SPOX: Deutschland besitzt mittlerweile deutlich mehr Talente als noch vor zehn Jahren. Dennoch gelang es abgesehen von Schröder, Pleiß und mit Abstrichen Kleber nur wenigen, sich international nachhaltig zu profilieren. Wie bewerten Sie die deutsche Nachwuchsförderung?
Sedlacek: Einige BBL-Klubs arbeiten sehr seriös und mit viel Engagement in der Jugend. Das größte Problem bleibt weiterhin die Mentalität der Spieler.
SPOX: Svetislav Pesic argumentiert im SPOX-Interview ähnlich. Ist das nicht ein Klischee?
Sedlacek: Nein, ist es nicht. Die deutschen Jungs haben in der Freizeit so viele Angebote außerhalb des Basketballs, dass ihnen die Zielstrebigkeit fehlt. Wenn es auf dem Weg zum Profi tough wird und sie besonders stark sein müssten, geben sie schnell auf. Deswegen gibt es eine solch hohe Rate an Jugendnationalspielern, die es nicht bis zu den Senioren schaffen. Der Spruch stimmt: Wenn du nicht hungrig bist, hast du keine Probleme.
exklusiv Svetislav Pesic im Interview: "Es reicht, hör' damit auf"
SPOX: Ist das so einfach?
Sedlacek: Es gibt natürlich weitere Gründe. Beispielsweise ist die BBL weiter zu sehr geprägt von den amerikanischen Spielern. Daran hat die 6+6-Regelung nicht wirklich etwas verändert. Nur sehr wenige Trainer vertrauen in der Crunchtime deutschen Spielern. So kann sich niemand entwickeln. Es gibt allerdings positive Beispiele. Ich verfolge Frankfurts Johannes Voigtmann seit der U-20-EM 2012 in Slowenien. Er hat zwei, drei Jahre benötigt, um sich bei den Profis zu etablieren und ist jetzt einer der Leistungsträger bei einem Playoff-Team. Das sollte den anderen Deutschen ein Beweis dafür sein, dass es bei ihnen einfach etwas länger dauert als bei Talenten aus dem Balkan. Voigtmann wird dieses Jahr schon 23 Jahre alt. Sie sollten sich davon einfach nicht entmutigen lassen.
SPOX: Warum produziert ein vergleichbares Land wie Frankreich so viele NBA-Profis mehr?
Sedlacek: Erstens: Die meisten französischen Spieler sind dunkelhäutig und damit häufig athletischer als die deutschen Spieler. Zweitens: Die Sportförderung in Frankreich ist zentralisiert, so dass Talente zusammen trainieren und über Jahre gezielt gefördert werden. Drittens: In Frankreich wurden vor einigen Jahren viele Spieler eine Position nach vorne gezogen. Heißt: Power Forwards wurden zu Centern umgeschult, Small Forwards zu Power Forwards, und so weiter. So hat sich die Mentalität des Basketballs mehr zum "Run and Gun" verändert, was an sich sehr gut zum NBA-Stil passt. Und viertens: In Frankreich gibt es deutlich mehr Jugendliche mit einer ähnlichen Sozialisation wie Schröder. Dennis wuchs in sehr bescheidenen Verhältnissen auf, verlor früh seinen Vater, half bei der Mutter im Friseursalon aus. Auf solche Lebensgeschichten trifft man in Deutschland nicht ganz so oft. Deswegen wird es für den deutschen Basketball entscheidend sein, welchen Weg die sehr talentierte Generation mit dem 97er und 98er Jahrgang einschlägt. Diese Spieler kommen jetzt in das schwierige Alter zwischen 17 und 18.
EXKLUSIV Holger Geschwindner im Interview: "Kevin, du klaust unsere Übungen"
SPOX: Im SPOX-Interview kritisiert Holger Geschwindner, dass es in Deutschland einen Mangel an gut ausgebildeten Jugendcoaches gibt.
Sedlacek: Da muss ich Holger Recht geben. Man sollte zwischen Coaches und Lehrern differenzieren. Ein Basketball-Lehrer lehrt, wie man das Spiel spielt. Ein Basketball-Coach lehrt, wie man ein Spiel gewinnt. Wir brauchen für die jungen Spieler keine Coaches, sondern Lehrer, die die Talente zur Schwelle zum Profitum heranführen.
SPOX: Die serbische Schule gilt als knallhart, dennoch wird darauf geachtet, dass außergewöhnliche Spieler wie Teodosic ihre Außergewöhnlichkeit behalten. Wie kommt das?
Sedlacek: Die Rolle eines Basketball-Lehrers ist es, Talent und Charakter der Spieler zu erkennen und ein System bereitzustellen, in dem der Spieler sich bestmöglich entfaltet. Deswegen darf es nie darum gehen, die Persönlichkeit eines Spielers zu verändern. Wenn man Teodosic in eine Linie pressen würde, führt das automatisch zu Problemen. Es geht darum, das zu akzeptieren und ihn spielen zu lassen. Die serbische Schule ist knallhart, aber sie erkennt das an.
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