These: Schröder wird zu kritisch beäugt
Haruka Gruber: Ein eindeutiges Ja! Ich habe noch nie einen deutschen Basketballer erlebt, der so sehr Journalisten und Fans polarisiert wie Schröder - was irgendwie verständlich ist. Diese sehr dominante, selbstbewusste Art des Basketballs in Kombination mit der Bling-Bling-Attitüde außerhalb des Courts ist nicht jedermanns Sache. Und zumindest in der Außendarstellung ist die Kritik insofern berechtigt, dass er lernen muss, dass in Deutschland Äußerungen oder Facebook-Posts anders wahrgenommen werden als in der NBA und daher Rückschlüsse auf ihn selbst gezogen werden, egal ob es gerechtfertigt ist oder nicht.
Sportlich hingegen kann ich die Kritik an ihm nicht teilen. Natürlich habe ich mich auch über die massig vielen Turnover geärgert, andererseits war es nicht so, als ob er sich über die Anweisungen von Bundestrainer Chris Fleming hinweg gesetzt hätte und sein eigenes Ding durchziehen wollte. Im Gegenteil: Flemings Plan fußte darauf, dass Schröder den Ball extrem oft in der Hand hält. Deswegen war er in den USA und hat die Plays von Atlanta für ihn studiert. Deswegen war mit Jeff Peterson auch der Scouting Director der Hawks Teil des DBB-Staffs, um so gut es geht Schröders NBA-Style auf den FIBA-Basketball zu übertragen.
Dass das aber mit sehr vielen Turnovern von Schröder einhergeht, musste Fleming einkalkuliert haben. Im Grunde wollte er, dass Schröder Hero-Ball spielt. Von daher müsste Fleming genauso kritisiert werden wie Schröder, wenn es um dessen Ballverluste geht. Gegen Spanien fand ich, dass Schröder trotz des letzten Freiwurfs herausragend war und genau den richtigen Mix hatte aus Pushen und Zurückhaltung - was erstaunlich ist für einen 21-Jährigen, der auf der schwierigsten Position überhaupt spielt. Gegen Italien überzog er hingegen am Ende, was wohl dazugehört bei einem so jungen Point Guard. Olli, du hast ihn nach der Italien-Niederlage zum Flop des Spiels gemacht und hast die SPOX-User gespalten. Was denkst du im Nachhinein darüber?
Marc-Oliver Robbers: Ich finde nach wie vor nicht, dass Schröder zu kritisch beäugt wird. Aber es hängt natürlich davon ab, welche Messlatte man bei ihm ansetzt. Ist er das 21 Jahre alte Talent, das noch am Beginn einer hoffentlich erfolgreichen Karriere steht? Oder ist er schon der Star des Teams mit der Führungsrolle, die er selbst auch für sich beansprucht? Schröder will selbst kein Talent mehr sein, also muss er auch mit dem höheren Anspruch an seiner Person leben. Dazu gehört dann auch, dass er bei uns mal nach einem größtenteils starken Spiel trotzdem zum Flop ernannt wird, weil er in der Crunchtime nicht überzeugen kann.
Ich weiß, dass das wieder viele Schröder-Fans auf die Barrikaden bringen wird und auch das Schröder-Lager war von meiner Wahl nicht begeistert. Aber wer ein Star sein will, muss auch damit leben können, kritischer bewertet zu werden als ein Rollenspieler. Dazu kommt natürlich, dass er - wie Haruka schon sagte - mit seiner sehr selbstbewussten Art polarisiert und gerne noch das eine oder andere Fettnäpfchen mitnimmt. Stichwort Fleming-Kritik. Ich denke jedem ist bewusst, welche unglaublich starke EM er gespielt hat. Ohne Schröder wäre Deutschland sang- und klanglos ausgeschieden. Er lernt aktuell auf dem Platz schneller als daneben. Es geht einfach für ihn darum, aus der Kritik die richtigen Schlüsse zu ziehen, dann wird ihn das auch weiterbringen.
Nowitzki-Interview: "Vielleicht nochmal zusammensetzen"
Felix Götz: Von mir gibt es ein klares Nein zu dieser These. Keiner von Schröders Kritikern hat vergessen, seine unfassbaren Fähigkeiten in den höchsten Tönen zu loben. Und ich hoffe wie wir alle sehr, diese Skills auch in den kommenden Jahren regelmäßig im DBB-Trikot sehen zu dürfen. Neben vielen positiven Ansätzen zeigte die EM aber auch, dass der Junge noch wahnsinnig viel lernen muss - auf und neben der Platte. Zu viele billige Ballverluste, zu viele vogelwilde Aktionen, wenn Schröder zum Korb zog. Dazu die Fehler in den alles entscheidenden Situationen. Unter einem richtig starken Playmaker stelle ich mir etwas anderes vor. Schröder ist noch nicht der Leader, der er sein will und sein soll. Angesichts seines Alters ist das auch halb so wild.
Was mich aber wirklich maßlos geärgert hat, war seine Kritik an Fleming. Da spielt so ein junger Kerl sein erstes großes Turnier, macht selbst genügend Fehler und rüffelt dann noch - anstatt sich an die eigene Nase zu fassen - den Bundestrainer. Das ist respektlos und geht einfach gar nicht, da muss er sich zwingend anders geben. Mein Problem mit Schröder: Ich habe bei ihm nicht den Eindruck, dass er da von selbst drauf kommt. Deshalb hoffe ich auf den Einfluss von Ademola Okulaja.
Matze Bielek: Dennis ist ein begnadeter Basketballer. In den meisten Momenten des Spiels ist es die pure Freude, ihm zuzusehen. Er war es, der die deutsche Nationalmannschaft gegen europäische Topteams im Spiel gehalten hat. Die erste Halbzeit gegen die Türkei ausgenommen. Da wirkte er teilweise ratlos. Aber: Er ist eben noch jung. Er macht noch Fehler. Er verwirft noch mal einen Freiwurf. Wichtig ist, dass er aus diesen Situationen lernt. Davon gehe ich aus.
Seine sportliche Entwicklung in den letzten Jahren war enorm. Ich glaube, dass er manchmal kritischer beäugt wird, liegt nicht an seiner sportlichen Leistung, sondern eher an Dingen, die neben dem Parkett stattfinden. Klar kann er auch hier noch viel lernen. Er muss als Mensch reifen, wie jeder junge Mann in seinem Alter. Man darf ihn aber keinesfalls mit Nowitzki vergleichen, nur weil sie jetzt in der gleichen Liga spielen. Das sind zwei komplett unterschiedliche Charaktere. Dennis wird nie wie Dirk werden, aber er sollte ihn immer als Vorbild sehen, was die Persönlichkeitsentwicklung betrifft. Die Öffentlichkeit sollte ihn wenn dann als Basketballer und wegen seiner sportlichen Leistung kritisieren. Dann ist bei Dennis jegliche Kritik eine Kritik auf hohem Niveau.
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