da. "Denn bevor wir jetzt über Leute nachdenken, die wir dazu holen und mit denen dann drei Wochen arbeiten können und die dann für uns alles besser machen, prüfen wir das lieber nochmal ab."
Der Wechsel Kampls kommt durchaus überraschend, aber ergibt er auch Sinn? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wer ist Kevin Kampl?
VfB Solingen, Bayer Leverkusen, Greuther Fürth, VfL Osnabrück, VfR Aalen, Red Bull Salzburg und nun Borussia Dortmund - das sind die Stationen des 24-Jährigen bisher. Mit sieben Jahren wechselte Kampl aus seiner Heimatstadt Solingen zu Bayer 04, wo er die komplette Ausbildung bis zur U 23 genoss.
Über die zweite Mannschaft versuchte Kampl vergebens, bei den Profis Fuß zu fassen. Beim damaligen Trainer Jupp Heynckes kam er bei den Profis nicht zum Zug. Wie in Leverkusen üblich, wurde der Spieler deshalb zunächst verliehen. Das Intermezzo in Fürth verlief aber ähnlich enttäuschend.
Kampl wählte den Umweg über die 3. Liga, als er 2011 zum VfL Osnabrück wechselte. An der Bremer Brücke bekam er endlich Spielzeit und nutzte diese auch. Zweitligaaufsteiger Aalen holte den mittlerweile begehrten Flügelspieler im Juni 2012 - und musste Kampl nur acht Wochen später wieder abgeben.
Red Bull Salzburg zog wie kurze Zeit davor Aalen eine im Vertrag festgehaltene Ausstiegsklausel. Aalen hatte noch 200.000 Euro bezahlen müssen, um dann am letzten Tag der Transferperiode plötzlich drei Millionen Euro aus Salzburg überwiesen zu bekommen. Vier Pflichtspiele absolvierte Kampl für die Schwaben, die damit ein Transfersaldo von 2,8 Millionen Euro erzielten - aber eben auch einen hochbegabten Spieler verloren.
In Salzburg wurde aus einem zwar talentierten, aber unbeständigen und launenhaften Youngster in kürzester Zeit ein kompletter Spieler. Trainer Roger Schmidt baute Kampl als eine der Stützen in sein aggressives, laufintensives und risikobehaftetes Spiel ein.
In Salzburg schaffte Kampl den endgültigen Durchbruch. In 109 Spielen für den österreichischen Meister erzielte er 29 Tore und bereitete weitere 54 vor. In dieser Zeit schaffte er auch den Sprung in die slowenische Nationalmannschaft.
In der laufenden Saison kam er in 18 Spielen auf fünf Tore und sieben Vorlagen in der Liga sowie vier Tore und vier Assists in der Europa League.
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Was sind seine Stärken und Schwächen?
In Salzburg hat sich Kampl von einem reinen Offensivspieler zum Allrounder entwickelt. Er war bei Red Bull ein überragender Baustein im Pressing und Gegenpressing. Seine eher schmächtige Statur lässt ihn ebenso schnell wie wendig agieren. Besonders beeindruckend ist hierbei neben der Geschwindigkeit in den Beinen die Handlungsschnelligkeit im Kopf.
In Salzburg hat er die Automatismen des hohen Verteidigens komplett verinnerlicht. Sein Spielverständnis ist sehr ausgeprägt, er erfasst Spielsituationen schnell und reagiert entsprechend: nicht ungestüm oder überhastet, sondern klug - und wenn nötig, dann auch sehr aggressiv im Zweikampf.
Bei Red Bull kam er zuletzt viel auf der Halbposition zum Einsatz, wo er seine Stärken am ehesten einbringen kann. Kampl ist kein klassischer Zentrums- und kein Flügelspieler. Er kann auf beiden Positionen agieren, fühlt sich aber irgendwo dazwischen am wohlsten. Wichtiger als die horizontale ist die vertikale Positionierung: Der Slowene kommt am liebsten aus der Tiefe.
In vorderster Linie tut er sich schwerer, besonders stark ist er mit dem Ball am Fuß, wenn er Tempo aufnehmen kann und das Spiel vor sich hat. Kampl ist beidfüßig, stark im Dribbling und hat ein hervorragendes Auge für den Raum. Auf Grund seiner guten Technik kann er auch starke Drucksituationen auflösen. Verliert er den Ball doch mal, setzt er sofort zur Rückeroberung an.
Das Umfeld in Salzburg und die Spielstärke der österreichischen Liga waren im Nachhinein betrachtet für Kampl die richtige Entscheidung. Allerdings stellt sich im Umkehrschluss auch die Frage, ob er dem Tempo und der Athletik der Bundesliga gleich gewachsen sein wird.
In Deutschland hat er bis auf das kurze Gastspiel in Aalen nur in der dritten Liga gespielt, womöglich wird er sich erstmal an die veränderten Gegebenheiten gewöhnen müssen. Er muss noch eine Spur robuster werden und sein Kopfballspiel verbessern.
