NBA

Der Gigant im Schatten

Russell Westbrook - immer mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen
© getty

Alles spricht über die galaktischen Warriors und Spurs, aber auch die Oklahoma City Thunder kommen immer mehr ins Rollen und haben elf ihrer letzten zwölf Spiele gewonnen. Russell Westbrook und Kevin Durant gehören beide in die MVP-Konversation, vom Talent her ist wohl kein Team besser aufgestellt. Doch können die Thunder ihre produktivste Fünf in den Playoffs überhaupt nutzen?

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"Die Medien können uns nicht leiden, deswegen zweifeln sie an uns. Vor allem deshalb, weil wir schon so lange zusammen spielen. Einige der anderen Teams sind neu zusammengestellt, mit Ausnahme der Spurs, die schon gemeinsam gewonnen haben. Das haben wir nicht, wir haben aber immer noch den gleichen Kern, also erwartet niemand von uns, dass wir in dieser Saison gewinnen werden. So ist das eben, wen kümmert das schon. Ihre Meinungen interessieren uns nicht. Wir sind der Meinung, dass wir mit jedem Gegner mithalten können."

Vorweg sei gesagt: Kevin Durant hat sich in den letzten knapp zwei Jahren eine etwas kuriose Beziehung zu den Medien aufgebaut, indem er ihnen mal Ahnungslosigkeit vorwarf, um dann wieder auf sie zuzugehen ("Eigentlich liebe ich euch"). Auch die oben aufgeführte Aussage aus dem Januar ist nur bedingt fair.

Den Warriors und den Spurs wird aus dem Grund mehr zugetraut, dass sie beide auf dem Weg zu historischen Saisons sind, in unterschiedlichen Hinsichten (Bilanz, Net-Rating) sogar zur jeweils besten Saison der Geschichte. Über die Cavs wird deshalb mehr geschrieben, weil sie LeBron James haben - und weil sie auf dem Weg in die Finals gegen keins dieser Überteams spielen müssen. "So ist das eben."

Dennoch kann man Durants Irritation gewissermaßen verstehen. Denn in jeder "normalen" Saison könnte OKC ebenso gut der Topfavorit auf den Titel sein, wenn man auf die bisherigen Leistungen blickt. Dass zwei andere Teams noch ein wenig besser dastehen, ändert nichts an der Tatsache, dass auch in Oklahoma City eine überragende Saison gespielt wird.

Die wenigsten Pässe der Liga

Und dabei hat sich bei den Thunder nicht allzu viel verändert, wenn man auf die Spielphilosophie blickt. Als Billy Donovan im Sommer das Zepter vom langjährigen Coach Scott Brooks übernahm, wurde noch über eine variablere Offense mit mehr Ball-Movement spekuliert, die Realität sieht anders aus. In der letzten Saison unter Brooks spielte OKC 276,5 Pässe pro Spiel, aktuell sind es 263,2 - das ist ligaweit der niedrigste Wert.

Noch immer laufen die Thunder viele Isolation-Plays, um genau zu sein bei 8,2 Prozent ihrer Angriffe - ein klarer Kontrast zu beispielsweise San Antonio (5,3 Prozent). Noch immer ist die Abhängigkeit von Durant und Russell Westbrook enorm - Russ führt die Liga bei der Usage-Rate mit 34 an, Durant liegt mit 28,5 auf Rang 15. Der Wert beschreibt die durchschnittliche Anzahl an Ballbesitzen, die ein Spieler alle 40 Minuten nutzt.

San Antonio: Besser als die Besten

Häufig spielen die Thunder, genau wie unter Brooks, ein ein- beziehungsweise zweidimensionales Spiel. Da hilft es natürlich, zwei der fünf (?) besten Spieler der kompletten Liga in seinem Kader zu haben. Es wäre sogar fehlgeleitet, mit zwei Inselbegabten wie KD und Russ einen Spurs-ähnlichen Stil aufziehen zu wollen.

Wenig, aber effizient

"Wir sind nicht die Spurs", sagte Durant daher kürzlich. "Wir spielen in einem Angriff keine 30 Pässe. Versteht mich nicht falsch, das ist toller Basketball, aber nicht unserer Stil. Wir haben Spieler, die auch isoliert punkten können. Basketball kann einfach sein, solange man jemanden hat, der in die Zone kommt. Wir haben diverse Jungs, die in die Zone kommen und ablegen können und das nutzen wir auch gut. Wir spielen davor nur nicht immer fünf oder sechs Pässe."

Selbst wenn dieser Ansatz in den Playoffs bei langsamerer Pace und besseren Verteidigungen problematisch werden könnte - grundsätzlich hat KD nicht Unrecht. Zumal OKC zwar verhältnismäßig wenig Pässe spielt, diese aber effektiv sind: Beim Verhältnis von Pässen zu Assists sind nur die Warriors und Kings besser. 11 Prozent der OKC-Pässe führen zu direkten Assists, Freiwürfen oder "Eishockey-Assists".

Und natürlich macht es Sinn, die einzigartigen Talente von Westbrook und Durant zu nutzen. Angesichts von Stephen Currys Dominanz in dieser Saison fällt es ja noch immer schwer, eine echte MVP-Diskussion aufkommen zu lassen - in jedem anderem Jahr wären die OKC-Superstars allerdings mehr als legitime Kandidaten, vielleicht sogar Favoriten auf den Award.

