"Bayern kann nicht auf mich warten"

Vasilije Micic soll das Spiel des FC Bayern lenken
© getty

Er erinnert an Basketball-Genie Milos Teodosic und wurde von der NBA gedraftet. Doch in der BBL muss er sich erst beweisen. Supertalent Vasilije Micic erlebte eine durchwachsene Premierensaison und soll dennoch einen Job erledigen, der womöglich der schwierigste der gesamten BBL ist: Als 21-Jähriger das Spiel des FC Bayern dirigieren. Micic über körperliche Defizite, Kritik von seinem NBA-erfahrenen Mentor und sein Erstaunen über die Inflation an US-Guards in Deutschland.

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SPOX: Nach Heiko Schaffartziks Weggang hätte man erwarten können, dass Bayern einen echten Point Guard nachverpflichtet. Stattdessen kam mit Alex Renfroe der nächste Combo-Guard sowie mit K.C. Rivers ein weiterer Flügelspieler. Sprich: Sie sind der einzige echte Point Guard im Kader - mit entsprechender Verantwortung. Sind Sie mit 21 Jahren bereit dafür?

Vasilije Micic: Ich hätte es verstanden, wenn ein Point Guard dazugekommen wäre. Wir verfolgen sehr ambitionierte Ziele und müssen so gut aufgestellt sein wie möglich. Umso schöner ist es, dass sich der Klub nach Heikos Weggang entschieden hat, für mich Minuten freizumachen. Ich schätze es, dass sie wirklich an mich glauben - und nun liegt es an mir, das Vertrauen zurückzuzahlen. Ich sehe es als große Chance, mich dem deutschen Basketball praktisch neu vorzustellen. Die letzte Saison war okay, wenn man bedenkt, dass ich das erste Mal außerhalb Serbiens war und ich mich anpassen musste. Aber insgesamt verlief das Jahr mittelmäßig, irgendwie so lala. In dieser Saison zählt es für mich.

Editorial: Die BBL-Themenwoche bei SPOX

SPOX: Schaffartzik war einer der wichtigsten Crunchtime-Player. Stehen Sie nun bereit für die wichtigen Würfe?

Micic: Es geht nicht darum, immer den letzten Wurf zu nehmen, wobei in meinen Augen der Point Guard nicht nur das Spiel kontrollieren, sondern in den entscheidenden Situationen auch Verantwortung übernehmen sollte. Ich weiß, dass es dazugehört, und ich bin bereit dafür. Natürlich benötigt man eine gewisse Erfahrung, um in solchen Situationen zu bestehen, andererseits habe ich trotz meines Alters schon viel mitgemacht. In der serbischen Liga habe ich für Mega Vizura häufig den letzten Schuss genommen. Obwohl sich bei den Bayern alles auf einem höheren Level bewegt: Ich weiß für mich selbst, dass ich das kann.

SPOX: Sie trafen vergangene Saison nur 23,8 Prozent der Dreier.

Micic: Deswegen gehörte der Wurf zu den Details, an denen wir im Sommer gearbeitet haben. Die Flugkurve soll etwas flacher laufen, damit es ideal ist. Mein Wurfwinkel war immer etwas zu hoch.

SPOX: Woran arbeiteten Sie sonst? Womöglich im körperlichen Bereich, nachdem Sie in der Vorsaison häufiger wegen Verletzungen ausfielen?

Micic: Ja, der größte Fokus in der Offseason lag auf dem Körper. Vor allem, weil ich gemerkt habe, dass ich physisch einigen Gegenspielern unterlegen bin. Die BBL wird von kleinen, dafür athletischen und kräftigen US-Guards dominiert, deswegen wollte ich mich in dem Bereich besonders verbessern: Schnelligkeit, Athletik, generell die gesamte Fitness.

SPOX: Gab es sonst etwas, was Sie nach dem Wechsel zu den Bayern überraschte?

Micic: Privat gab es keinerlei Probleme. Ich bin ein aufgeschlossener Typ und habe mich schnell in München eingelebt. Allerdings hätte ich nicht gedacht, wie sehr man sich im sportlichen Bereich eingewöhnen muss. Zum einen ist es etwas ganz anderes, aus der Entfernung die Bayern als Marke zu kennen, oder ob man wirklich für den Klub spielt und man mit den riesigen Erwartungen konfrontiert wird. Zum anderen benötigt man eine Zeit, um den Anspruch und die Philosophie eines Top-Trainers wie Svetislav Pesic zu verstehen. Diese Anpassung war vielleicht am schwierigsten. Der Coach fordert Ernsthaftigkeit. Ich war schon immer professionell, doch erst mit der Zeit erkannte ich, was er mit dieser Ernsthaftigkeit meint. Wenn man ein junger Spieler ist, werden Fehler eher toleriert. Aber es muss dem jungen Spieler klar sein, dass die Fehler dennoch Fehler sind und der Mannschaft schaden. Deswegen kann ein ambitionierter Klub wie der FC Bayern nicht auf Talente warten, bis sie keine Fehler mehr machen. Das verstehe ich mittlerweile viel besser. Die Bayern haben nicht den Luxus, auf mich zu warten. Ich muss liefern.

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SPOX: Und? Werden Sie liefern?

Micic: Ich wurde von Serbien leider nicht für die EM nominiert. Als bekanntgegeben wurde, dass ich nicht im endgültigen Kader stehe, sah ich gleichzeitig das Positive: Dass ich die Offseason nutzen kann, um mich perfekt auf die Saison bei den Bayern vorzubereiten. Das war das erste Mal seit sieben Jahren, dass ich im Sommer nicht für Serbiens A- oder Jugendnationalmannschaft nominiert wurde, sondern 15 Tage frei hatte. 15 Tage! Ich konnte mir am ersten freien Tag gar nicht vorstellen, was man mit so viel Freizeit anstellt. (lacht) Das alles tat mir sehr gut, um einmal abzuschalten, bevor es mit der Vorbereitung losging. Jetzt geht es darum, so schnell es geht wieder richtig fit zu werden.

SPOX: Die serbische Trainerschule gilt als besonders hart. Wie ist denn der alte Pesic?

Micic: Er ist speziell. Und sehr fordernd.

SPOX: Also entspricht er dem Klischee?

Micic: Serbische Trainer sind bekannt dafür, tough zu sein. Pesic ist wie Zeljko Obradovic eine Steigerung davon. Doch das ist für mich kein Problem. Er machte in seiner langen Karriere so viele Spieler besser und hatte immer Erfolg.

Seite 1: Micic über seinen Wechsel zu den Bayern, seinen Schwächen und Pesic

Seite 2: Micic über die NBA, Teodosic und den Sonderfall BBL

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