NBA

Deja-Vu der hässlichen Art

Von Max Marbeiter
Derrick Rose verpasste aufgrund von Knieverletzung beinahe zwei Saisons
© getty
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Was bedeutet die Verletzung für Rose?

Das Gefühl ist nicht neu. Aber wird es nicht von Mal zu Mal schwieriger? Wird es nicht von Mal zu Mal frustrierender? Immer wieder Rückschläge wegstecken, sich zurückkämpfen, nur um wenig später wieder von vorne beginnen zu müssen. Da leidet nicht nur die Physis, auch die Psyche muss sich immer wieder neuen, unangenehmen Herausforderungen stellen.

Und schlussendlich ist da noch das Zusammenspiel. Was passiert, wenn die Psyche der Physis nicht mehr über den Weg traut, wenn hinter jeder Bewegung die nächste schwere Verletzung befürchtet wird? Dieser Frage hat sich Derrick Rose nun bereits zwei Mal gestellt - und sie offenbar nie gänzlich beantwortet.

Comeback Nummer eins war einfach zu kurz, Nummer zwei geprägt von der langen Reise zurück zu alter Form. "Früher hat er sich viel kräftiger abgestoßen, um auf seinen Speed zu kommen", beschrieb Penny Hardaway, der einst selbst mit schweren Knieverletzungen zu kämpfen hatte, im Gespräch mit Bill Simmons seine Eindrücke von Rose' Saison.

"Jetzt macht es den Anschein, als jogge er nur auf der Oberfläche. Er stößt sich nicht mehr so kraftvoll ab. Es sieht beinahe so aus, als täte es weh. Wenn er früher 100 Meilen pro Stunde schnell war, sind es momentan vielleicht 70."

Und tatsächlich war Rose in dieser Saison weit von seiner MVP-Form aus dem Jahr 2011 entfernt - mal abgesehen davon, dass das völlig normal ist. Dennoch wunderten sich viele über Spiele wie jenes gegen die Bucks, als der Wurf nicht fallen wollte. Oder jenes in Detroit, als Rookie Spencer Dinwiddie sein Starter-Debüt lieferte und dennoch der bessere von zwei Point Guards war, wenn er Rose auf der Eins gegenüberstand.

"Das schwierigste ist, wenn du nicht mehr auf dem Level performen kannst, den du gewohnt warst", sagt Hardaway. "Der Kopf will, aber dein Körper lässt dich nicht." Am Ende ginge es zur einen Hälfte um den Körper und zur anderen um das Mentale. Er selbst habe nach Spielen mitunter Minuten gebraucht, um aus seinem Auto zu steigen. So sehr hätten seine Knie geschmerzt.

Keine angenehme Vorstellung. Dennoch räumte Hardaway Rose gute Chancen ein, sich wieder komplett zu erholen. Er habe genug Zeit, sei noch jung. Allerdings wusste Hardaway damals noch nicht, dass Rose' Meniskus im rechten Knie erneut reißen würde.

Nun sind die Vorzeichen völlig andere. Zunächst einmal stellt sich die Frage der OP-Methode. Flicken oder verletzte Stelle entfernen? Vor gut einem Jahr entschieden Rose und die Bulls zugunsten der konservativeren Methode, wollten so eine längere Karriere garantieren. Entfernt man den Meniskus, respektive einen Teil, besteht schließlich schneller die Gefahr von Arthrose. Von Schmerzen. Von vorzeitigem Leistungsabfall und Karriereende.

Dwyane Wade plagt sich mittlerweile beispielsweise dauerhaft mit den Folgen seiner Entscheidung vom College herum. Er dient als mahnendes Beispiel. Andererseits besteht bei einem geflickten Meniskus immer wieder die Möglichkeit eines neuerlichen Risses. Dazu die wesentlich längere Ausfalldauer.

Am Ende kommt es auch auf die Schwere der Verletzung an. Entscheidet sich Rose dafür, den Meniskus (teilweise) entfernen zu lassen, könnte er in sechs bis acht Wochen - sprich: bis zu den Playoffs - wieder auf dem Court stehen. Lässt er den Meniskus reparieren, ist die Saison beendet.

Nun sorgte Rose mit seiner Aussage, er schaue auch auf seine Zeit nach der Karriere und wolle deshalb nichts überstürzen, jedoch bereits zu Saisonbeginn für einige Kontroversen. Doch was heißt das? Rose bezeichnet sich selbst als Tagträumer, als einen, der ständig nachdenkt.

Gerade das verkompliziert die Situation. Denn das Vertrauen in seinen Körper dürfte der MVP von 2011 zusehends verloren haben. Mittlerweile steht das Verhältnis zwischen Psyche und Physis vielleicht nicht mehr bei 50/50. Die neuerliche Verletzung kann mental verheerende Folgen haben.

Andererseits fehlen uns noch Wege und Mittel, die Gedanken unserer Mitmenschen zu lesen, herauszufinden, was in ihnen vorgeht. Deshalb weiß auch niemand, wie Derrick Rose wirklich empfindet, was er vorhat. Natürlich verkompliziert die neuerliche Verletzung den Weg zurück in die Elite, vielleicht macht sie ihn nun sogar unmöglich. Fakt ist jedoch einzig, dass Rose den Bulls erst einmal fehlen wird.

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