Stephen Curry: Die Herrschaft des Feuers

KD: Zurück mit einem Knall

Beim Player Efficiency Rating, also der Gesamtbewertung der statistischen Produktion eines Spielers pro Minute, ist nur Curry (31,96) besser als Westbrook (28,5) und Durant (28,04). Bei den geschätzten Siegen, die ein Spieler der Bilanz seines Teams hinzufügt, sieht es ähnlich aus: Russ' "Estimated Wins Added" reichen für Platz 2 (14,9), KD belegt mit 13,5 Platz 4.

Beide Superstars haben zudem unterschiedliche Fragezeichen aus der Offseason in Ausrufezeichen umgewandelt. Bei Durant gab es verständlicherweise Zweifel aufgrund seiner Gesundheit nach dem letzten Seuchenjahr, Donovan scheint hier aber das richtige Händchen zu haben und lässt KD auch mal pausieren. Sieben Spiele verpasste der MVP von 2014 bisher.

Wenn er jedoch auf dem Court steht, lässt er wenig Zweifel daran, dass er vollkommen "zurück" ist. Beim Dreier schwächelte er zuletzt ein wenig, dennoch hat er Chancen auf seine zweite 50-40-90-Saison - aktuell liegt er bei 50,8 Prozent aus dem Feld, 38,7 Prozent von der Dreierlinie und 88,9 Prozent vom Charity Stripe. Seine True Shooting Percentage (63,4 Prozent) wird nur von J.J. Redick und einem gewissen Point Guard in der Bay Area getoppt.

Insgesamt ist das Net-Rating der Thunder um mehr als 14 Punkte besser, wenn Durant auf dem Court steht, legt alle 100 Ballbesitze also 14 Punkte mehr auf als der Gegner. Und dennoch könnte man argumentieren, dass der Forward heuer nicht einmal der wichtigste Spieler im Team ist. Bei Westbrook sind es sogar 17 Punkte Differenz - und der Point Guard trägt offensiv mittlerweile tatsächlich mehr Verantwortung als Durant.

Mehr als nur Triple-Doubles

Auch Russ ging mit einem Fragezeichen ins neue Jahr: Würde er neben KD ähnlich dominant auftreten können wie in der letzten Saison, als er ohne seinen Superstar-Buddy einen Statistikbogen nach dem anderen in Flammen setzte? Die Antwort kommt mit ähnlich viel Überzeugung wie einer seiner Ring-verachtenden Dunks: Er kann!

Dabei ist es fast schon despektierlich, ihn als "Triple-Double-Maschine" zu bezeichnen; ähnlich wie bei Draymond Green sind die Triple-Doubles bloß die auffälligsten Teile eines beeindruckenden Gesamtpakets. Russ spekuliert defensiv zwar immer noch ein wenig zu häufig (führt die Liga allerdings auch mit 2,4 Steals pro Spiel an), ansonsten finden sich aber kaum noch Schwächen im Spiel des "Mode-Zaren", dessen Point-Guard-Tauglichkeit über den Großteil seiner Karriere angezweifelt wurde.

Steht Russ auf dem Feld, bereitet er 45,8 Prozent der Field Goals seiner Mitspieler vor - nur Rajon Rondo und Chris Paul weisen höhere Assist-Percentages auf. Er leistet sich immer noch zu viele Ballverluste, was aber auch seiner irrsinnigen Explosivität geschuldet ist, und dennoch hat er seine Assist-to-Turnover-Rate im Vergleich zum Vorjahr klar gesteigert (2,3 statt 1,96).

Mehr Rebounds als Center...

Westbrook wird in dieser Hinsicht nie Zahlen auflegen wie Chris Paul oder Mike Conley, die pro Ballverlust um die 4 Assists spielen. Diese wiederum können von seinen Qualitäten beim Rebound oder beim Scoring indes nur träumen. Westbrook greift sich 11,8 Prozent aller Rebounds, wenn er spielt - das ist Bestwert unter allen Guards und besser als beispielsweise Marc Gasol und LeBron James.

Die Shotcharts von Kevin Durant (l.) und Russell Westbrook (r.)

Er punktet nicht mehr ganz so viel wie im Vorjahr, als er Scoring-Leader der Liga wurde, das ist angesichts von KDs Rückkehr aber natürlich keine Überraschung - und dafür punktet er jetzt wieder effektiver (55,2 Prozent True Shooting). Wäre er nicht weiterhin so in Pull-Up-Jumper verliebt (8,4 pro Spiel), wäre dieser Wert noch deutlich besser, denn am Ring ist kaum ein Guard so schwer zu stoppen wie Russ.

Westbrook hat den Ball mittlerweile deutlich häufiger in der Hand als sein Superstar-Kollege, der im Gegensatz zu seiner MVP-Saison beispielsweise seltener Pick'n'Rolls als Ballhandler läuft und mehr abseits des Balles eingesetzt wird. Das macht auch Sinn: Durch sein überragendes Shooting kann er den Court für Westbrook deutlich mehr auseinanderziehen, als es andersrum der Fall wäre.

Im Großen und Ganzen tritt man niemandem auf den Schlips, wenn man Durant und Westbrook als besten One-Two-Punch der Liga bezeichnet. OKC lebt von ihnen, nach einigen Anlaufschwierigkeiten zu Beginn der Saison lässt Donovan mittlerweile auch zu nahezu jedem Zeitpunkt mindestens einen von ihnen auf dem Court. Denn ohne sie wird es schwierig - daran hat sich auch unter Donovan nichts geändert.

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