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Wie passt er ins BVB-System?
"Kevin Kampl ist ein im offensiven Mittelfeld vielseitig einsetzbarer Spieler, den wir schon sehr lange beobachten. Mit seiner Spielweise passt er ausgezeichnet in unser Anforderungsprofil", sagte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc.
In der Tat erscheint Kampl besonders kompatibel für Dortmunds Spielsystem und die generelle Ausrichtung der Mannschaft. "Kevin ist für höhere Aufgaben bestimmt. Für viel höhere", sagte sein Aalener Ex-Trainer Ralph Hasenhüttl bereits vor zweieinhalb Jahren.
In Dortmund erwartet ihn nun auf der einen Seite eine ambitionierte deutsche Spitzenmannschaft - und auf der anderen Seite eine Mannschaft, die tief im Abstiegskampf steckt. Der BVB wird seinem Fußball trotz der angespannten Lage weiter treu bleiben, das hat Trainer Klopp bereits kampfeslustig angekündigt.
Für Kampl dürfte der Einstieg deshalb relativ einfach werden. Die gerne genommene These, wonach ein Spieler rund ein Jahr benötigt, um das "System Klopp" ganz zu verinnerlichen, wird in diesem Fall wohl ein wenig gelockert.
"Kevin Kampl ist ein schneller Mittelfeldspieler, der das Pressing und Gegenpressing beherrscht und deshalb gut zu uns passt", sagte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Montag. "Ich glaube, dass Dortmund von der Spielweise her genau zu mir passt", sagt der Spieler selbst.
Trotz der vielen Übereinstimmungen bleiben Zweifel an der Verpflichtung. Etwa der, dass Kampls Positionen beim BVB ohnehin schon satt besetzt sind und spätestens mit Beginn der Rückrunde auch die Verletzten wieder einsatzbereit sein werden.
Jakub Blaszczykowski, Pierre-Emerick Aubameyang, Shinji Kagawa und Marco Reus sind die direkten Konkurrenten. Im Zentrum dürfte Kampl eher selten zu finden sein, weder auf der Zahn, noch auf der Doppel-Sechs.
Mit ihm als starkem Offensiv- und Defensivspieler bietet sich auch eine Variante im 4-4-2 mit Mittelfeldraute an, die der BVB bisher kaum in seinem Repertoire hat. Das dürfte aber nur eine zusätzliche Option werden...
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Ergibt der Transfer zu diesem Zeitpunkt Sinn?
Nur zwei Tage nach dem letzten Spiel des Jahres einen neuen Spieler zu holen, nachdem nur wenige Stunden davor mit Dong-Won Ji ein anderer Akteur abgegeben wurde, lässt zumindest den Verdacht des klassischen Panikkaufs aufkommen.
Im Fall von Kevin Kampl ist davon aber kaum auszugehen. Hinter dem Spieler waren eine ganze Reihe hochkarätiger Klubs her, spätestens im Sommer hätte Kampl Salzburg mit hoher Wahrscheinlichkeit verlassen. Insofern ist der ungewöhnliche Zeitpunkt schon zu einem großen Teil erklärt.
"Für ihn ist der Wechsel in die Bundesliga der nächste logische Karriereschritt. Er wechselt damit zu einem Klub, der in den letzten Jahren national wie auch international regelmäßig für Topleistungen gesorgt hat. Kevin ist ein außergewöhnlicher Spieler mit vielseitigen Fähigkeiten, der sich bei uns in den letzten zweieinhalb Jahren fantastisch entwickelt hat", sagte Salzburgs Sportdirektor Ralf Rangnick.
Shinji Kagawa und Pierre-Emerick Aubameyang werden große Teile der Vorbereitung und auch den Auftakt in die Rückrunde verpassen - Kagawa ist bei der Asienmeisterschaft aktiv, Aubameyang reist zum Afrika Cup.
Marco Reus wird nach einer längeren Verletzung unter Umständen noch etwas Eingewöhnungszeit brauchen und Wettkampfhärte aufbauen müssen, ähnlich sieht es bei Kuba Blaszczykowski aus. Kampl dagegen kommt verletzungsfrei und topfit zum BVB und kann beim Trainingsauftakt am 6. Januar sofort voll einsteigen.
Eigentlich hätte der BVB den Spieler bereits im Sommer holen müssen. Kampl war längst auf dem Radar, über ihn wurde intern auch diskutiert. Dass Kampl nun kommt, mitten in der Saison und auf Positionen eingeplant ist, die an und für sich stark genug besetzt sind, lässt die Rückhol-Aktion von Shinji Kagawa in einem etwas anderen Licht erscheinen.
Kagawa war bisher überhaupt kein Faktor und eine der großen Enttäuschungen der an Enttäuschungen nicht eben armen BVB-Hinrunde. Dass jetzt der Spieler zum BVB stößt, der im Sommer als Alternative zum Japaner betrachtet wurde, erhöht den Druck auf Kagawa für die Rückrunde noch mehr.
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